Und wer nimmt den Hund?

Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Rauhaus, Kaufmann. Irgendwann war die Luft raus

Foto: Degeto / Boris Laewen
Foto Tilmann P. Gangloff

Endlich sind sie wieder vereint: Rainer Kaufmann (Regie) und Martin Rauhaus (Buch) knüpfen mit ihrer bissigen Ehekomödie an ihr boshaft-heiteres TV-Drama „Ein starker Abgang“ mit Bruno Ganz als Menschenfeind an. Was sich die beiden Hauptfiguren an den Kopf werfen, obwohl sie eigentlich im Guten auseinander gehen wollen, ist von ausgesuchter Bösartigkeit. Die Inszenierung ist dagegen eher konventionell. „Und wer nimmt den Hund?“ (Degeto / Relevant) lief zwar im Kino, wo der Film rund 250.000 Besucher hatte; ursprünglich aber ist er fürs Fernsehen entstanden. Das erklärt womöglich die wie eine TV-Doku gestaltete überflüssige Rahmenhandlung, in der das Paar seine Befindlichkeiten in die Kamera schildert. Andererseits hat „Und wer nimmt den Hund?“ tatsächlich einen gewissen dokumentarischen Charakter, weil Rauhaus die gegenseitigen Vorwürfe dem Leben abgeschaut hat.

Es hat eine Weile gedauert, aber nun sind sie endlich wieder vereint. Die Rede ist allerdings nicht von den Hauptdarstellern Martina Gedeck und Ulrich Tukur. Die beiden beweisen zwar auch in dieser bissigen Komödie, wie gut sie miteinander harmonieren, haben aber zuletzt noch bei der Kinoromanze „Gleißendes Glück“ (2016) gemeinsam vor der Kamera gestanden. Nein, es geht um den Regisseur Rainer Kaufmann und den Drehbuchautor Martin Rauhaus. Der eine ist für Filme wie „Stadtgespräch“ oder „Marias letzte Reise“ mit allen nur denkbaren deutschen Film- und Fernsehpreisen geehrt worden, der andere gilt hierzulande als einer der besten Dialogschreiber; gemeinsam haben sie 2009 das boshaft heitere TV-Drama „Ein starker Abgang“ mit Bruno Ganz als Menschenfeind geschaffen. Zumindest vom Tonfall her knüpft die Komödie „Und wer nimmt den Hund?“ nahtlos daran an: Was sich die Hauptfiguren mitunter auch recht lautstark an den Kopf werfen, ist teilweise von ausgesuchter Bösartigkeit.

Rauhaus erzählt eine ganz einfache Geschichte: Nach 25 Ehejahren eröffnet ein Mann (Tukur) seiner Frau (Gedeck), er habe eine Jüngere kennengelernt und wolle noch mal von vorn anfangen. Weil das Paar im Guten auseinander gehen möchte, nimmt es die Dienste einer Trennungsbegleiterin (Angelika Thomas) in Anspruch; die Besuche in der Praxis der Therapeutin bilden die Rahmenhandlung. Auf diese Weise können kurze Einschübe für Kontrapunkte sorgen: Beim Gespräch mit der Psychologin macht Doris einen gefassten Eindruck, aber die Rückblende offenbart, wie sie Georgs Ankündigung aufgenommen hat; anschließend kann bei seinem Auto von „so gut wie neu“ keine Rede mehr sein.

Und wer nimmt den Hund?Foto: Degeto / Boris Laewen
Wie sag ich’s meiner Frau?! Der Klassiker: Der Aquariumsdirektor Georg (Ulrich Tukur) hat sich in die jüngere Zoologie-Doktorandin Laura (Lucie Heinze) verliebt.

Das klingt als Einfall nicht sonderlich originell, und auch sonst hat Rauhaus das Genre nicht neu erfunden. Zunächst zeigt der Film die üblichen Gespräche mit bestem Freund (Peter Jordan) und bester Freundin (Julia Jenkins) sowie die erstaunlich abgeklärten Reaktionen der erwachsenen Kinder. Ungewöhnlich ist indes Georgs beruflicher Hintergrund: Der Zoologe ist Direktor eines Aquariums; die Affäre mit der Doktorandin Laura (Lucia Heinze) ist nicht zuletzt das Ergebnis einer gemeinsamen Passion für das Liebesleben der Quallen. Bewegung kommt in die Geschichte, als aus dem Dreieck eine doppelte Paarbeziehung wird: Doris, die einst ihre Leidenschaft für die Malerei der Familie geopfert hat, lernt den Kultur-Journalisten Axel (Marcel Hensema) kennen, und prompt offenbart Georg typische Eifersuchtssymptome. Den Unterschied zu vergleichbaren Komödien machen im Wesentlichen die gemeinsamen (oder auch mal einzelnen) Sitzungen bei der Therapeutin aus, weil die Hauptfiguren auf diese Weise immer wieder miteinander konfrontiert werden. Geschickt sorgen Rauhaus und Kaufmann dafür, dass sich der verletzende Tonfall unterschwellig wandelt.

„Mit der Martin-Walser-Verfilmung „Ein fliehendes Pferd“ (2007) hat Rainer Kaufmann sein Gespür für komödiantische Beziehungskrisen unter Beweis gestellt. „Und wer nimmt den Hund?“ wirkt dagegen wie eine seichte Boulevardkomödie. Das von Martin Rauhaus („Familienfest“) geschriebene Drehbuch flüchtet sich in alberne Klischees (…) und verleiht den wenigen Nebenfiguren kaum nennenswerte Konturen. Man ahnt, dass Kaufmann seinen Film mit ironischer Leichtigkeit inszenieren wollte. Doch die will sich trotz kubanisch angehauchter – und seltsam deplatziert wirkender – Filmmusik nicht einstellen.“ (Cinema)

„Es ist die alte, vom Kino oft variierte Geschichte: als intellektueller Spaß bei Woody Allen, als sadistischer Rosenkrieg bei Danny DeVito, als schrille Gruppentherapie bei Hugh Wilson. In „Und wer nimmt den Hund?“ bedienen sich Regisseur Rainer Kaufmann und Autor Martin Rauhaus recht freimütig bei den amerikanischen Vorbildern, dampfen den Konflikt aber auf deutsches Normalmaß herunter. Gänzlich vorhersagbar haken sie die Stationen des Trennungszwists ab, bauen jedes erdenkliche Klischee ein, können sich dabei aber nicht entscheiden, ob das Ganze eher zu dramatischer Ernsthaftigkeit oder zu grotesker Überspitzung tendieren soll. Die flotte Komödie, die man angesichts des Titels vielleicht erwarten würde, ist der Film jedenfalls nicht.“ (epd Film)

Und wer nimmt den Hund?Foto: Degeto / Boris Laewen
Doris (Martina Gedeck) blüht wieder auf, hat beruflich und privat neue Pläne. „Und wer nimmt den Hund?“

Tukur und Gedeck haben vermutlich keinen Grund, sich über mangelnde darstellerische Herausforderungen zu beklagen, beide gehören seit über 30 Jahren zu den meistbeschäftigten und größtenteils für anspruchsvolle Produktionen engagierten Schauspielern; aber die Dialoge von Rauhaus sind auch diesmal wieder etwas Besonderes. Davon profitiert vor allem Tukur, dem der Autor die amüsanteren Zeilen geschrieben hat. Die Pläne seiner zukünftigen Ex-Frau, eine eigene Firma zu gründen, kommentiert er böse als „Bauunternehmen für Luftschlösser“. Zum Ausgleich hat Doris mehr Actionszenen: Das Auto des Gatten ist nicht das einzige, das dran glauben muss. Höhepunkt in dieser Hinsicht ist ein fingierter Diebstahl im Museum, den Doris live auf ihrer neuen Kunst-Website überträgt.

Eher konventionell ist dagegen Kaufmanns Inszenierung. Der Film lief zwar 2019 im Kino (250.000 Besucher), ist aber ursprünglich fürs Fernsehen entstanden und kann das auch nicht verleugnen; daran ändert selbst die interessante abwechslungsreiche Musik (Jörn Kux, Jan-Peter Klöpfel) nicht viel. Überflüssig ist zudem die wie eine TV-Dokumentation gestaltete Klammer, wenn Georg und Doris zu Beginn und am Schluss ihre Befindlichkeiten direkt in die Kamera schildern. Andererseits hat die zuweilen zwar witzige, aber nie alberne Komödie tatsächlich einen gewissen dokumentarischen Charakter, weil Rauhaus die Schilderungen und gegenseitigen Vorwürfe dem Leben abgeschaut hat. Die Realitätsnähe gipfelt in einer Bilanz Georgs, die viele langjährige Paare nachvollziehen können: Erst haben die Liebenden lauter verrückte Dinge gemacht, dann kamen die Kinder und mit ihnen der Alltag, und „irgendwann war die Luft raus.“ Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte. (Text-Stand: 11.6.2020)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Lucie Heinze, Angelika Thomas, Marcel Hensema, Julika Jenkins, Peter Jordan

Kamera: Klaus Eichhammer

Szenenbild: Andreas Lupp

Kostüm: Katrin Aschendorf

Schnitt: Nicola Undritz, Claudia Gleisner

Musik: Jörn Kux, Jan Peter Klöpfel

Redaktion: Stefan Kruppa, Nadine Becker

Produktionsfirma: Relevant Film

Produktion: Heike Wiehle-Timm

Drehbuch: Martin Rauhaus

Regie: Rainer Kaufmann

EA: 29.06.2020 20:15 Uhr | ARD

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