Tödliche Geheimnisse – Das Versprechen

Kunzendorf, Engelke, Schmidt-Schaller. Es müssen nicht immer Kommissare sein!

Foto: Degeto / Christiane Pausch
Foto Rainer Tittelbach

Warum in die Ferne schweifen – wenn die politisch brisanten Themen hierzulande auf der Straße liegen. Das haben sich offenbar die Macher der Wirtschaftsthriller-Reihe „Tödliche Geheimnisse“ gedacht, nachdem sie zwei Journalistinnen 2016 und 2017 durch die Welt jagten, um von der unentwirrbaren Verflechtung von Geld und Macht, von Politik und Konzerninteressen in der globalisierten Welt zu erzählen. In „Das Versprechen“ nimmt nun Autor Florian Oeller nach Wirtschaft, Wissenschaft & Medien verstärkt die Politik ins Visier. Damit und mit dem Schauplatz Berlin positioniert sich die Reihe näher an der deutschen Wirklichkeit, wirkt realistischer, die Handlung überschaubarer, und die Konflikte sind nachvollziehbarer. Der Film stößt in die Nische zwischen Themenfilm und „Tatort“, greift ein paar gravierende gesellschaftliche Probleme auf, grundsätzlicher als ein Krimi dazu in der Lage wäre, ist aber nicht weniger spannend. Denn die Frage, wie das Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Kommunikationsstrategien funktioniert, wer hier wen am Nasenring durch die Manege führt und ob es neben der vierten Gewalt noch eine weitere moralische Instanz oder integre Person gibt in diesem Spiel, das bleibt lange offen. „Tödliche Verhältnisse“ hat das Zeug dazu, noch regelmäßiger gesellschaftlich brisante Themenfelder zu beackern.

Die ehemalige Chefredakteurin Karin Berger (Anke Engelke) und die investigative Journalistin Rommy Kirchhoff (Nina Kunzendorf) stehen vor einem Neuanfang: Die beiden sind wieder ein Paar, haben nun zwar keinen großen Verlag mehr im Rücken, sind aber zuversichtlich, dass es auch beruflich vorwärtsgehen wird. Sie heuern bei einem politischen Online-Magazin an, das von alten Bekannten (Julius Feldmeier, Sebastian Rudolph, Pegah Ferydoni) ins Leben gerufen wurde. Die Bezahlung ist schlecht, aber die erste Geschichte, an der die beiden arbeiten, könnte dem leserfinanzierten Medium viele neue Abonnenten bringen: Es geht um Dumpinglöhne im Baugewerbe, um Menschenhandel, moderne Sklaverei – und um einen Bausenator (Mark Waschke), dem mit seinem ehrgeizigen Projekt „Wohnen für Berlin“ das Amt des nächsten Regierenden Bürgermeisters so gut wie sicher ist. Doch was wird der Knüller? Das Exklusiv-Interview mit dem Hoffnungsträger Sebastian Schülke oder das, was seine ehrgeizige Referentin Vicky Urban (Petra Schmidt-Schaller) Berger und Kirchhoff in Aussicht stellt? Über ihren Liebhaber Felix Stein (Anton von Lucke) kommt sie an brisante Informationen über dessen Arbeitgeber, Baulöwe Herbert Sandner (Rainer Wöss), und die dubiosen Subunternehmer, mit denen er zusammenarbeitet. Damit könnte sich der Kreis schließen zu den illegal nach Berlin eingeschleusten Schwarzarbeitern aus Nicht-EU-Ländern, die hier gleich mehrfach abgezockt werden. Dass innerhalb von drei Monaten drei Osteuropäer zu Tode kamen, ist natürlich auch keine gute Werbung für den Kandidaten.

Tödliche Geheimnisse – Das VersprechenFoto: Degeto / Christiane Pausch
Der Kandidat und seine „Verkäuferin“: Der aufstrebende Bausenator Schülke (Mark Waschke) hat eine enge Beziehung zu seiner ehrgeizigen Referentin Vicky (Petra Schmidt-Schaller).

Warum in die Ferne schweifen – wenn die politisch brisanten Themen hierzulande auf der Straße liegen. Das haben sich offenbar Produzentin Gabriela Sperl, die Degeto-Redakteure und Autor Florian Oeller gedacht, nachdem sie für ihre Wirtschaftsthriller „Tödliche Geheimnisse“ (2016) und „Jagd in Kapstadt“ (2017) zwei Frauen durch die Welt jagten, um von der unentwirrbaren Verflechtung von Geld und Macht, von Politik und Konzerninteressen in der globalisierten Welt zu erzählen. In „Tödliche Geheimnisse – Das Versprechen“ stolpert das Journalistinnen-Duo förmlich über das Thema seiner ersten Hauptstadtgeschichte. Vor deren Augen fällt einer jener Arbeitssklaven, ein Mann aus der Ukraine, von einem Baugerüst. Über dessen verängstigten Bruder (Ivan Shvedoff) erfahren die beiden Heldinnen von der idealistischen Gestalt („Sie werden unseren heißen Atem im Nacken spüren“) die Basics der menschenverachtenden Abzocke. Es folgt die journalistische Feinarbeit, die Suche nach Beweisen, nach Verbindungen, nach Briefkastenfirmen. Danach werden Gespräche gesucht; doch Kriminelle lassen sich nicht gern interviewen, und Journalisten haben – anders als die Polizei – nun mal keine Lizenz zur Befragung. Sehr viel aufgeschlossener zeigt sich da schon  der von Mark Waschke gespielte Politiker. Der und seine Referentin wollen Öffentlichkeit um jeden Preis. Karin Berger kommt allein zum Interview – und sie zeigt sich hinterher recht angetan von Schülke: „Haltung, Charisma, Inhalte – also ich kann da bislang nichts Falsches entdecken.“ Bauchschmerzen bereiten ihr dagegen Schülkes merkwürdige Referentin.

Der dritte Streich von „Tödliche Geheimnisse“ dreht nicht mehr am ganz großen internationalen Rad. Dafür hat Autor Oeller nach Wirtschaft, Wissenschaft und Medien verstärkt die Politik ins Visier genommen. Damit und mit dem Schauplatz Berlin positioniert sich die lose Reihe näher an der deutschen Wirklichkeit, wirkt realistischer, die Handlung überschaubarer, und die Konflikte sind nachvollziehbarer. Eine Journalistin im Fadenkreuz von globalen Playern wie in den ersten Episoden mag für eine deutsche Produktion filmisch spektakulär sein, narrativ aber war das zu viel der Räuberpistole. Eine verwüstete Journalisten-Wohnung tut es auch – und ist glaubwürdiger. Und so stößt „Das Versprechen“ in die unbesetzte Nische zwischen Themenfilm und „Tatort“, greift ein paar gravierende gesellschaftliche Probleme auf, grundsätzlicher als ein Krimi mit Mordzwang dazu in der Lage wäre, ist aber letztlich nicht weniger spannend. Denn die Frage, wie das Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Kommunikationsstrategien funktioniert, wer hier wen am Nasenring durch die Manege führt und ob es neben der vierten Gewalt noch eine weitere moralische Instanz oder integre Person gibt in diesem Spiel, das bleibt lange offen. Und so ist die Genre-Entwicklung dieser Journalisten-Reihe vom knalligen Wirtschaftsthriller zum Polit-Drama gelungen. Erstmals wird auch auf interne journalistische (Macht-)Spielchen verzichtet: Die Spannungen zwischen Redaktion und Verlag mit Bergers moralisch schwieriger Position als Chefredakteurin sind kein Thema mehr. Dadurch können sich die beiden ganz auf ihren „Gegner“ konzentrieren und haben mehr zu bieten als nur den Mut der Verzweiflung.

Tödliche Geheimnisse – Das VersprechenFoto: Degeto / Christiane Pausch
Die menschliche Seite der Geschichte, an der Kirchhoff & Co dran sind. Der Bruder vom Baugerüst gefallen, der Sohn vermisst, aber Taras (Ivan Shvedoff) gibt nicht auf.

Zwar sind in Berlin die potenziellen Gegner oder Objekte, an denen sich die Journalistinnen abarbeiten können, nicht so gemeingefährlich wie die Über-Managerin in den ersten Episoden, dafür besitzen die beiden politischen Kräfte, der Kandidat und seine „Verkäuferin“, genügend Charisma und Geheimnispotenzial hinter der souveränen Fassade – was der Geschichte nur gut tut. Riemanns Lilian Norgren war von Anfang an das Aas, auf Mark Waschkes und Petra Schmidt-Schallers Charaktere kann man sich hingegen nicht sofort einen Reim machen – auch wenn man als Zuschauer ein dezentes Mehrwissen gegenüber den investigativen Damen besitzt. In Sachen Brillanz, Ehrgeiz, Kaltschnäuzigkeit und Siegeswille steht Vicky Urban Norgren in nichts nach, während Waschkes Noch-Bausenator mehr und mehr als der Mann gezeigt wird, den seine Referentin aus ihm macht. Und in Vieraugengesprächen entpuppt sich die junge Frau als stärker und cleverer: Sie hält seinem Blick länger stand, spielt mit ihrem Sex-Appeal; da stockt ihm der Atem. Spätestens in solchen intimen Szenen erkennt man die große Klasse dieser beiden Schauspieler. Aber sie sind nicht weniger überzeugend, wenn ihre Figuren zu Walkampfreden anheben: er auf der großen Bühne, sie nur beim Technikcheck.

Es bedarf nicht erst eines Trump, wachsendem Nationalismus, Demokratie-Müdigkeit, Pegida oder AfD, um Journalisten zu Film- und Serien-Protagonisten zu machen. Auch ohne deren zunehmende öffentliche Verunglimpfung in den letzten Jahren ist diese Berufsgruppe bestens  geeignet, um politische Skandale („Der Fall Barschel“) aufzudecken und gesellschaftlich relevante Themen („Die vierte Gewalt“) in Filmen zu erzählen. Nach „Das Versprechen“ spricht deshalb vieles dafür, „Tödliche Verhältnisse“ fortzusetzen und weitere brisante Themenfelder mit den Top-Protagonisten Kirchhoff & Berger und dem Star-Duo Nina Kunzendorf und Anke Engelke unaufgeregt zu beackern. Die Schauspielerinnen sind präsent, agieren aber dem Tonlagen- und Genrewandel entsprechend angenehm zurückhaltend und überlassen so den Themen und den „Gegenspielern“ die Bühne. Sie haben andere Waffen, agieren aus der sicheren Deckung heraus. Es müssen also nicht immer Kommissare sein.

Tödliche Geheimnisse – Das VersprechenFoto: Degeto / Christiane Pausch
Observieren statt am Computer recherchieren. Der journalistische Nachwuchs bei der Arbeit für das Online-Magazin „Die Redaktion“. Pegah Ferydoni & Julius Feldmeier

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Nina Kunzendorf, Anke Engelke, Petra Schmidt-Schaller, Mark Waschke, Ivan Shvedoff, Anton von Lucke, Pegah Ferydoni, Julius Feldmeier, Michael Rotschopf, Sebastian Rudolph, Rainer Wöss, Judith Hofmann, Özgür Karadeniz

Kamera: Jörg Widmer

Szenenbild: Eduard Krajewski

Kostüm: Angelika Götz

Musik: Jasmin Shakeri, Beathoavenz

Redaktion: Sascha Schwingel, Claudia Luzius

Produktionsfirma: W&B Television, Gabriela Sperl Produktion

Produktion: Gabriela Sperl, Max Wiedemann, Quirin Berg

Drehbuch: Florian Oeller

Regie: Barbara Kulcsar

Quote: 5,12 Mio. Zuschauer (17,3% MA)

EA: 22.02.2020 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach