„Lisa geht zum Teufel“, „Emma verduftet“, „Mutti steigt aus“, „Elli gibt den Löffel ab“: Im Grunde sind die Titel der Bücher von Tessa Hennig Paraphrasierungen der immer wieder gleichen Kernaussage, „jetzt reicht’s!“ Da sich die Gründzüge der jeweiligen Geschichten ebenfalls mindestens ähnlich sind, gleichen sich auch die Filme. „Mutti steigt aus“, die jüngste Adaption fürs ZDF-„Herzkino“, ist im Unterschied zu früheren Filmen immerhin annehmbar.
Es ist selbstverständlich kein Zufall, dass die Geschichten grundsätzlich im sonnigen Süden spielen. Ob Marbella oder Capri, Südfrankreich oder Gran Canaria: Angesichts des ständig schönen Wetters werden die alltäglichen Sorgen der Protagonistinnen, sofern sie überhaupt welche haben, zweitrangig. Hennigs Heldinnen sind um die sechzig, aber immer noch jung genug für den zweiten oder gar dritten Frühling. Das gilt auch für die Hauptfiguren aus „Mutti steigt aus“: Die Freundinnen Sigrun (Maren Kroymann) und Elke (Eleonore Weisgerber) überreden Maria (Rita Russek), gemeinsam ein traumhaft gelegenes Haus auf Gran Canaria zu erwerben. Die Dritte im Bunde ist seit drei Jahren Witwe und lebt allein in einem viel zu großen Anwesen in Berlin. Würde sie es verkaufen, hätte sie das nötige Geld, um bei der Seniorinnen-WG einzusteigen. Sohn Robert (Simon Böer) fällt jedoch aus allen Wolken, als er von dem Plan erfährt: Seine Software-Firma ist pleite und seine Frau (Isabella Surel) anspruchsvoll; er hatte gehofft, „Mutti“ würde ihm aus der Patsche helfen.
Die Adaption des Romans besorgte Thomas Hernadi, die Umsetzung die „Utta Danella“-erfahrene Gloria Behrens, und die inszeniert die Geschichte deutlich flotter und vor allem dichter als zuletzt Edzard Onneken „Elli gibt den Löffel ab“. Außerdem macht es durchaus Spaß, den drei erfahrenen Hauptdarstellerinnen zuzuschauen, selbst wenn der Filmbeginn, als einige knackige junge Männer der mindestens doppelt so alten Maren Kroymann am Pool anerkennende Blicke nachwerfen, ein bisschen dick aufgetragen ist. Aber eskapistische Geschichten dieser Art spielen ohnehin in einer weiblichen Parallelwelt, und dort gelten nun mal andere Parameter. Die Botschaft an die vom Leben im Allgemeinen und ihren Männern im Besonderen offenbar enttäuschte Zielgruppe ist eindeutig: Für die Liebe ist es nie zu spät; vorausgesetzt, man ist nach wie vor attraktiv und kann sich südliche Gefilde leisten. Wie eigentlich immer in solchen Filmen fallen die Damen allerdings auf einen Betrüger rein, der ihr Traumhaus gleich zweimal verkauft hat. Zum Glück gibt’s ja noch Pablo (Walter Kreye): Der Bankier hat nicht nur die Zwischenfinanzierung übernommen, er findet auch großen Gefallen an Maria; außerdem ist er praktischerweise gleichfalls verwitwet.
Naturgemäß wirkt das romantisch-komische Drama über weite Strecken wie ein Werbefilm für Gran Canaria, zumal Kameramann Jochen Radermacher einige wirklich schöne Bilder gelungen sind, deren krasser Gegensatz zum graukalten Berlin eigens betont wird. Sonne und Strand sind zwar nicht immer Teil der Handlung, gehören aber zur Geschichte, weil Sigrun und Elke die Insel in den höchsten Tönen loben, um Maria zum Ausstieg aus dem Alltag und zum Einstieg in die Haus-WG zu überreden. Auch Las Palmas wird nur von seinen besten Seiten gezeigt. Heimlicher Star des Films ist trotzdem nicht Gran Canaria, sondern Miguel (Rudy Ruggiero), der schwule neue Nachbar des Trios. (Text-Stand: 12.5.2013)