Die Fälle waren bisher nicht das Gelbe vom Ei, die Kommissare etwas viel versprechender. Simone Thomalla als Eva Saalfeld machte bisher in engen Jeans und knappem Jäckchen vor allem eine gute Figur, während Martin Wuttke als Andreas Keppler den coolen Sonderling gab, der auf Konventionen pfeift, nicht aber auf Haltung. Obwohl die zwei Ermittler laut Buch eine Ehe hinter sich haben, war zwischen ihnen viel Distanz in den ersten „Tatorten“ aus Leipzig. Der dritte Fall „Unbestechlich“ lässt sie enger zusammenrücken und sie sich ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnern. „Nur gucken, nicht anfassen“ – das gilt nicht mehr!
Ein mit beiden Kommissaren befreundeter Kollege gerät unter Mordverdacht. Eine junge, heroinabhängige Frau wird mit Genickbruch in ihrer Wohnung aufgefunden. „Eine Verzweiflungstat oder ein brutaler Mord?“, fragen sich Saalfeld und Keppler. Im Laufe ihrer Ermittlungen kommen und gehen die Verdächtigen: ein kleiner Hehler und Dieb, ein Taxifahrer, der mit der Toten befreundet war, ein großspuriger Drogenfahnder. Immer mehr sieht es danach aus, als ob tatsächlich der befreundete Polizist der Mörder ist.
„Unbestechlich“ ist ein klassischer Whodunit-Krimi, der die Realität der Drogenabhängigkeit klug zur Dramatisierung nutzt und der vor allem die Kommissare dem Zuschauer sehr viel näher bringt als in den ersten beiden Fällen. Die Gegensätze zwischen der Toughen und dem Knorrigen verwischen sich in dem Film von Nils Willbrandt. Körper und Kopf, Bewegung und Stille finden zur Einheit. Keppler liest den Tatort nicht mehr ganz so akribisch und Saalfeld ist nicht mehr so ungebremst in ihrer Kommunikationslust. Weil beide sehr persönlich in den Fall involviert sind, finden sie emotional zueinander. Auch der so reserviert und verschlossen wirkende Trenchcoat-Bulle hat Gefühle. Er zeigt sie nur anders. Doch auch mit einem flüchtigen Kuss kann er seine ehemalige „bessere Hälfte“ überraschen. „Wofür war der denn?“, will die perplexe Kommissarin wissen. „Hab’ ich schon wieder vergessen.“
Die Neuen haben ihr Soll erfüllt. Die Quote (8,2 Millionen im Mai!) stimmt – und auch das Ermittlerduo hat nun seine Gangart einigermaßen gefunden. Die Rechnung des MDR scheint aufgegangen zu sein: auf der einen Seite die attraktive Simone Thomalla, die öffentliche Frau, die von jeder Zielgruppe gern gesehen wird, die in Ost und West gleichermaßen beliebt ist. Auf der anderen Seite Martin Wuttke: mit Boulevard und Bierwerbung kann der Schauspieler, dem 1995 mit Brechts „Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ der ganz große Durchbruch gelang, nicht dienen. Ein wenig Aura der Hochkultur, gepaart mit dem Individualismus eines großen Mimen, das kann selbst bei einer populären Krimi-Reihe nicht schaden, wie Hannelore Hoger und Edgar Selge gezeigt haben. Dennoch darf man sich fragen, was aus dem Leipziger „Tatort“ hätte werden können, wenn weniger nach Kalkül besetzt worden wäre. Nichts gegen Thomalla – im leichten Fach ist sie unschlagbar, aber an der Seite Wuttkes muss sie verblassen. Und schlimmer noch: sie nivelliert seinen Hang zur Tiefe und zur Beiläufigkeit. Der kleinste gemeinsame Nenner ist ein gangbares Prinzip zum Erfolg. Eine optimale Lösung ergibt sich daraus nicht. (Text-Stand: 7.12.2008)