Ein Mann wird tot im Kofferraum eines Unfallwagens aufgefunden. Es ist der Personalleiter der städtischen Verkehrsbetriebe, Jörg Korsack. Besonders beliebt war er bei seinen Mitarbeitern nicht. Nur Mandy, eine junge Straßenbahnfahrerin, lässt nichts auf ihren Chef kommen, sie liebte ihn und erwartet ein Kind von ihm. Sabine Korsack spielt die Affäre herunter. Ihr Mann habe stets „etwas am Laufen“ gehabt – aber er wäre auch dieses Mal wie immer zu ihr zurückgekommen. Seit der Mordnacht liegt der 17-jährige Tobias Fischer im Koma – Folge einer lebensgefährlichen Alkoholvergiftung. Auch seine Mutter Moni ist schwer alkoholabhängig. Beide arbeiteten unter Korsack und beide hatten Probleme mit ihm. Uwe Fischer muss diese Familie zusammenhalten – dabei verstrickt er sich nicht nur im Lügen-Gebäude der Sucht seiner Liebsten – sondern auch in Widersprüchen, was den Mord angeht.
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Im neunten „Tatort“ aus Leipzig gibt es mehr als ein Suchtproblem. Zunehmend im Mittelpunkt steht die Alkoholerkrankung von Monika Fischer – und damit auch die Ko-Abhängigkeit des Ehemanns, der das Problem nach außen klein redet und seiner Frau ewige Liebe schwört. Der Teufelskreis der Sucht ist geschlossen. Der Süchtige hat die Macht. Auch in der Beziehung zwischen Sabine Korsack und ihrem Mann schwingen Abhängigkeit und Sucht mit. Der Ermordete litt offenbar unter Sex-Sucht. Oder ist diese Lust auf etwas Neues im Bett vielleicht nur von der Ehefrau erdacht, um sich das Leben erträglicher zu machen? „Schön ist anders“, gesteht sie. Doch weg kam sie nicht von ihm. Auch hier war es die gegenseitige Abhängigkeit, die die „kranke“ Beziehung zementierte, die den Mann weiter machen ließ und die die Frau weiter leiden ließ. Doppelter Sucht-Faktor auch bei dem Sohn der Familie: er ist alkoholkrank und zugleich eifer-süchtig! Selbst Keppler und Saalfeld haben, als sie noch ein Paar waren, einschlägige Erfahrungen mit dem Thema Sucht gemacht. „Ich hab es so satt, im Elend anderer Menschen zu wühlen“, sagt der Kommissar, weil es zum Teil auch das eigene Elend ist. Keppler war schwer alkoholkrank, Saalfeld hat ihn deshalb verlassen. Das habe ihm damals das Leben gerettet, glaubt Keppler heute.
Viel Sucht im Spiel – aber Autorin Kathrin Bühlig hat keineswegs zwanghaft ihren Protagonisten und der Geschichte das Thema aufgedrückt. Unsere Gesellschaft ist eine Suchtgesellschaft. Der Film erzählt davon. Vielleicht kommt die „Öffnung“ des unwirschen Kepplers im neunten Fall ein wenig überraschend, vielleicht wirkt der ein oder andere Satz von ihm zu erklärt für den sonst so Wortkargen – insgesamt aber ist das Thema geschickt in die Krimihandlung eingewoben. Es passiert einiges, es gibt viel Schicksal in diesen 90 Minuten, aber nie hat man das Gefühl, dass zu viel zu Schweres auf diesem „Tatort“ lastet. Das Beziehungspotenzial schlägt ins Drama aus und er-schlägt damit nicht den Krimi und seine Konstruktion. Judith Kennel, eine sehr um Filmästhetik bemühte Regisseurin, setzt hier – passend zum Thema – auf ein Realismus-Konzept, sachlich, trocken, geradlinig: Bormann darf sächseln, die Straßen von Leipzig kommen endlich mal ins Bild, nüchtern die Filmsprache (stark: die Verhöre gegen Ende) & die Charaktere sind das Maß aller Dinge. Die Schauspieler setzen noch einen drauf: Böwe, Brambach, Bormann, Harfouch – perfekte dramatische Miniaturen. „Es geht ums Überleben“, wird im Film beiläufig gesagt. Diese Beiläufigkeit des Schweren macht „Schön ist anders“ zum bislang besten „Tatort“ aus Leipzig.