Tatort – Feuer

Hartmann, Reinsperger, Lause, Bauer, Zimmler, Busch, Neul. Zerstörerische häusliche Gewalt

Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Foto Thomas Gehringer

Der Tod einer Frau bei einem Zimmerbrand ist der Ausgangspunkt für ein bitteres Familiendrama im Dortmunder „Tatort“. Die Episode „Feuer“ (WDR / Pandora Film), in dem Kommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) zeitweise verdeckt in einem Frauenhaus ermittelt, handelt von den zerstörerischen Folgen häuslicher Gewalt, insbesondere auch für die Kinder. Gleichzeitig setzen Markus Busch (Drehbuch) und Nana Neul (Regie) die komplexe horizontale Erzählung über das Dortmunder Team mit wohlgesetzten Akzenten fort, ohne Antworten auf die durchaus zahlreichen offenen Fragen zu geben. Die Erzählung bleibt also im Fluss, auch die Krimi-typische Erlösung, der Sieg des Guten über das Böse, stellt sich nicht wirklich ein. Dafür zeigt der zuletzt unter Mordverdacht geratene Kommissar Faber (Jörg Hartmann) ungewohnt empathische (Vater-)Seiten. Ein insbesondere von Hartmann und Reinsperger überzeugend gespieltes, leider lebensnahes Drama mit tragischer Pointe.

Die kleine Zoe (Tesla Tekin) irrt barfuß und rußgeschwärzt durch die Straßen. Ihre Mutter Meike Gebken (Nadja Becker) wird tot in ihrem Haus gefunden, gestorben an einer Rauchvergiftung infolge eines durch Brandstiftung entstandenen Zimmerbrands. Die Reaktion ihres Ex-Partners auf die Todesnachricht ist vielsagend: „Hat die sich etwa umgebracht?“, fragt Jens Hielscher (Sebastian Zimmler) ungerührt und macht sich mit seinem aggressiven, gefühlskalten Auftreten sogleich verdächtig. Allerdings hat der gewalttätige Hielscher ein Alibi, und nach Ansicht von Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) sei Mord durch Brandstiftung „eher so ein Frauending“. Ziemlich verstörend ist außerdem, dass Zoe wieder in die Obhut ihres Vaters übergeben wird. Dabei war Meike Gebken noch vor wenigen Wochen mit ihrer Tochter vor den Misshandlungen von Hielscher ins Frauenhaus geflüchtet. Man möchte lieber nicht glauben, dass eine solche Entscheidung in der Wirklichkeit möglich wäre. Für Ungewissheit und Spannung sorgt darüber hinaus, dass Zoes älterer Halbbruder Finn (Caspar Hoffmann) seit Wochen verschwunden ist.

Tatort – FeuerFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Zoe (Tesla Tekin) wohnt nach dem Tod ihrer Mutter wieder bei ihrem gewalttätigen Vater Jens Hielscher (Sebastian Zimmler).

Faber und seine Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) ermitteln im Umfeld dieser zerrütteten Familie, die einige Rätsel aufgibt. Drehbuch-Autor Markus Busch kombiniert einen klassischen Whodunit-Fall mit einem bestürzenden Drama um häusliche Gewalt, die von Regisseurin Nana Neul auch in Szene gesetzt wird, freilich ohne ausufernd gezeigte Brutalität. Eindrucksvoller ist es ohnehin, wie von den Folgen der Gewalt erzählt wird. Nachdem Faber in dem Frauenhaus, in dem Meike und Zoe einige Wochen lebten, trotz vergleichsweise sensiblen Auftretens wenig erfahren konnte, wird Rosa Herzog von der neuen Chefin Ira Klasnić (Alessija Lause) aufgefordert, dort verdeckt zu ermitteln. Die Frauen unerkannt auszufragen, kommt Herzog wie ein Verrat vor, und auf den ersten Blick fallen die gewonnenen Erkenntnisse auch dürftig aus. „Bin nicht schlau geworden aus der“, sagt eine der Frauen über Meike. Immerhin erfährt die Kommissarin, dass der heranwachsende Finn zeitweise bei Meikes Freundin Fanny (Karolina Lodyga) Unterschlupf gefunden hat. Im Gegensatz zum eiskalten Hielscher trifft Faber eine Frau an, die sich nach dem Tod der Freundin mit Drogen vollgepumpt hat.

Das Verhalten Meikes wird nur scheibchenweise als Erinnerungsfetzen von Zeuginnen und Zeugen geschildert. Mit Herzogs verdeckten Ermittlungen im Frauenhaus entsteht dennoch ein Bild von den unterschiedlichen Schicksalen. Deutlich wird zum Beispiel, dass sich Opfer häuslicher Gewalt teilweise aus Angst vor dem Verlust des Sorgerechts still verhalten. Offenbar kann es in Deutschland passieren, dass die Kinder beim gewalttätigen Vater landen, wenn Justiz und Behörden bei der misshandelten Frau zu viel „Belastungseifer“ ausmachen. Den realen Hintergrund bildet wohl eine Recherche von Correctiv und Süddeutscher Zeitung, die im März 2023 veröffentlicht worden war. Erfreulich ist, dass es auch einen positiven Gegenentwurf bei den Männer-Rollenbildern gibt, denn Faber tritt gegenüber Zoe und später auch gegenüber Finn geradezu einfühlsam auf. Die väterliche Zugewandtheit nimmt man dem Kommissar, dessen Frau und Tochter ermordet worden waren, durchaus ab.

Tatort – FeuerFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Belastender Undercover-Einsatz: Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) liegt wach in ihrem Bett im Dortmunder Frauenhaus.

Die horizontale Erzählung wird fortgesetzt, ohne derart in den Vordergrund zu rücken wie zuletzt in der Episode „Abstellgleis“, als Faber nach der Ermordung des Rechtsmediziners Sebastian Haller in Mordverdacht geraten war. Das Dortmunder Modell fordert dem Publikum auch diesmal Vorwissen und erhöhte Aufmerksamkeit ab, denn manche Handlungsfäden werden eher beiläufig aufgenommen, neue Entwicklungen nur angedeutet. Dem üblichen Vorgehen bei Krimi-Reihen folgt der Dortmunder „Tatort“ weiterhin nicht. Die Geschichten um Faber und Herzog bleiben im Fluss wie im echten Leben, was halt auch bedeutet: Vieles ist noch offen und ungewiss, anderes entwickelt sich überraschend. So scheint auch die Mordsache Haller noch keineswegs abgeschlossen, nicht nur, weil Faber seltsamerweise die Tatort-Fotos mit der Leiche Hallers an die Wand hinter seinem Schreibtisch gepinnt hat, als wollte er sich täglich an diesem Anblick ergötzen (was man ihm durchaus zutrauen könnte). Der zum Dortmunder Gründungsteam gehörende Daniel Kossik (Stefan Konarske) hat noch mal als LKA-Ermittler einen Gastauftritt und raunt etwas von „neuen Hinweisen“, die aber vollständig im Dunkeln bleiben.

Warum Rosa Herzog etwas verunsichert ist, versteht auch nur, wer sich an das Ende der Episode „Abstellgleis“ erinnert. Beim Showdown erschoss die Kommissarin den mutmaßlichen Täter. Statt nun ausführlich von der internen Ermittlung zu erzählen, müssen zwei kurze Sätze von Faber als Erinnerungsstütze genügen: „Es war Nothilfe. Er hat die Waffe gehoben“, sagt er beruhigend zu Herzog. Faber will seiner Kollegin, die durch die Ermittlungen im Frauenhaus zusätzlich angefasst ist, beistehen. Und dann ist da noch der neue Kollege Otto Pösken (Malick Bauer), der Herzog schon in „Abstellgleis“ heftig umworben hatte. Allerdings war er von Ira Klasnić darauf angesetzt worden, Faber und Herzog auf die Finger zu schauen. Das Misstrauen schwingt auf verschiedenen Ebenen mit in dieser neuen Dortmunder Konstellation, in der Faber und Herzog um 50 Euro wetten, ob die Chefin Klasnić scheitert oder die Karriereleiter hochfällt. Alessija Lause muss die Klasnić diesmal nicht ganz so verbissen geben, während Moritz Führmann den Staatsanwalt Matuschek mal als übertrieben penetranten, mal als einsichtsfähigen Vorgesetzten spielt. Im unberechenbaren Dortmunder Team bleibt vieles möglich, gut so.

Tatort – FeuerFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Geradezu empathisch: Kommissar Faber (Jörg Hartmann) und Finn Gebken (Caspar Hoffmann), Sohn der toten Meike Gebken.

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Reihe

WDR

Mit Jörg Hartmann, Stefanie Reinsperger, Alessija Lause, Malick Bauer, Sebastian Zimmler, Nadja Becker, Karolina Lodyga, Caspar Hofmann, Moritz Führmann, Ann-Kathrin Hinz, Tesla Tekin, Stefan Konarske, Nina Vorbrodt, Jele Brückner, Hannah Gharib, Silvana Synovia, Martina Eitner-Acheampong, Katharina Behrens, Sybille J. Schedwill

Kamera: Leah Striker

Szenenbild: Thomas Schmid

Kostüm: Elisabeth Kraus

Schnitt: Stefan Stabenow

Musik: Dürbeck & Dohmen

Redaktion: Frank Tönsmann

Produktionsfirma: Pandora Film

Produktion: Gabriele Graf, Claudia Steffen

Drehbuch: Markus Busch

Regie: Nana Neul

Quote: 5,95 Mio. Zuschauer (23,8% MA)

EA: 09.06.2025 20:15 Uhr | ARD

weitere EA: 09.06.2025 20:15 Uhr | ARD-Mediathek

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