Eigentlich schade, dass die Konstellation der beiden verfeindeten Halbbrüder diesem „Tatort“ aus dem Jahr 1988 zwar den Titel gab, in der Geschichte dann aber dann oft nur nebenher läuft. Aber die Idee ist interessant: Als im Hinterhof einer Frankfurter Kneipe ein Mann mit durchschnittener Kehle gefunden wird, gehört auch ein gewisser Gerd Therkatz (Wolfgang Mascher) zu den Verdächtigen, denn er hatte Spielschulden bei dem Toten. Der zunächst zuständige Kommissar Falb (Hans-Werner Bussinger) muss den Fall daher an den Kollegen Brinkmann (Karl-Heinz von Hassel) abgeben; Therkatz ist sein Bruder. Insgeheim aber ermittelt er dennoch weiter. Er setzt Halbbruder und Schwägerin (Barbara Magdalena Ahren) unter Druck und treibt Therkatz schließlich derart in die Enge, dass der fast zu Tode kommt.
Die Konfrontationen zwischen den Brüdern sind die Höhepunkte des Krimis, auch in schauspielerischer Hinsicht, zumal Autor-Regisseur Heinz Schirk die Sympathien klar verteilt. Dabei wird der vermeintlich gute Bruder, elegant gekleidet und stets darauf bedacht, keine Knitterfalten in seine Zweireiher zu machen, von Bussinger sogar angenehm differenziert verkörpert: Einerseits nimmt man Falb durchaus ab, dass es ihm um die Suche nach dem Mörder geht, andererseits ist er zwanghaft auf Therkatz fixiert. Dass Falb schon immer eine Petze war, wie seine Schwägerin feststellt, ist als Erklärung für seinen Hass auf den Bruder allerdings etwas dürftig. Dennoch heben sich die Brüderdarsteller wohltuend von anderen Mitwirkenden ab, deren Leistungen eher von eifriger Bemühung als von Begabung zeugen.
Für Lutz Mackensy (bekannt als Stubbe-Stumph-Kollege in der ZDF-Krimiserie) gilt das nicht, auch wenn seine Rolle völlig überzeichnet ist: Er muss den Lebensgefährten des Opfers als Karikatur eines Homosexuellen verkörpern, der auch im Hochsommer im Pelzmantel rumläuft und aus jeder Szene einen Auftritt macht; er führe sich auf „wie ein orientalisches Klageweib“, heißt es mal. Das ist geschmacklich ebenso grenzwertig wie Mackensys Darstellung, die gegenüber Homosexuellen im Grunde eine Frechheit ist; aber es hätte auch viel schlimmer kommen können. Später wird „Helo“ (von Heinz-Lothar) ebenfalls ermordet; lange Zeit ein typisches „Tatort“-Schicksal für Menschen, die nicht der Norm entsprachen.
Die reizvollste Figur der Geschichte ist ohnehin das erste Opfer: Der Mann war Theater- und Musikkritiker und hatte entsprechend viele Feinde, weil er die eine oder andere Karriere vorzeitig vernichtet hat. Brinkmann geht aber lieber Currywurst essen, als in diese Richtung zu ermitteln, obwohl ein Schauspieler (Hans Rudolf Wyprächtiger) bei der Beerdigung lautstark spuckend keinen Zweifel daran lässt, dass den Feuilletonisten ein verdientes Schicksal ereilt hat, was er später mit dem entsprechenden Goethe-Zitat untermauert: „Schlagt ihn tot, den Hund, er ist ein Rezensent.“ Gleichfalls interessant ist auch der Kneipenbesitzer, wenn auch in erster Linie wegen seiner Stimme: Hört man Ronald Nitschke, hat man automatisch Tommy Lee Jones vor Augen. Das Lokal des Mannes war Schauplatz verbotener Glücksspiele, darunter auch das aus der Allgemeinbildung verschwundene und damals offenbar noch geläufige Kartenspiel „Meine Tante, deine Tante“… In einer Nebenrolle als Passfälscher ist Hans Clarin zu sehen. Schirks Inszenierung ist nicht weiter auffällig, die Musik dafür umso mehr, weil sie an den unpassendsten Stellen ungeheuer dramatisch klingt, was drei Jahrzehnte später äußerst lächerlich wirkt. (Text-Stand: 22.7.2015)