Tatort – Allmächtig

Wachtveitl, Nemec, Freydank. Ensemblefilm mit Action, Medienkritik, starker Optik

Foto: BR / Bernd Schuller
Foto Volker Bergmeister

Schwitzende Kommissare, eine Portion Medienschelte und eine Spur zuviel Exorzismus – der BR-“Tatort: Allmächtig“ bietet gute Whodunit-Spannung, ihm fehlt aber das Überraschende.  Mutig die Entscheidung, neben Udo Wachtveitl & Miroslav Nemec auf bekannte Schauspieler zu verzichten – so wird der Fall der Bayern-Cops zum gelungenen Ensemble-Stück. Die Schwächen liegen im Buch, an dem mit Gerlinde Wolf, Harald Göckeritz und Edward Berger gleich drei Autoren zu Gange waren, die Stärken in der Inszenierung, für die der mit dem Kurzfilm-“Oscar“ gekrönte Jochen Alexander Freydank verantwortlich zeichnet.

Moderator und Entertainer Albert A. Anast (Alexander Schubert) ist das Gesicht einer neuen umstrittenen Reality-Sendung der Film-Firma III x A. Zu seiner eigenen Party ist er nicht erschienen. Der „Star“ ist seit drei Tagen verschwunden. Sollte einer der anonym gebliebenen Zuschauer seine Morddrohung gegen den Entertainer wahrgemacht haben? Die Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr begeben sich in die zynische Welt eines Internet-Senders, dessen Erfolg darin besteht, Menschen rücksichtslos und auf niederträchtigste Weise vorzuführen. Selbst vor Fälschungen ihrer Beiträge schrecken die Macher nicht zurück. Es gibt kaum jemanden, der keinen Grund hätte, Albert A. Anast nach dem Leben zu trachten. Eine Spur führt zu Maria Kohlbeck, eines seiner Opfer („Messie-Maria“). Sie wird in ihrer vermüllten Wohnung tot aufgefunden. Um sie und andere bloßgestellte „Opfer“ kümmerten sich Pfarrer Fruhmann (Ernst Stötzner) und der junge Priesteranwärter Rufus (Albrecht Abraham Schuch). Aber auch Anasts Partner in der Firma, Ines Lohmiller (Claudia Hübschmann) und Nik Erdmann (Dominic Boeer), geraten bald schon unter Verdacht.

Tatort – AllmächtigFoto: BR / Bernd Schuller
Dem Reality-TV auf der Spur. Albert Anast (Alexander Schubert) und Kreininger (Matthias Lier)

“Allmächtig“, Fall 66 für die „Tatort“-Dauerbrenner Leitmayr und Batic (sie ermitteln seit 1991). Und der knöpft sich die Medien vor, hier in Form von Video-Clips fürs Internet, in denen Menschen bloßgestellt werden. Das Thema „neue Medien“ im TV-Krimi liegt im Trend, geht aber auch gerne mal kräftig daneben. Hier aber passen Figurenzeichnung und die Beschreibung der Mechanismen dieser zynisch agierenden Branche. Klischees werden meist einfallsreich umschifft, auch die Sprache stimmt. Keine pauschale Webschelte wird hier betrieben, es geht um die Auswüchse, und die sind gut eingewoben in eine Krimi-Story, die allerdings in den letzten 20 Minuten an Griffigkeit verliert. Da verlassen die Autoren Gerlinde Wolf, Harald Göckeritz und Edward Berger die Welt des Scheins und der Eitelkeiten und wechseln in die Welt des Exorzismus‘ über. Dass die Reise dort hingeht, wird schon früh klar, heißt es doch, als es um die zynischen Videoclips geht: „Es ist das Werk des Teufels“. Dieser Triple-A-Menschenjäger ist der moderne Teufel, ein zynisch-diabolischer Mediensatan, der die Welt heimsucht. Eine durchaus gute Idee, ein wohl passender Vergleich, nur fehlt der Story in diesem Bereich das Subtile, das kommt dann doch allzu platt rüber. Und beim Showdown mit Action pur wird es richtig krude. Viel Symbolik mit Feuer und Flamme gibt es zu sehen, Kommissar Batic muss in US-Action-Manier den Täter auch noch aus dem flammenden Inferno retten, um ihm der gerechten Strafe zuzuführen. Halleluja, möchte man da rufen.

Sehenswert in Szene gesetzt hat diese Mörderjagd in München – samt eines Ausflugs in die Berge (die Kommissare diesmal sogar als Heli-Cops) – Jochen Alexander Freydank, der 2009 für seinen Kurzfilm „Spielzeugland“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, und nach dem SR-“Tatort: Heimatfront“ nun auch für den BR einen Krimi gedreht hat. Er findet starke Bilder, arbeitet viel mit Überblenden, die fließende Übergänge schaffen und verlangt seinen Schauspielern auch physisch einiges ab. Udo Wachtveitl spricht nicht zu Unrecht von seinem „anstrengendsten Tatort-Dreh“. Auch der Showdown ist visuell ungewöhnlich in Szene gesetzt. Einfallsreich zudem die Verhörszenen, in denen die Medienprofis der Film-Firma gegen die laufenden Kameras wettern, in deren Linse der Regisseur ihre Gesichter spiegeln lässt. Und nach einer halben Stunde nimmt sich Freydank Zeit, sämtliche Verdächtige in einer Sequenz der Reihe nach kurz erscheinen zu lassen. Eine hübsche, weil ordnende Idee.

Bemerkenswert, dass dieser „Tatort“ ohne sogenannte Gaststars auskommt – bekannte Schauspieler in wichtigen Rollen, die für mehr Interesse und damit höhere Einschaltquoten sorgen (sollen). Große Namen sind neben den Kommissaren Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec nicht zu finden. Dadurch ist der „Tatort: Allmächtig“ ein guter Ensemblefilm geworden. Alexander Schubert, Ernst Stötzner, Claudia Hübschmann, Theresa Underberg und Dominic Boeer meistern ihre Rollen recht ordentlich, so bleibt der Krimi in Bezug auf die Täterjagd länger undurchsichtig und hält die Spannung. (Text-Stand: 29.11.2013)

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Reihe

BR

Mit Udo Wachtveitl, Mirolslav Nemec, Alexander Schubert, Ernst Stötzner, Claudia Hübschmann, Theresa Underberg, Dominic Boeer, Albrecht Abraham Schuch, Matthias Lier

Kamera: Peter Joachim Krause

Szenenbild: Tom Hornig

Schnitt: Vera van Appeldorn

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Drehbuch: Harald Göckeritz, Gerlinde Wolf, Edward Berger

Regie: Jochen Alexander Freydank

Quote: 8,30 Mio. Zuschauer (22,9% MA); Wh. (2021): 5,79 Mio. (22% MA)

EA: 22.12.2013 20:15 Uhr | ARD

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