Die Erinnerung an den 17. Juni 1953 ist verblasst. Das gilt nicht nur für die Ereignisse rund um den Arbeiteraufstand in der DDR, sondern auch für den Gedenktag selbst: Gerade Jüngere wissen mit dem Datum kaum etwas anzufangen. Dabei wurde damals jene Saat gesät, die 36 Jahre später, bei der friedlichen Demonstration der DDR-Bürger, aufging. In zwei Fernsehfilmen erinnert die ARD an das historische Datum. Den Auftakt macht die östliche Variante: „Tage des Sturms“ spielt in Bitterfeld. Die Handlung erzählt die Geschichte von unten: Im Zentrum steht eine Familie, deren Probleme eher persönlicher Natur sind, bis sich die Politik mit Macht ihren Weg in den Alltag bahnt.
Hartmut Brücken (Wotan Wilke Möhring) und seine Frau (Franziska Petri) haben sich auseinandergelebt. Claudia lässt sich von dem Ingenieur Frank Gärtner umgarnen, was Hartmut auf die Barrikaden treibt, und das sogar im Wortsinn: Gärtner steht für jene, die die Produktionsnormen immer weiter in die Höhe treiben. Als die Arbeiter des Werks von den Streiks in Berlin hören, legen auch sie die Arbeit nieder und machen Hartmut zum Streik-Führer. Gerade die ältere Generation betrachtet das Treiben mit gemischten Gefühlen: Claudias Vater (Peter Sodann), ein alter Sozialdemokrat, der sich in der SED ohnehin unwohl fühlt, erklärt sich solidarisch mit dem Streikenden. Sein Freund Pfefferkorn (Hallwachs), der örtliche Stasi-Chef, sieht in dem Streik eine faschistische Konterrevolution, erinnert an die „Machtergreifung“ der Nazis 1933 und zögert nicht, zur Waffe zu greifen.
„Tages des Sturms“ basiert auf einem Drehbuch von Erich Loest und Hans-Werner Honert. Loest hat mit seinem Roman „Nikolaikirche“ bereits die Tage der „Wende“ beschrieben. Sein öffentliches Nachdenken über eine Entstalinisierung der DDR in den Jahren nach 1953 führte erst zum Ausschluss aus der SED und dann zu sechs Jahren Haft im berüchtigten Zuchthaus Bautzen. Wie schon in „Nikolaikirche“ versucht Loest, der Historie ihre Abstraktheit zu nehmen: Geschichte geschieht nicht, sie wird erlebt und gemacht. In der ohnehin tempoarmen Inszenierung durch Thomas Freundner ist aus dem Drehbuch allerdings der übliche öffentlich-rechtliche Unterricht geworden. Ärgerlich ist das vor allem immer dann, wenn die Darsteller in ihrem Tun innehalten, den Blick in die Ferne richten und denkwürdige Sätze deklamieren („Gegen etwas sein ist einfach, etwas Neues aufbauen viel schwerer“). Ohnehin ragen die Routiniers Sodann und Hallwachs aus einem Ensemble heraus, dem man mitunter anmerkt, dass es mit dem Stoff nicht viel anfangen kann. Gänsehautgefühle – Fehlanzeige!
Foto: MDR / Solar