Richard Brock (Heino Ferch) steht auf der Abschussliste. Der Psychologe, dessen Rat die Wiener Kripo in schwierigen Situationen gerne einholt, gerät in einen polizeiinternen Korruptionsfall. Der Streifenpolizist Manfred Reiser (Tobias Moretti) soll seinen Sohn erschlagen und einen Kollegen erschossen haben. Dienststellenleiter Gerhard Mesek (Juergen Maurer) ruft Brock an den Tatort: eine Siedlung, in der vornehmlich Polizisten wohnen, Menschen, die sich das Leben hier eigentlich gar nicht leisten können – außer, sie halten die Hand auf. Reiser ist offenbar einer, der sich hat kaufen lassen und bei dem sich jetzt das Gewissen gemeldet haben könnte. Der ehemalige Berufssoldat ist auf der Flucht, befindet sich aber noch in der Siedlung, die er kennt wie seine Westentasche; er hat noch Rechnungen offen… Brock bezweifelt dennoch, dass Reiser ein Mörder ist. Was, wenn andere Polizisten wie Stadler (Matthias Hack), Schober (Werner Brix) oder der zu Tode gekommene Erich Hofer den ungeliebten Kollegen ausschalten woll(t)en, weil ihnen dessen Bereitschaft zur öffentlichen Reue auch selbst ein paar Jahre Knast einbringen würde. Auf die Idee, dass die Taten von heute auf einen Fall von vor sieben Jahren zurückgehen, die „Sandog“-Affäre, kommt Brock, als seine Tochter Petra (Sabrina Reiter) am Tatort eine Panikattacke erleidet. Sie ist damals als unerfahrene, junge Polizistin von Sektionschef Stefan Merz (Erwin Steinhauer), der mehrere Morde begangen hatte, angeschossen worden. Jetzt bricht das Verdrängte bei ihr auf, bringt ihren Vater auf eine heiße Spur, aber auch in Lebensgefahr.
Ein Gesicht schält sich aus dem Schwarzbild. Zwei Männer sitzen in einem Auto; das Dunkel der Nacht lässt ihr Aussehen nur erahnen. Inszeniert sind sie wie Auftragsmörder, später wird sich rausstellen, dass sie Polizisten sind. Man glaubt, die Konturen einer friedlich aufgebahrten Leiche zu erkennen. Und da ist wieder dieser eine Mann. Es kommt Bewegung ins düstere Szenario. Schüsse fallen. Jemand wird getroffen. Der Einzelgänger verbindet sich eine Wunde … „Wut“, die siebte Episode aus der Reihe „Spuren des Bösen“, beginnt filmisch faszinierend. Die narrative Rätselstruktur wird quasi auf die Bildebene übertragen. Besonders spannend ist die Szene nicht, dafür erkennt man zu wenig im Bild, und außerdem weiß man noch nichts von der Geschichte, um Anteil nehmen zu können. Die Wirkung ist vor allem atmosphärischer Natur. Dieses Intro tastet sich langsam vom Visuellen an die Narration heran – und gleichsam sind diese fünf Minuten Sinnbild sowohl für das Erzählte als auch die Erzählweise des gesamten Films. Die „Dunkelheit“ müsse endlich verschwinden, die Wahrheit müsse „ans Licht kommen“, appelliert auf der Zielgeraden dieses von Melvilleschem Existentialismus durchdrungenen Krimidramas der Held an den möglichen Kronzeugen. Diese Steilvorlage von Autor Martin Ambrosch (Grimme-Preis für den „Tatort – Angezählt“) nahmen Regisseur Andreas Prochaska und Kameramann Thomas Kürzl mit ihrem ästhetischen Spiel mit der Dunkelheit gekonnt auf. Und so dreht „Wut“ die Spirale der Abstraktion, die so typisch ist für diese ORF-Reihe, noch eine Windung weiter, obwohl man schon bei „Begierde“ den Eindruck hatte, damit sei der Höhepunkt an formaler Reduktion, ja fast schon Dekomposition, erreicht.
Einigen Zuschauern wird diese „neue Unübersichtlichkeit“ sicherlich nicht mehr so gut gefallen wie frühere „realistischere“ Episoden der Reihe. Dieser Film verschließt sich bewusst und konsequent. So wie sich Brock immer mehr aus der Welt zurückzieht, einer Welt, die er immer weniger erträgt. Und so wie sich Tobias Morettis Antagonist rausnehmen will aus einem für ihn unerträglich gewordenen Spiel. „Wut“ verweigert sich den Sehgewohnheiten – nicht nur durch seine Ästhetik der Dunkelheit, die alles im Leben wie im Film zu einer Frage der Wahrnehmung macht und in der Räume surreal verschwimmen; auch die Geschichte (die Psychologie, das Verbrechen) wird nicht nach den Regeln der Krimilogik hergeleitet und schon gar nicht erklärt. Wenn Ambrosch doch einmal versucht, Informationen aus der Vergangenheit in die Handlung hineinzuholen, damit der Zuschauer besser verstehen kann, wirkt das eher wie ein Fremdkörper in einem alptraumhaften Film aus Andeutungen, Stimmungen und starken Bildern: Da will der Psychologe den einsitzenden ehemaligen Polizeichef zum „Singen“ verführen, zwitschert vor allem aber selber dem Zuschauer etwas vor (Merz’ Schüsse auf Brocks Tochter, seine zahlreichen Morde, darunter das Ausschalten einer Kronzeugin) – was die Steinhauer-Figur wenigstens mit den Worten „Ihr Gedächtnis ist auf Zack“ ironisch kontert. Und noch etwas – egal, ob beabsichtigt oder nicht – erschwert den Zugang zur Geschichte des Films: Moretti ist schwer zu verstehen. Eine psychisch gebeutelte Figur, ein Verzweifelter, der sich nach Erlösung sehnt, dementsprechend wirr sind seine Worte, abgehackt seine Diktion – und dann auch noch die volle Breitseite Österreichisch (so hat man ihn lange nicht mehr gehört); das alles noch dazu im Halbdunkel, das hat Stil, Atmosphäre, das verlangt den Augen und den Ohren des Zuschauers aber auch einiges ab.