Sprinter – Haltlos in die Nacht

Michelsen, Albinus, Petra K. Wagner. Urbanes Road-Movie mit Hindernissen

Foto: HR / Bettina Müller
Foto Rainer Tittelbach

Zwei Flüchtigkeitsbekannte stürzen kopfüber in die Frankfurter Nacht. Claudia Michelsen und Lars-von-Trier-Star Jens Albinus nur scheinbar auf den Spuren großer Vorbilder. „Sprinter – Haltlos in die Nacht“ ist ein Mix aus Krimi, Komödie und melancholischer Romanze. Petra K. Wagner spielt weniger mit (komödiantischen) Genre-Mustern, sondern entwickelt ihre Geschichte aus der Alltäglichkeit der Situation(en) heraus. Eine einfache Idee, klein & mit wunderbar „haltloser“ Dramaturgie umgesetzt. Tolles Paar, unentschlossene Regie.

So kann’s gehen. In Berlin aus Versehen in den Sprinter gestiegen – und der brettert an Henks Zielbahnhof vorbei, nonstop nach Frankfurt. Dumm gelaufen für den dänischen Physiker. Ausgerechnet heute hat seine Frau Geburtstag – und es geht am Abend kein Zug mehr zurück nach Wolfsburg. Also heftet sich der unbedarfte Wissenschaftler an die Fersen seiner gut aussehenden Sitzplatznachbarin. Die aber hat andere Probleme. Als den beiden vor dem Frankfurter Bahnhof ihre Taschen geklaut werden, muss jene Eva dem Drängen des Dänen nachgeben, den Abend gemeinsam zu verbringen. Sie sei eine Kunsthändlerin – und ihr sei gerade ein wertvolles Objekt gestohlen worden. Aber der Griff, mit der sie einen kleinen Gauner bedrängt, und die souveräne Art, mit der sie sich im halbseidenen Club- und Mafia-Milieu bewegt, lassen anderes vermuten. Als sie dann noch eine Pistole zieht, wird es dem braven Familienvater angst und bange. Und der Abend ist noch längst nicht zu Ende.

Sprinter – Haltlos in die NachtFoto: HR / Bettina Müller
In Frankfurt kippt die Welt so langsam aus den Angeln. Claudia Michelsen und Jens Albinus

„Sprinter – Haltlos in die Nacht“ ist ein abwechslungsreicher Genre-Mix aus Krimi, Komödie und melancholischer Romanze. Dabei sollte der Begriff „Genre“ nicht zu sehr als ein narratives Regelwerk verstanden werden. Petra K. Wagner entwickelt ihre Geschichte vielmehr aus der Alltäglichkeit der Situation(en) heraus. Die Parallelen zu stark pointierten, absurd-abstrusen Filmen wie „Kopfüber in die Nacht“, „Die Zeit nach Mitternacht“ oder der Grimme-gekrönten TV-Variation „Dienstreise – Was für eine Nacht“ sind offensichtlich – aber in Einzelheiten nicht erkennbar. Die HR-Produktion bringt stärker einen romantischen Realismus in den Plot ein als die großen „Vorbilder“. Das trifft sich mit den Hauptdarstellern Claudia Michelsen („12 heißt: Ich liebe sich“) und dem Dänen Jens Albinus, den man hierzulande aus Lars-von-Trier-Filmen („Dogville“) oder der TV-Serie „Der Adler“ kennt.

Dieser Fernsehfilm ist als urbanes Road-Movie konzipiert, auch als Reise in das Leben des ungleichen Paars für eine Nacht, eine Reflexion über das Erreichte, über Verfehlungen, über (unausgesprochene) Sehnsüchte. Doch vor allem ist es ein vorbehaltloses Miteinander, das trotz abenteuerlicher Wendungen die beiden zusehends näher bringt. Die toughe Frau und der leicht verunsicherte Mann tun sich zusammen, sie reden miteinander, sie streiten, lachen, essen, sie trinken und tanzen. Eine einfache Idee, klein und unspektakulär umgesetzt. Manchmal vielleicht ein bisschen zu unspektakulär. Die Bilder wirken farblos, die Kameraarbeit ein wenig beliebig und auch bei Petra K. Wagners Regie weiß man nicht immer, ob sie realistische Arthaus-Ästhetik im Sinn hat oder ob sie einfach in vielen Momenten unentschlossen ist und sich daraus eine gewisse Beliebigkeit in der Inszenierung ergibt. Auch der Musikeinsatz geht einige Male gehörig daneben. Letztendlich obsiegt bei „Sprinter“ über alle Bedenken hinweg dann doch der Mut, eine solche Geschichte mit einer solchen „haltlosen“ Dramaturgie zu erzählen, sowie die Auswahl und das Spiel der beiden Hauptdarsteller. Abschied ist ein kleiner Tod. Auf solches Pathos verzichtet Wagner am Ende. Dass beim Zusehen dennoch Wehmut aufkommt, das spricht für den Film – insbesondere für die Leistungen von Claudia Michelsen und Jens Albinus. (Text-Stand: 21.4.2012)

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Fernsehfilm

HR

Mit Claudia Michelsen, Jens Albinus, Johannes Allmayer, Bernhard Leute, Aleksandar Jovanovic, Martin Lindow, Errol Trotman Harewood

Kamera: Dominik Schunk, Lothar Dahlke

Musik: Sebastian Kirchner

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Petra K. Wagner

Regie: Petra K. Wagner

Quote: 3,92 Mio. Zuschauer (13% MA)

EA: 16.05.2012 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach