Das Spreewaldhotel Wotschofska ist niedergebrannt. Es wird eine Leiche gefunden. Kommissar Krüger, der in der Gegend nie heimisch geworden ist und sich versetzen lassen wollte, nimmt dieser komplizierte Fall und die Welt der Fliese nun auf einmal doch wieder gefangen. Vielleicht, weil seine große Liebe, Gerichtsmedizinerin Marlene, sich wieder stärker für ihn interessiert. Vor allem aber, weil ihn der Tote nicht mehr loslässt. War Brandstiftung im Spiel? Ist der Brandverursacher vielleicht selbst das Opfer? Auch ein Versicherungsbetrug wäre denkbar: Das Hotel war schwer abgewirtschaftet, Hellstein, dem Eigner, stand das Wasser bis zum Hals. Eine undurchsichtige Rolle spielt auch der Immobilienspekulant Tim Engel, der von der Bank Hellmanns Kredite abgekauft hat. Und was für eine Art Mensch ist seine attraktive Frau Lisa, die es mit der ehelichen Treue offenbar nicht so genau nimmt. Und wer ist dieser Bratic, der sich in der Villa der Engels mit gezückter Waffe versteckt hält?
Foto: ZDF / Roland Suso Richter
In der Ruhe liegt die Kraft. Das gilt besonders für die „Spreewaldkrimis“ im ZDF. Obwohl auch die spannende Geschichte des fünften Films der losen Reihe von archetypischen Gegensatzpaaren dramaturgisch unterfüttert wird (Mann/Frau, Gegenwart/Vergangenheit, Mensch/Landschaft) – für die Stille gibt es keinen Gegenpart. Kommissar Krüger bleibt mehr denn je ein lebenskluger Beobachter, der sich Zeit lässt, der nachdenkt, der abwägt, bevor er handelt. Die Fortbewegung im Flies ist sein Tempo. Er ist auch kein Teamplayer. Er hat keine Lust, Konsensmanager für provinzielle Kleingeister wie Kollege Fichte zu sein. Lieber denkt er sich selbst seinen Teil. In seinem Kopf spielt er ständig alle möglichen Tatversionen durch.
„Polizeiliche Ermittlungsarbeit ist ein Prozess des Durchdringens, des Erkenntnisgewinns, des Abwägens“, sagt Autor Thomas Kirchner. Diesem Fakt wollten er und die Produzenten eine neue Ausdrucksform geben. „Wir wollten diesen Prozess sichtbar machen und quasi unserem Kommissar Krüger beim Denken zusehen.“ Und so steht man als Zuschauer immer wieder mittendrin in Krügers visualisierter Gedankenwelt. Der Einzelgänger teilt sich keinem seiner Kollegen mit, er lässt die Bilder sprechen. Die Handlung wird sinnlich vermittelt, dabei der Kommissar gleich mit charakterisiert und dem Krimi eine Handschrift gegeben. Sich nicht 1000 Namen merken und komplizierten Rechercheinformationen folgen zu müssen – das ist das große Plus dieser Erzähltechnik, dieses „Konjunktivs des Kommissars“ (ZDF-Redakteur Pit Rampelt). Man kann sagen, die „Spreewaldkrimis“ halten den konventionellen Krimi-Dramen den Spiegel vor, geben dem Krimi im Fernsehfilmformat ein Beispiel, indem sie zeigen, wie man es anders machen kann, ohne das Genre einer radikalen Dekonstruktion zu unterwerfen, wie es beispielsweise der BR-„Polizeiruf 110“ mit Matthias Brandt tut.
Foto: ZDF / Roland Suso Richter
„Feuerengel“ mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen. Die Klarheit im Blick von Kommissar Krüger macht die Geschichte letztlich aber sehr viel verständlicher und nachvollziehbarer als viele der herkömmlichen, weitgehend verbal (v)ermittelten und erklärten Fernsehkrimi-Geschichten. Außerdem ist der Zuschauer sogar Krüger, den Christian Redl charakterköpfig, mit mehr als einem vom Drama geschwängerten (ja mit einem fast ein bisschen surrealen) Gesichtsausdruck gibt, häufig noch einige Gedankenschritte voraus. Die Rückblenden scheinen dieses Mal weniger von der Poesie der Landschaft und der Subjektivität der Episodenhauptrollen bestimmt zu sein als beispielsweise in „Der Tote im Spreewald“ mit Nadja Uhl. In „Feuerengel“ gibt mehr denn je der Kommissar den Blick vor.
Dramaturgisch könnte man dies als Rückschritt sehen. Mit Blick auf den Zuschauer aber ist dieser Film in Sachen „Schule der Wahrnehmung“ eher ein Fortschritt: Der Zuschauer wird quasi zu einem neuen, fürs deutsche Fernsehen ungewöhnlichen Blick verführt. Wie der Kommissar wird er zum Beobachter. Er wird von Thomas Kirchner und Regisseur Roland Suso Richter aufgefordert, sich selbst ein Bild zu machen. Statt Mörderraten ist eine Art kreatives, visuelles Kombinieren angesagt. Erfahrungsgemäß darf man den Zuschauer aber auch nicht überfordern mit einem solchen Wahrnehmungspuzzle. Aus diesem Grund haben sich die Macher offenbar – was die Geschichte angeht – bewusst für einen Mix gängiger Themen (Versicherungs- & Subventionsbetrug, Eifersucht, häusliche Gewalt) entschieden. Linear erzählt wäre aus „Feuerengel“ wahrscheinlich das übliche ZDF-Montagskrimidrama geworden. Und so gibt dieser stimmungsvolle, nicht so prominent wie die bisherigen „Spreewaldkrimis“ besetzte Film noch ein Beispiel für die Fernsehkrimipraxis: er zeigt, dass in einer Zeit, in der (fast) alle Geschichten erzählt sind, es immer mehr auf das Wie ankommt.