Servus, Euer Ehren – Endlich Richterin

Amelie Kiefer, von Lüttichau, Carolin Otto, Katharina Woll. Nur auf Probe in der Robe

Foto: Degeto / Moovie / Reimann
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Titel „Servus, Euer Ehren“ (Degeto / Moovie) klingt nach typischer Freitagskomödie, zumal auch die beschwingte Musik bevorzugt Fröhlichkeit verbreitet. Tatsächlich handelt es sich um ein Justizdrama mit Amelie Kiefer als Engel der Entrechteten: Eine Juristin wird frisch von der Uni als Vertretungsrichterin ans Oberlandesgericht in München berufen, stößt auf Ungereimtheiten in einem früheren Prozess und gefährdet prompt ihre Karriere, als sie den Fall auf eigene Faust wieder aufrollt. Kiefer und Helmfried von Lüttichau als väterlicher Vorgesetzter sind sehenswert, die Umsetzung wirkt bisweilen betulich.

Wer sich als Günstling des Schicksals fühlt, stellt das unverhoffte Glück zumeist nicht infrage. Deshalb wundert sich Juristin Thirza Zorniger auch nicht weiter, als sie trotz eines eher mittelmäßigen Abschlusses frisch von der Uni ans Münchener Landgericht berufen wird. Die Begründung ist zwar nicht schmeichelhaft, aber plausibel: Die jungen Leute mit den besten Noten gehen lieber zu Wirtschaftskanzleien, da lässt sich deutlich mehr Geld verdienen. Thirza (Amelie Kiefer) ist das egal, denn es war immer ihr großer Traum, Richterin zu werden. Als sie am ersten Arbeitstag beherzt einer Klägerin beisteht, die von einer Panikattacke erfasst wird, und prompt in die Zeitung kommt, scheinen sich die Dinge in die richtige Richtung zu entwickeln. Auch privat ist alles in Butter, selbst wenn Herbert (Leo Reisinger), ein Kollege für Verwaltungsrecht, seinen Antrag etwas hölzern vorträgt. Was könnte also noch schiefgehen? Die Antwort liegt auf der Hand, sonst wäre der Film schon nach wenigen Minuten zu Ende: alles natürlich.

Servus, Euer Ehren – Endlich RichterinFoto: Degeto / Moovie / Reimann
Thirza (Amelie Kiefer) und Kaya (Karim Günes) lauschen den Worten von Carlos (Robert Palfrader). Der Tochter sind die Selbszinszenierungen ihres Vaters eher peinlich. Viel wichtiger ist ihr ihr erster Fall und was der Journalist dazu zu sagen hat.

Der nach Reihenauftakt klingende Titel „Servus, Euer Ehren“ wirkt allerdings gar nicht wie ein Dramensignal. Gleiches gilt für die Musik (Josef Bach, Arne Schumann), die beschwingte Fröhlichkeit verbreitet. Dabei ist die Geschichte durchaus ernst zu nehmen. Eigentlich soll Thirza als Schwangerschaftsvertretung einen riesigen Berg an Altlasten abtragen, aber schon beim ersten Fall stößt sie auf Ungereimtheiten: Eine junge Frau (Yulia Yanez Schmidt) hat bei einem Bootsunfall auf dem Starnberger See ihren Unterschenkel verloren. Es gibt bereits ein Amtsgerichtsurteil; in der Verhandlung am Landgericht geht es um die Höhe der Entschädigung. Eine reine Formsache, versichert Kaspar Epha (Helmfried von Lüttichau). Der Kammervorsitzende erwartet von der jungen Richterin schnelle, effiziente Urteile. Als sie entdeckt, dass ein Journalist (Karim Günes), der sich mit den Ereignissen befasst hat, mundtot gemacht worden ist, stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an.

Carolin Otto hat ihr Drehbuch nach Motiven des Romans „Justizpalast“ von Petra Morsbach verfasst. Die Handlung ist interessant, auch wenn die Interpretation der Rollen erwartbar ist: Amelie Kiefer versieht die Richterin auf Probe mit der passenden Dosis Gerechtigkeits-Empfinden, Helmfried von Lüttich verkörpert den väterlichen Kammervorsitzenden mit viel Jovialität. Eine wandelnde Geduldsprobe ist dagegen die Sekretärin (Lilly Forgách): Wie sich herausstellt, ist Thirza die Tochter eines bekannten Schauspielers, den die Dame hemmungslos verehrt, weshalb sie die Richterin bei jeder sich bietenden Gelegenheiten mit privaten Fragen und der Bitte um Freikarten nervt. Robert Palfrader hingegen nutzt seine Szenen als Carlos Zorniger für diverse amüsante Einlagen als „weltbeste Rampensau“. Seine Selbstinszenierungen sind der Tochter allerdings regelmäßig mehr als peinlich, erst recht, wenn der Bühnenstar in der Gerichtskantine einen Auftritt als König Lear hinlegt.

Servus, Euer Ehren – Endlich RichterinFoto: Degeto / Moovie / Reimann
Selten einer Meinung, selten in der gleichen Stimmung. Thirza (Amelie Kiefer) und ihr Freund Herbert (Leo Reisinger).

Trotz solcher Heiterkeiten bleibt der Film in erster Linie ein Drama nach typischem Muster: Es geht selbstredend um die Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit. Entsprechend vorgezeichnet ist der Weg, den Thirza im Luther’schen Sinn gehen muss: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“; und das, obwohl vom Opa (Wilfried Kargus), selbst ehemaliger Richter, bis hin zur wohlmeinenden erfahrenen Kollegin (Jutta Fastian) alle davor warnen, dass sie mit ihrem heroischen Trotz die Festanstellung riskiert. Und ihr Lebenspartner wirft ihr vor, sie bewerte alles moralisch, aber weiter komme nur, wer praktisch denke und handele; kein Wunder, dass er bei seinem Antrag als erstes die steuerlichen Vorteile erwähnt.

Regie führte Katharina Woll. Das ZDF hat im Sommer ihren Debütfilm „Alle wollen geliebt werden“ (2023) als „Kleines Fernsehspiel“ ausgestrahlt. Ihre erste richtige Fernseharbeit ist allerdings denkbar konventionell ausgefallen. Das gilt für die regelmäßig integrierten touristischen Impressionen, aber mehr noch für die fast schon betuliche familiäre Ebene. Thirzas Großtante lebt zwar offenbar mit einer Frau zusammen, aber davon abgesehen wirken die Esstischszenen, als seien sie vor allem mit Blick auf den älteren Teil der Zielgruppe inszeniert. Immerhin durfte das Filmteam tatsächlich im Justizpalast drehen, und natürlich haben Woll und Kamerafrau Carmen Treichl dafür gesorgt, dass die Bilder die Atmosphäre dieses von Thirza mit großen Augen bestaunten ehrwürdigen Hauses angemessen einfangen. Der Epilog macht eine Fortsetzung möglich. (Text-Stand: 10.9.2024)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Amelie Kiefer, Helmfried von Lüttichau, Leo Reisinger, Robert Palfrader, Jutta Fastian, Lilly Forgách, Karim Günes, Wilfried Klaus, Yulia Yanez Schmidt, Monika Manz

Kamera: Carmen Treichl

Szenenbild: Thomas Neudorfer

Kostüm: Annina Goldfuß

Schnitt: Kai Minierski

Musik: Josef Bach & Arne Schumann

Soundtrack: Jackie De Shannon („What The World Needs Now Is Love“)

Redaktion: Claudia Luzius, Stefan Kkruppa

Produktionsfirma: Moovie

Produktion: Heike Voßler

Drehbuch: Carolin Otto – Romanvorlage: Petra Morsbach („Justizpalast“)

Regie: Katharina Woll

EA: 02.10.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 04.10.2024 20:15 Uhr | ARD

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