Zunächst ist er ihr Arzt, später wird sie seine Krankenschwester. Von einer leidenschaftlichen Liebe und zwischenmenschlicher Abhängigkeit, von Sucht und Entzug erzählt der ARD-Fernsehfilm “Sehnsucht”. Ein junges Paar sucht nach Nähe und Heilung für die Wunden, die das Leben den beiden zugefügt hat. Dabei begibt es sich auf eine schwierige Gratwanderung zwischen Opferbereitschaft und Selbstaufgabe.
Es geht schnell, wie im Leben. Gerade hat der Freund mit Lisa Schluss gemacht. Die Hobby-Kletterin reagiert mit selbst zerstörerischem Trotz, geht ohne Absicherung an eine Wand, stürzt ab und findet sich im Krankenhaus wieder. Zwischen ihr und dem behandelnden Arzt funkt es sofort. Und weil der sogar noch im selben Haus wohnt, ist eine Affäre fast unausweichlich. Doch es bleibt nicht dabei. Nach wenigen Tagen sprechen sie bereits von Liebe. Alles wäre ideal, wäre nur nicht Alexander oft so fahrig und abweisend. Lisa merkt, dass er ein Alkoholproblem hat. Auch bei der Arbeit bekommt er Ärger. Es muss etwas geschehen. Lisa will ihm helfen, von der Sucht loszukommen. Sie will seinen Entzug Tag und Nacht überwachen, hart bleiben, wenn er um einen Schnaps winselt, ihn einsperren, wenn er ausrastet. Doch die junge Frau muss erkennen, dass Liebe nur bedingt Berge versetzen kann.
“Sehnsucht” zeigt ein Liebespaar im Ausnahmezustand der Gefühle. Die Sehnsucht nach Liebe und die Alkoholsucht machen gleichermaßen besinnungslos und blind für die Realitäten. Das Andere bestimmt alles, man selbst ist nichts. Im Film klammert sich Alexander an Lisa, die sich ihrerseits am Rande der Selbstaufgabe bewegt. Kann man einem Alkoholiker glauben, wenn er sagt, ich liebe dich? Und wie ist es mit einem Liebessüchtigen: ist er in einen Menschen oder nur in die Liebe und die Leidenschaft verliebt? Der dramaturgisch klare und ästhetisch schnörkellose Film von Tobias Stille und Ciro Capellari entwickelt, indem er die Geschichte zweier Menschen erzählt, die neben dem Gefühl auch noch ein Problem miteinander teilen wollen, ein realistisches Bild von Liebe und Partnerschaft. Diesem Realismus, der von innen kommt, entspricht das beiläufige, unaufgeregte Spiel von Katharina Schüttler und Misel Maticevic.
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