Das gibt’s auch nicht alle Tage: eine Romanze, in der zumindest zwischen dem potenziellen Liebespaar kein einziger Kuss fällt. Das wiederum ist kein Wunder, denn die beiden verstehen sich auf Anhieb wie Hund und Katze: Lehrerin Anna Wiegand (Anica Dobra) ist aus Berlin in den Schwarzwald gezogen; ihre Tochter Caro (Julia Dietze) studiert in Freiburg, Anna übernimmt den Posten der Rektorin an einer Dorfgrundschule. Der halbe Ort scheint einem selbstgefälligen Grafen (Heio von Stetten) zu gehören, der außerdem einen Ruf als notorischer Schürzenjäger hat und der nicht minder selbstgerechten Pädagogin daher auf Anhieb missfällt. Dummerweise ist er nicht nur ihr Vermieter, sondern auch Besitzer eines Jagdhundes, der innigen Gefallen an ihrer Katze gefunden hat. Die Beziehung der Vierbeiner ist zwar eher einseitiger Natur, spiegelt aber die Temperamente der Zweibeiner: Graf von Schönberg ist durchaus angetan von seiner Mieterin, aber die zeigt ihm die Zähne. Weil Anna mit autogenem Training und Freiarbeit frischen Wind in den verstaubten Schulalltag bringt und ihre verknöcherte Sekretärin Schäufele (Diana Körner) mit Hilfe der örtlichen Friseurin bösartige Gerüchte streut, hat sie bald die halbe Elternschaft gegen sich; auch den Grafen, bei dessen Tochter sie eine Leseschwäche vermutet, obwohl das Mädchen alle Texte immer so schön fließend vorlesen kann. Erst als die Schließung der Schule droht, kommen alle zur Besinnung.
„Schöne Aussicht“ von Erwin Keusch ist eine bunte Mischung aus Heimatfilm und Schuldrama. Mitunter trägt Drehbuchautorin Claudia Kaufmann allerdings derart dick auf, dass die Handlung fast selbstironische Züge annimmt. Die Giftspritze aus dem Vorzimmer beispielsweise lässt kein Klischee aus, um den Ruf ihrer neuen Chefin zu ruinieren, und rückt sie gar in Sektennähe. Als sie der Mutter Gottes ihre Sünden gesteht und Besserung gelobt, fährt ihr prompt ein krachender Donner in die Glieder. Die Fortschrittsfeindlichkeit der Dorfbewohner ist allerdings durchaus realistisch. Gleiches gilt für die typischen Mutter/Tochter-Gefechte. Hübsch ist hingegen die zarte Romanze zwischen Caro und dem jungen Hausmeister (Vinzenz Kiefer), den Anna trotz seiner Jugendvorstrafe einstellt. Am Ende wird selbstredend alles gut; bis dahin hat man sich auch damit abgefunden, dass die Einheimischen, obschon Badener, alle schwäbisch schwätzen. (Text-Stand: 1.6.2007)