1991 flog er davon. Jetzt landet er wieder, der Bulle, der einst den Kommissar vom Mief des Beamten-Kontors befreite. Schimanski, der Harte mit dem weichen Herzen, der Instinkt-Mensch, der seinen gestählten Körper zehn Jahre und 29 „Tatorte“ lang in einen Schmuddel-Parka steckte, darf sich nun mit Spezialaufgaben im Grauzonenbereich seine dürftige Beamten-Frührente aufbessern. Schimanski hat sich nach Belgien abgesetzt, wo er auf einem Hausboot lebt und als Hobby-Boxtrainer dilettiert. Dass ihn die karrieresüchtige Staatsanwältin Bonner wieder (zumindest kurzzeitig) nach Duisburg kriegt, liegt allein am Schicksal des Ex-Kollegen Thanner. In einem blutigen Bandenkrieg im Ruhrgebiet gehörte er mit zu den Opfern. Klar, dass da Schimmi (in der Episode „Die Schwadron“) ran muss. Vor allem, weil scheinbar die Polizei selbst mit in die Vorfälle verwickelt ist. Und so darf er wieder fluchen („verlogene Ärsche“), seine berühmten Stammelsätze loswerden, den beliebten Knackhintern zeigen, über fahrende Autos springen und sich einmal pro Folge k.o. schlagen lassen. Seine blauen Augen leuchten, sein Bizeps zuckt – Schimanski ist zurück!
Foto: WDR / Michael Böhme
Der Plot von „Blutsbrüder“: Privatdetektiv Horst Schimanski soll einen Wirtschaftsverbrecher nach Düsseldorf bringen, der dort in einem nie gelösten Mordfall aussagen soll. Die beiden Männer kennen sich, die Atmosphäre ist gespannt. Es ist ein Duell von rüder Ehrlichkeit & intellektueller Introvertiertheit.
Für Götz George ist es eine doppelte Rückkehr: er schlüpft nicht nur nach sechs Jahren das erste Mal wieder in die Rolle, die ihn zum deutschen Superstar machte, sondern er tritt nach Kinoerfolgen wie „Schtonk“ oder „Der Totmacher“ und TV-Einzelstüken wie „Der Sandmann“ dem Fernsehzuschauer nun erstmals wieder regelmäßig unter die Augen. „Ich wollte wieder an die Basis, in die Wohnstuben zurück“, betont George. Und so rauchen die Schlote wieder. Und rot sind die Sonnenuntergänge am Duisburger Hafen. Die Gesinnung in der Ästhetik versteckt hat Regisseur Joseph Rusnak („Die Partner“) im Auftaktfilm „Die Schwadron“. Viel Action, ausgefallene Optiken, rasanter Schnitt – Sinnlichkeit gegen reaktionäres Selbstjustiz-Gebaren. Der Film ist eine Pflichtübung. Irgendwie musste ja der Mythos wiederbelebt werden. Die Freude an Schimmi kam für George erst erst so richtig wieder beim zweiten Film: „Blutsbrüder“. Eine grandios-ironische „Flucht-in-Ketten“-Variante und zugleich ein atmosphärisch-sentimentales Road-Movie mit einem famosen Christoph Waltz. „Da ist der neue Schimanski weitgehend der alte“, so dessen Regisseur Hajo Gies, der elf „Tatorte“ mit George drehte. „Allerdings überlegt er es sich jetzt bisschen länger, bis er eine Tür eintritt.“
Foto: WDR / Michael Böhme
Die Kritik zu „Blutsbrüder“:
War die Ouvertüre zur Rückkehr des Ruhrpott-Rabauken mit Herz noch eher ein Pilotfilm, eine Art Akklimatisierungstherapie, so ist Horst Schimanski seit gestern wieder der Alte. Und das gerade, weil er sich in „Blutsbrüder“ nicht ins rituelle Ermitteln der Duisburger Handy-Bullen eingegliedert hat, sondern sein Ding durchzieht. In diesem stimmungsvollen Roadmovie kam der ewige Einzelgänger wieder ganz zu sich selbst. Keine Paragraphen, keine nervende Staatsanwältin, stattdessen ein kraftstrotzender Körper, blaue Augen, weiches Herz, die viel belächelte Schmuddeljacke – der Mythos lebt! Das freilich ist nicht nur das Verdienst von Götz George. Schimanski-Urvater Hajo Gies trug dazu mindestens ebensoviel bei. Er reaktivierte den sentimental-melancholischen Schimmi, ließ aber auch Raum für Witz, Ironie, herrlich überdrehte Action – und goss dies alles stimmig in die nicht gerade neue „Flucht-in-Ketten“-Dramaturgie. Dass der Film aber als psychologisches Drama und nicht wie die Premiere des neuen Schimanski als hohles Action-Knallbonbon funktionierte, ist dem klaren Drehbuch und einem gnadenlos guten Christoph Waltz zu verdanken. Sein nie eindeutiges Spiel seiner nie eindeutigen Figur sorgte für eine antagonistische Grundspannung und machte bei allem Einzelgängertum damit deutlich, wie sehr Thanner Schimmi doch fehlt. tit.