Bei Kritikern genießen die Pilcher-Verfilmungen im ZDF einen denkbar schlechten Ruf, und auch in der TV-Branche werden die Liebesgeschichten gern als schlechtes Beispiel zitiert. In einer Hinsicht aber ist auf die Reihe Verlass: Sie bringt immer wieder vielversprechende Talente hervor. Jüngster Beleg für die gute Nachwuchsarbeit von Redaktion (Andrea Klingenschmitt) und Produktion (FFP New Media) ist Anna Puck. In „Inga Lindström – Verliebt in meinen Chef“ (2017) war sie als attraktive Schwester der Hauptfigur noch Nebendarstellerin, hat sich aber schon damals mit ihrer unübersehbaren Präsenz nachdrücklich für eine „Herzkino“-Hauptrolle beworben. Die darf sie nun in „Von Tee und Liebe“ spielen, und prompt hat sie enormen Anteil daran, dass die sympathische Romanze sehenswert ist.
Die Handlung ist auf den ersten Blick so schlicht wie ihr Titel, entfaltet aber wie viele Pilcher-Filme eine hintergründige emotionale Komplexität: Jane Morgan (Kirsten Block) und Ehemann Mortimer (Rolf Kanies) führen mehr schlecht als recht Englands einzige Teeplantage. Das Ehepaar kann die Pflücker nicht mehr bezahlen, außerdem häufen sich rätselhafte Vorfälle, hinter denen der geneigte Zuschauer umgehend Sabotageakte vermutet. Ein Verdächtiger drängt sich bereits beim ersten Auftritt auf: Vorarbeiter Joe Jones (Oliver Stritzel) macht keinen Hehl daraus, dass er sich als rechtmäßiger Eigentümer der Plantage betrachtet, obwohl Jane eine hundert Jahre alte Schenkungsurkunde besitzt. Weil ihr die ganze Sache über den Kopf wächst und Mortimer ohnehin mehr Zeit für Theater und Konzerte haben will, entschließt sie sich schweren Herzens, einen Schlussstrich zu ziehen. Aber kaum hat der erfreute Gatte dem Vorarbeiter einen Pachtvertrag vorgelegt, schöpft Jane neue Hoffnung: Marketingexperte Finn Huxley (Leander Lichti) verspricht, dass er die Plantage zu neuer Blüte führen wird. Sein bestes Argument ist seine Beziehung zur Chef-Einkäuferin des Königshauses: Wenn die Queen Morgan’s Tea trinkt, wird es das ganze Land tun.
Foto: ZDF / Jon Ailes
Diese Ebene allein wäre schon eine interessante Filmgeschichte, zumal das Drehbuch (Nicole Walter-Lingen, Andreas Bradler, Martin Wilke) auf angenehm beiläufige Weise allerlei interessante Daten und Fakten zur Geschichte des Tees, seiner Ernte und seiner Zubereitung einfließen lässt. Und dann ist da ja noch Anna Puck: Tochter Ella sollte die Plantage übernehmen und gemeinsam mit ihrem Verlobten leiten. Aber dann ist Jacob, ein passionierter Kletterer, vor zwei Jahren an der Steilküste abgestürzt. Ella hat das Elternhaus verlassen und arbeitet heute in einem Steuerbüro, doch sie hat den Tee immer noch im Blut, wie der Marketingexperte recht bald feststellt. Gemeinsam wären sie das perfekte Paar, und das nicht nur in geschäftlicher Hinsicht, aber Kaffeetrinker Finn ist ein Zugvogel, der die Plantage bloß als Projekt betrachtet. Außerdem ist er ebenfalls leidenschaftlicher Kletterer, und das will Ella nicht noch mal haben.
Oft genug stellen die attraktiven Hauptdarstellerinnen der Pilcher-Filme ihre männlichen Partner in den Schatten, aber Leander Lichti hinterlässt ebenfalls einen guten Eindruck, zumal er und Anna Puck auch darstellerisch gut zusammenpassen. Der Schauspieler durfte seine Kletterkünste im ZDF bereits in einer „Bergretter“-Episode unter Beweis stellen („Tödliche Abgründe“, 2014), damals allerdings in einer Schurkenrolle. In einer sehr schön gespielten amüsanten Szene ist er jedoch bloß Objekt der Handlung: Durch ein Missgeschick hat Ella Finns Hemd versaut, und als er es auszieht, damit sie es waschen kann, ist sie von seinem trainierten Oberkörper ziemlich beeindruckt. Anschließend leiht sie ihm ein Kleidungsstück ihres Vaters. Kurz drauf wundern sich ihre Eltern unabhängig voneinander, dass Finn das gleiche Hemd besitzt wie Mortimer; eine einfache Buchidee, aber sympathisch umgesetzt.
Die Arbeit mit den Schauspielern ist ohnehin das Beste, was sich über die Inszenierung Marc Prills sagen lässt. Der Regisseur arbeitet seit rund zehn Jahren fast nur noch fürs ZDF und dreht pro Jahr drei bis vier Filme für „Rosamunde Pilcher“, „Traumschiff“ oder „Kreuzfahrt ins Glück“. Die Ergebnisse wirken entsprechend routiniert, zumal die Rahmenbedingungen dieser drei Reihen kaum Spielraum lassen. Gerade mit den Pilcher-Filmen verknüpft die Zielgruppe spezielle Erwartungen, weshalb sich auch in „Von Tee und Liebe“ immer wieder Vorwände finden, um die Handlung an die Steilküste zu verlegen: Hier ist Ellas Lieblingsplatz, hier steht ein Kreuz für Jacob, hier kommt Finn zum Klettern her; alles selbstredend mit Meerblick, Sonnenuntergang gern inklusive. Dass Ella einen Mini fährt, bedarf schon beinahe keiner Erwähnung mehr. Auch die Musik entspricht den üblichen Klischees: Wenn Finn mit seinem Motorrad unterwegs ist, wird sie prompt rockig. Diese stereotype Erzählweise ist ebenso einfallslos wie die abgenutzte Idee, dass das spätere Liebespaar bereits vorab in einer Art Prolog aneinandergerät. In einer Hinsicht immerhin weicht das Drehbuch vom üblichen Schema ab: Sonst sind es stets ältere Frauen, die sich auf einen geruhsamen Lebensabend mit dem Gatten freuen, diesmal ist es Mortimer, der sich empört, als Jane seine Pläne durchkreuzt, und einen Job bei einer Immobilienmaklerin annimmt, die schon lange ein Auge auf ihn geworfen hat. Umso simpler ist dagegen die Figur des Gegenspielers: Oliver Stritzel verkörpert den Vorarbeiter von Anfang an auf eine Weise, dass man ihm sogar zutraut, Ellas Verlobten auf dem Gewissen zu haben. (Text-Stand: 20.12.2019)