Rosamunde Pilcher – Anwälte küsst man nicht

Schweins, Sosniok, Keusch. Dialoge fast „sophisticated“, Schauspieler eher daneben

Foto: Foto: ZDF / Jon Ailes
Foto Tilmann P. Gangloff

„Anwälte küsst man nicht“, der Titel dieser Verfilmung einer Kurzgeschichte von Rosamunde Pilcher, erinnert zwar an den Howard-Hawks-Klassiker „Leoparden küsst man nicht“, doch die Ähnlichkeit hält sich in Grenzen: Die Dialoge sind durchaus flott und scharfzüngig, die Outdoor-Szenen haben etwas ungewohnt Luftiges, was nicht zuletzt Kamera und Schnitt zu verdanken ist, aber mit den Hauptdarstellern dieser Romantic Comedy von Michael Keusch über zwei Liebespaare wider Willen lässt sich das „Herzkino“ nur bedingt beleben.

Eine Zeit lang hat Sat.1 reihenweise ziemlich dreist und ohne Quellenangabe Hollywood-Romanzen kopieren lassen. Insofern spielt das ZDF bei dem Sonntagsfilm „Anwälte küsst man nicht“ schon fast mit offenen Karten: Nicht nur der Titel, auch die personelle Konstellation der Romanze erinnert an Ivan Reitmans Krimikomödie „Staatsanwälte küsst man nicht“ (1986); andere Zutaten stammen geradewegs aus „Ein (un)möglicher Härtefall“ (2003). Allerdings ist die Geschichte der „Herzkino“-Produktion deutlich überschaubarer als die beiden erfolgreichen US-Vorbilder: Zwei Scheidungsanwälte wollen nicht wahrhaben, dass sie ineinander verliebt sind, geben sich am Ende eines feuchtfröhlichen Dorffestabends das Ja-Wort und wollen sich anschließend so rasch wie möglich wieder scheiden lassen.

Erste „… küsst man nicht“-Komödie der Filmgeschichte war Howard Hawks’ Klassiker „Leoparden küsst man nicht“ (1938); sie gehört bis heute zu den unerreichten Prototypen des Genres „Screwball-Comedy“, dem „Anwälte küsst man nicht“ ebenso vergeblich nacheifert wie alle anderen Komödien, die sich dieses Titels bedienen. Ihre Menge dürfte ähnlich groß sein wie die Zahl jener Romanzen, deren Hauptfiguren zufällig, irrtümlich oder unfreiwillig heiraten und sich erst nach einigem Hin und Her ihre Liebe gestehen. Aus Zuschauersicht ist es letztlich gar nicht entscheidend, ob man eine Geschichte so oder so ähnlich schon mal gesehen hat. Hauptsache, das Drehbuch überrascht mit unerwarteten Variationen des Themas, die Umsetzung ist einigermaßen flott und es macht Spaß, den Hauptdarstellern zuzuschauen; das gelingt „Anwälte küsst man nicht“ zumindest ansatzweise, mit deutlich Luft nach oben.

Regisseur Michael Keusch, der auch das Buch schrieb, dreht nach seinen Anfangsjahren mit Thrillern für Privatsender („Der Parkhausmörder“, „Das Biest im Bodensee“) seit einiger Zeit bevorzugt Sonntags- und Donnerstagsfilme fürs ZDF („Ein Sommer in…“, „Vorzimmer zur Hölle“), er kennt die nötigen Zutaten dieser Produktionen also genau. Gerade die Pilcher-Verfilmungen wirken ja mitunter wie eine jener „Ranking-Shows“ aus den dritten Programmen: „Die schönsten Schlösser und Parks in Cornwall“. Das Manko des Films ist jedoch keineswegs Keuschs penible Berücksichtigung der Sendeplatzvorgaben, schließlich sind beispielsweise die obligaten Luftaufnahmen wichtiger Teil des Augenschmauses, den das „Herzkino“ garantiert. Außerdem hat er für „Anwälte küsst man nicht“ einige wirklich hübsche Dialoge geschrieben, die ein Engländer womöglich sogar als „sophisticated“ adeln würde, also als Mischung aus Raffinesse und Esprit mit einem gewissen Schuss Arroganz. Gerade Esther Schweins darf als Scheidungsanwältin, die noch nie einen Fall verloren hat und entsprechend blasiert auftritt, viele solche Sätze sagen. Leider klingen sie nie spontan, sondern zurechtgelegt; und bei ihrem Gegenüber Jan Sosniok wirken sie noch weniger glaubhaft.

Rosamunde Pilcher – Anwälte küsst man nichtFoto: ZDF / Jon Ailes
Offenbar die letzte Nacht die Ehe vollzogen. Esther Schweins & Jan Sosniok in „Rosamunde Pilcher – Anwälte küsst man nicht“

Soundtrack: The Dixie Cups (“Going To The Chapel Of Love”), Aretha Franklin („Chain Of Fools“), Booker T & the MGs („Green Onions“), Cameo („Word up“), Ray Charles („Hit The Road Jack“), ABC („The Look of Love“), Van Morrison („Have I Told You Lately That I Love You“)

Das zweite Paar des Films, Susan Hoecke („Sekretärinnen“) und Tobias Licht („Der Ballermann“), bewegt sich gar nur auf Soap-Niveau, was allerdings zur Geschichte passt: Model Clarissa (Hoecke) will sich von ihrem früheren Bodyguard und heutigem Ehemann Blake (Licht) trennen. Die junge Frau engagiert Spencer Billings (Sosniok), der Gatte Emily Grant (Schweins). Streitobjekt des Ehepaars ist ein Schloss auf einer Insel. Um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, besuchen die Anwälte den Besitz und landen auf einem Dorffest, wo man sich einer alten Tradition gemäß spontan das Ja-Wort geben kann. Als sie am nächsten Morgen aufwachen, sind sie nicht nur verkatert, sondern auch verheiratet.

Keusch erzählt für Pilcher-Verhältnisse mit „Anwälte küsst man nicht“ eine sympathische Geschichte mit liebenswerten Nebenfiguren (unter anderem Hugo Egon Balder als Emilys Vater) und hübschen Einfällen (Spencer nimmt regelmäßig an Motorradrennen teil, bei denen man schneller als ein Song sein muss). Auch die doppeldeutigen Gerichtsdialoge, bei denen Emily und Spencer vordergründig den Scheidungsfall, in Wirklichkeit aber ihre Beziehung verhandeln, sind amüsant. Weniger gelungen, dass Esther Schweins ständig „ups“ sagen muss oder sie sich dauernd die Haare hinters Ohr steckt, eine typische Schauspielerinnenmarotte (ohne jeglichen Sinn für die Story), die außerdem zu einigen Anschlussfehlern führt. Auch mit den Slapstickszenen hätte sich – gerade bei diesem anspielungsreichen Filmtitel – der Autor-Regisseur mehr Mühe geben können. Das, was „Anwälte küsst man nicht“ letztlich dann doch weit über den Durchschnitt der Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen im ZDF hievt, ist die Art und Weise, wie die Landschaftsmotive an die Story gekoppelt sind. Wirken Menschen in der Landschaft als typisches Pilcher-Essential sonst häufig gestellt, so haben bei Keusch, Kameramann János Vecsernyés & Co die Outdoor-Szenen etwas ungewohnt Luftiges. Auch die Montage ist sehr viel flüssiger, die Überleitungen sehr viel filmischer als in den szenischen, oft statisch wirkenden Cornwall-Romanzen der Vorjahre. Etwas mehr Originalität, was die Stories angeht, und noch ein bisschen Feinarbeit bei der Bucharbeit – und das Label Pilcher ließe sich als Unterhaltungsfilmmarke langsam ernst nehmen.

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Reihe

ZDF

Mit Esther Schweins, Jan Sosniok, Susan Hoecke, Tobias Licht, Hugo Egon Balder, Anna Schäfer

Kamera: János Vecsernyés

Szenenbild: Robert Foster

Schnitt: Julia Prokasky

Musik: Richard Blackford

Produktionsfirma: FFP New Media

Drehbuch: Michael Keusch

Regie: Michael Keusch

Quote: 4,74 Mio. Zuschauer (13,3% MA)

EA: 21.09.2014 20:15 Uhr | ZDF

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