Seit geraumer Zeit sind die Filme der ARD-Reihe „Polizeiruf 110“ immer öfter keine klassischen Krimis mehr. Familiendramen, gesellschaftliche Missstände, die persönlichen Probleme der Ermittler: Alles mögliche steht im Mittelpunkt, nur nicht die Suche nach einem Mörder; kein Wunder, denn mitunter gibt’s ja nicht mal eine Leiche. Ausgerechnet „Schneewittchen“ vom MDR, der mit dem väterlichen Duo Schmücke und Schneider in der Regel die betulichsten „Polizeiruf“-Filme stellt, ist ein richtiger Krimi klassischer Schule: Ein Mädchen sitzt einsam auf einer Parkbank im morgendlichen Nebel, kurz drauf wird ein anderes tot aus der Saale gefischt. Für den Vater (Oliver Strietzel) der überlebenden jungen Frau ist der Fall klar: Selbstredend hängt ihr Freund mit drin; der junge Mann und seine Kumpane aus der Hausbesetzerszene sind dem Schulrektor ohnehin ein Dorn im Auge. Doch dann stellt sich heraus, dass beide Mädchen unter dem Einfluss von „Liquid Ecstasy“ standen, einer Partydroge, die Menschen willfährig macht; anschließend fehlt ihnen jede Erinnerung. „Schneewittchen-Partys“ nennt die Szene zynisch solche Orgien. Die Chemikalien, aus denen der Cocktail besteht, werden unter anderem in der Möbelherstellung verwendet. Prompt stoßen die beiden Ermittler auf einen jungen Mann, der in höchstem Maß verdächtig wirkt.
Man ahnt zwar früh, dass der Nebenstrang mit den Hausbesetzern nur ein Ablenkungsmanöver ist, zumal sich einige vermeintlich ehrenwerte Herren in hohem Maß verdächtig benehmen. Trotzdem ist es durchaus kurzweilig (Regie: Christiane Balthasar), wie Schmücke und Schneider (Jaecki Schwarz, Wolfgang Winkler) mit viel Fuß- und Kopfarbeit ihre Indizien zusammentragen. Unvermeidlich, aber angenehm knapp gehalten (Buch: Rodica Döhnert) sind dafür die Ausflüge ins Privatleben: Schneider will seinen ungebetenen Mitbewohner endlich wieder loswerden und überredet ihn ständig, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Das ist allerdings eher bemüht als heiter, zumal die Zusammenarbeit des Duos im mittlerweile dreißigsten gemeinsamen Fall allzu routiniert wirkt. (Text-Stand: 12.2.2006)