Polizeiruf 110 – Mit anderen Augen

Selge, Kier & die übersinnliche Verstärkung für den „Polizeiruf“ aus München

Foto: BR
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Titel „Mit anderen Augen“ bezieht sich auf die Hellsichtigkeit eines „Profilers“. Sobald dieser an einem Tatort eintrifft, sieht er vor seinem geistigen Auge, wie sich die Tat zugetragen hat. Mehr Fluch als Segen für die von Udo Kier überzeugend verkörperte, zerissene und vereinsamte Figur. Ansonsten ist nicht alles Gold, was in diesem insgesamt etwas knalligen „Polizeiruf 110“ von Christian Limmer und Buddy Giovinazzo glänzt.

In einem „Tatort“ wäre so was vermutlich nicht drin, doch die Krimi-Reihe „Polizeiruf 110“ soll ja ausdrücklich auch mal andere Wege gehen: Der Titel „Mit anderen Augen“ bezieht sich auf die Hellsichtigkeit eines „Profilers“. Zunächst ist der einarmige Münchener Hauptkommissar Tauber (Edgar Selge) alles andere als erfreut über den Kollegen, dem allerdings der Ruhm vorauseilt, zur Aufklärung diverser unlösbarer Fälle beigetragen zu haben. Taubers Chef (Gregor Bloeb) besteht jedoch auf der Kooperation, denn Tauber und Kollegin Obermaier (Michaela May) sind bei ihrer Suche nach einem mehrfachen Frauenmörder, der es auf ältere Damen mit körperlichen Handicaps angelegt hat, in einer Sackgasse gelandet.

Und tatsächlich: Sobald Heinrich Zermahlen an einem Tatort eintrifft, sieht er vor seinem geistigen Auge, wie sich die Tat zugetragen hat. Anders als in amerikanischen Mystery-Serien wie „Medium“ oder „Ghost Whisperer“ ist Zermahlens Gabe eher ein Fluch. Der Mann lebt einsam in einem Wohnmobil und leidet unter einem Trauma, dem er seine Fähigkeit verdankt: Als er ein Kind war, tötete sein Vater die gesamte Familie; der kleine Heinrich überlebte, lag aber lange im Koma. Udo Kier ist ideal für diese Rolle, selbst wenn er darstellerisch scheinbar kaum gefordert wird: Zermahlens „zweites Gesicht“, die überfallartig über ihn herein brechenden Erinnerungen, braucht er ja nicht zu spielen. Gerade deshalb funktioniert nur die Rolle nur mit einem Darsteller, dessen Charisma man die unerhörte Begabung auch abnimmt.

Polizeiruf 110 – Mit anderen AugenFoto: BR
Der Titel „Mit anderen Augen“ bezieht sich auf die Hellsichtigkeit eines „Profilers“, gespielt von Udo Kier. Tayfun Bademsoy und Michaela May

Natürlich benötigt der ungewohnte Stoff eine angemessene Verpackung. Der amerikanische Regisseur Buddy Giovinazzo, der nach „Tiefe Wunden“ (2003) bereits seinen zweiten „Polizeiruf 110“ für den BR inszeniert, setzt die Geschichte (erneut Christian Limmer) effektvoll um. Schon der Einstieg entwickelt einen Sog, der einen direkt in die Geschichte zieht. So packend die Figur des medial begabten wortkargen Profilers auch ist: Eingeschränkt wird der Reiz des Films durch eine vor allem anfangs mutwillig fahrige und ruckelnde Kamera von Roman Nowocien, die dramaturgisch nicht im Mindesten motiviert ist und auf Dauer sogar nervt. Das dramatisch-tragische Finale, in dem es der Killer auf Obermaiers Tochter abgesehen hat, entschädigt allerdings für Einiges. (Text-Stand: 22.10.2006)

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Reihe

BR

Mit Edgar Selge, Michaela May, Udo Kier, Gregor Bloéb, Max von Pufendorf, Tayfun Bademsoy, Natalie Spinell

Kamera: Roman Nowocien

Schnitt: Katja Dringenberg

Musik: Fabian Römer

Produktionsfirma: Infafilm

Drehbuch: Christian Limmer

Regie: Buddy Giovinazzo

EA: 22.10.2006 20:15 Uhr | ARD

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