Polizeiruf 110 – Gelobtes Land

Erster gemeinsamer Fall des starken "Polizeiruf"-Duos Edgar Selge & Michaela May

Foto: BR
Foto Rainer Tittelbach

“Warum eigentlich? Zu alt? Zu langsam? Nicht komplett genug?”, fragt der einarmige Kommissar Tauber, der stinksauer ist darüber, dass man ihm eine gleichgestellte Kollegin zur Seite gegeben hat. Auftakt eines Stil prägenden Ermittlerduos mit einer sehr bewegenden Geschichte, die spannend für die Schicksale hinter der Asylpolitik sensibilisiert.

“Warum eigentlich? Zu alt? Zu langsam? Nicht komplett genug?”, fragt der einarmige Kriminalkommissar Tauber, der stinksauer ist darüber, dass man ihm einen gleichgestellten Kollegen zur Seite gegeben hat. Und dann auch noch eine Frau! Im neuen BR-”Polizeiruf 110” aus München hat sich etwas getan. Gaby Dohm hat als Polizeipsychologin abgedankt, dafür er- mittelt jetzt Michaela May als klassische Kommissarin gemeinsam mit Edgar Selge am Tatort. In ihrem ersten vermeintlich leichten Fall bekommen sie es mit zwei heiklen Themen zu tun: mit Menschenschmuggel und mit deutschem Asylrecht.

“Gelobtes Land” erzählt die Leidensgeschichte des afrikanischen Asylbewerbers Jonah Dibango. Der lässt von einem Schlepper seine beiden Töchter illegal über die tschechiche Grenze nach Bayern holen. Doch es passiert ein Unfall, bei dem eines der beiden Mädchen stirbt. Der Schlepper verschwindet spurlos – auf ziemlich mysteriöse Weise. Seine hoch- schwangere Frau ist beunruhigt – auch weil der verzweifelte Dibango bei ihr immer wieder auftaucht. Nach und nach erkennen die beiden Kommissare Obermaier und Tauber die Zusammenhänge zwischen Dibango, den verunglückten schwarzen Kindern und dem verschwundenen Schlepper. Und sie spüren, dass hier vielleicht noch mehr im Spiel ist als
die rationale Logik der westlichen Welt.

Die Chaotin und der Pedant machen ihre gemeinsame Sache gut. Das Motto auch beim neuen “Polizeiruf”-Duo aus Bayern wie so oft: Gegensätze ziehen sich an. “Tauber muss sich einfach daran gewöhnen, dass ich anders recherchiere, direkter, nicht so überlegt”, betont Michaela May. Schon in der Sprache zeigt sich das unterschiedliche Naturell. Mundart stehe zwar nicht im Drehbuch, “aber ich habe die Freiheit Dialoge umzuformulieren”, so May, die als ein typisches Münchner Urgewächs gilt. Die 48-jährige glaubt, dass sich beide Figuren bestens ergänzen, die “bodenständige Bayerin” mit dem “etwas zynischen, einsamen Mann”. Prinzipiell findet sie es auch gut, dass Kommissare heute mehr Eigenleben besitzen. “Das Privatleben wurde früher ja immer wieder weggeschnitten, auch noch zu Derricks Zeiten.” Heute wolle man aber auch wissen, was Kommissare für Menschen sind.

Eine Stärke des neuen Zweier-Teams ist auch, dass die Buddy-Konstellation nicht zwanghaft betont, sondern eher verspielt beiläufig zum Ausdruck kommt und überlagert wird von einer sehr bewegenden Geschichte, die sensibilisiert für die Schicksale hinter der deutschen Asylpolitik und dennoch spannende Fiktion bleibt. Christian Jeltsch hat ein gut strukturiertes Drehbuch geschrieben mit knappen, vielschichtigen Dialogen. Auch “Kottan”-Erfinder Peter Patzak beweist, dass er nach mehreren kommerziellen TV-Movies nichts von seinem Gespür für Atmosphäre und gelegentliches Augenzwinkern eingebüßt hat. Insbesondere der audiovisuelle Rückgriff auf die Mythen der afrikanischen Kultur, “dieses Zauberzeug und diese Gesänge”, so der schwarze Held, vermag der Wiener wirkungsvoll in die Krimihandlung einzubauen.

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Reihe

BR

Mit Edgar Selge, Michaela May, Aloysius Itoka, Joana Adu-Gyamfi, Andreas Patton

Kamera: Andreas Köfer

Schnitt: Jacqueline von Brueck

Musik: Peter Patzak

Produktionsfirma: Infafilm

Drehbuch: Christian Jeltsch

Regie: Peter Patzak

EA: 14.01.2000 20:15 Uhr | ARD

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