Schon die Wahl der (Kamera-)Perspektiven verdeutlicht: In diesem Sonntagskrimi ist Einiges aus der Bahn gesprungen. Das muss auch so sein, denn „Dunkler Sommer“ ist ein Film von Hendrik Handloegten, der vor einigen Jahren mit der faszinierenden Beatles-Verschwörungsgeschichte „Paul is Dead“ als Regisseur debütierte und dafür gleich einen Grimme-Preis erhalten hat. Das Drehbuch zu diesem dreifachen Familiendrama stammt zwar von Ulli Stephan, doch Handloegten hat schon mit einem herausragenden „Tatort“ aus Köln („Pechmarie“) gezeigt, wie man etablierte Krimi-Charaktere zu neuen Grenzen führt.
Deshalb stört es auch nicht, dass dieser „Polizeiruf 110“ kaum Krimi ist. Wichtiger als die Suche nach dem Mörder sind die ausnahmslos gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen. Handloegten konzentriert sich daher vor allem auf die Entwicklung der Figuren. Unterstützt von einer sparsamen, akzentuiert eingesetzten Musik (Dieter Schleip) und einer ruhigen Bildgestaltung (Peter Przybylski) gewährt er den Figuren deutlich mehr Raum als der Handlung. Der Film scheint dadurch streckenweise kaum von der Stelle zu kommen. Auch das aber hat Methode: „Dunkler Sommer“ spielt in brütender Hitze; gerade der kühle Kommissar Tellheim (Eitner), der mit diesem Film endgültig iwischen n Schwerin sesshaft wird, trägt stetig wachsende Schweißflecken mit sich herum. Um so kontrastreicher ist die frostige Stimmung zwischen den Ermittlern. Dabei ist Hinrichs (Steimle) schon gestraft genug: Seine Frau hat ihn verlassen; die Leerstelle am Küchentisch füllt nun sein Vater.
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Im Vordergrund steht allerdings ein anderer familiärer Konflikt: Nach verbüßter Haft sucht ein gewalttätiger Gatte sein früheres Heim heim. Das hätte er lassen sollen, denn kurz drauf ist er mausetot. Zu sehen ist das allerdings nicht. Der bettlägerige Schwiegervater geht zur Tür, man hört einen Schuss – und dann wird der Tote auch schon von den Kindern beerdigt. Die Kommissare tappen komplett im Dunkeln und landen daher prompt auf völlig falscher Fährte. Erst nach und nach schält sich das Drama heraus, eine alte Liebe kommt ins Spiel, und eine weitere Familie entpuppt sich als zerrüttet; nur gut, dass die beiden Ermittler am Ende mit salomonischer Weisheit für einen Hoffnungsschimmer in diesem dunklen Sommer sorgen.