Nach einigen Jahren grauen Berufsalltags war ihr nicht länger danach, Unternehmerin für Haustechnik zu sein. Andrea Sixt, Diplom-Ingenieurin, wollte näher ran ans Leben und machte sich als Drehbuchautorin selbstständig. Mit ihrer ersten Arbeit „Workaholic“ landete sie 1995 gleich einen Kinohit. Doch dann machte ihr die Gesundheit einen Strich durch die weitere Karriere. Diagnose Brustkrebs. Wie es damals für sie war, spürt sie noch heute. „Ich war vollkommen blutleer, und es wirbelten bei mir alle möglichen Gedanken durcheinander.“ Nach dem ersten Schock kam die Angst, dann Verzweiflung.
Die Qualen, die Andrea Sixt durchmachen musste, den Kampf gegen das Schicksal und den inneren Schweinehund, gegen die eigenen Ängste und gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung als „Frau mit nur einer Brust“ – diesen Weg einer Selbstfindung kann der Zuschauer heute abend mit der Schauspielerin Marie Zielcke gehen. Ihre Andrea ist das alter ego von Andrea Sixt. Fünf Jahre nach ihrer Erkrankung hat Sixt den autobiografischen Roman „Noch einmal lieben“ geschrieben, den sie für das gleichnamige Sat-1-Movie in Drehbuchform gebracht hat. Die Autorin ist von dem Film begeistert. „Dieses emotionale Auf und Ab, diese Verzettelung am Anfang und diese Versuche, es immer allen recht zu machen – das ist absolut authentisch dargestellt“, so Sixt. „Marie Zielcke ist in meine Haut geschlüpft.“
Die tiefe Freude der Autorin ist gut nachvollziehbar. Auch für den Außenstehenden ist „Noch einmal lieben“ ein besonderer Film. In diesen menschlich hoch spannenden 90 Minuten stimmt fast alles. Man sieht, wie eine junge Frau den Krebs nach und nach in ihr Bewusstsein lässt, ihn geradezu in gläubiger Demut annimmt, ohne ihn ihr Leben und ihr Selbstwertgefühl zerstören zu lassen. „Der Krebs war das Beste, das mit in meinem Leben passiert ist“, sagt die Heldin. „Ich weiß, das klingt komisch, aber ganz genau so ist es.“ Vielleicht wird manch ein Krebspatient kopfschüttelnd dieser jungen Frau folgen, die aus der Krankheit die Kraft zieht, ein bewussteres, selbstbestimmteres Leben zu führen. Aber der Film zeichnet nun einmal die Erfahrungen von Andrea Sixt nach, erzählt eine Geschichte, die das Thema Brustkrebs individuell angeht und nicht statistisch korrekt abhandelt. Das genau ist seine Stärke.
Unaufgeregt folgt die Kamera der Heldin. Es ist das Leben, das die Dramaturgie und den Rhythmus des Films von Anna Justice bestimmt. Marie Zielcke gelingt es dem Thema Krebs zum Trotz, den Zuschauer zu verzaubern. In ihrer sehr speziellen Schönheit spiegelt sich die Eigenwilligkeit ihrer Andrea, die wie Andrea Sixt eine Chemotherapie ablehnt. Zielcke und Jasmin Tabatabai als Freundin Günes beherrschen jenen beiläufigen Realismus bis in die kleinste Geste, der diesen Sat-1-Film so wahrhaftig macht. Im Zusammenspiel mit der traumhaft fließenden Inszenierung und einer klaren, reduzierten Bildsprache entsteht so ein magischer Realismus, den man im Privatfernsehen so noch nicht gesehen hat.