Jeder Jeck ist anders. „Meine Mutter im siebten Himmel“
Dem ohnehin etwas verunglückten Titel zum Trotz ging es 2018 in „Meine Mutter ist unmöglich“ vor allem um die Tochter: Hausmannskostköchin Toni (Diana Amft) hatte sich, wie das Leben in Freitagromanzen nun mal so spielt, in den Sternekoch Rufus (Stephan Luca) verliebt. Weil man aus Liebe allerlei Blödsinn macht, hat der Mann tatsächlich sein angesagtes Kölner Lokal aufgegeben und ist in die Voreifel gezogen, wo er fortan in dem Landgasthof kochte, den Toni mit Mutter Heidi (Margarita Broich) betreibt. Diesen Handlungskern hat die ARD-Tochter Degeto in drei Fortsetzungen breit treten lassen, was nach dem heiteren Auftakt mal mehr, mal weniger unterhaltsam war, weil das Ensemble kaum Gelegenheit hatte, die Figuren weiterzuentwickeln; gerade der dritte Film, „Meine Mutter traut sich was“, war bloß noch ein müder Abklatsch. In der vierten Episoden kam dank Rufus’ autistischer Teenager-Tochter immerhin Bewegung ins Personal („Meine Mutter will ein Enkelkind“). Zu Beginn von Nummer fünf heißt es „Alles auf Anfang“, denn der Koch und die Wirtin haben sich getrennt; womöglich hatte Luca keine Lust mehr auf die immer dünneren Geschichten.
Romanze muss natürlich trotzdem sein, weshalb sich diesmal Mutter Heidi verlieben darf, was schon im zweiten Film („Meine Mutter spielt verrückt“) schiefgegangen ist und auch diesmal unter keinem guten Stern steht: Der Mann, an den sie ihr Herz verliert, ist zwanzig Jahre jünger. Die Degeto verbreitet zwar längst nicht mehr so ein konservatives Weltbild wie noch vor zehn Jahren, aber im Freitagsfilm gab es seither vermutlich mehr gleichgeschlechtliche Beziehungen als glückliche Liebesgeschichten zwischen älteren Frauen und jüngeren Männern. Aus Sicht der weiblichen Zielgruppe, deren Mitglieder im Schnitt etwa im gleichen Alter sein wird wie Margarita Broich (Jahrgang 1960), dürften Heidis Gefühle für den schmucken Gärtner allerdings sehr nachvollziehbar sein. Ihr romantischer Garten ist ohnehin ein Traum für alle, bei denen hinterm Haus nicht alles seine Ordnung haben muss; und wie Broich ihre Heidi aufblühen lässt, lässt einem in der Tat das Herz aufgehen.
Ansonsten jedoch tritt die fünfte Episode auf der Stelle: Toni ergibt sich seit der Trennung von Rufus (die vor der Handlung stattgefunden hat) ihrem Weltschmerz, weshalb Ex-Freund Hans-Jürgen (Nikolaus Benda) wieder mal seine Chance wittert, das alte Feuer neu zu entfachen; ein Unterfangen, das nicht zuletzt aufgrund seiner beschränkten Mittel auch diesmal zum Scheitern verurteilt ist. Sympathisch wie stets sind die kleinen Auftritte von Stephan Bieker als tiefenentspannter Postbote Haase, der auch für den Dorffunk zuständig ist und darüber hinaus als Alltagsphilosoph („Jeder Jeck ist anders“) und Lebensberater fungiert. Sehenswert und schön gespielt ist auch die Romanze zwischen Heidi und dem Gärtner (Martin Bretschneider), zumal dessen Avancen keinerlei Hintergedanken haben. Heidi will verhindern, dass das Dorf über das Paar tratscht, was aber prompt schiefgeht, als ihre Freundin (Ramona Kunze-Liebnow) die beiden beim innigen Tanz überrascht; und Toni muss sich auch erst mal an den Gedanken gewöhnen, dass Heidis Liebhaber vom Alter her eher zu ihr passen würde, zumal sie das Mitgefühl des freundlichen Gärtners für ihren Liebeskummer missversteht.
Regie führte wie bereits in zwei früheren Filmen der Reihe John Delbridge, der die Erfahrung von einigen Dutzend Sonntagsfilmen im ZDF mitbringt („Rosamunde Pilcher“, „Inga Lindström“) und mit Kameramann Harald Cremer dank der schönen Eifellandschaft für eine angemessene Dosis Augenfutter gesorgt hat. Bei aller bildgestalterischen Routine macht es dennoch Spaß, gerade dem erfahrenen Teil des Ensembles zuzuschauen, zumal die Suche nach einem neuen Koch zum Teil recht flott erzählt ist. Allerdings ahnt man früh, welcher der richtige ist, zumal sich alle anderen von selbst disqualifizieren: Die vegetarischen Pläne von Sebastian (Lucas Prisor) passen zwar nicht zu einem Landgasthof, aber Reihenautor Christian Pfannenschmidt hat den jungen Mann als Igelretter eingeführt; deshalb ist von vornherein klar, dass er wiederkommen wird. Einige Slapstickszenen sind zudem ausgesprochen kurzweilig inszeniert, etwa eine Küchenkettenreaktion, die Toni klarmacht, dass sich was ändern muss.
Soundtrack: (1) Nick Straker Band („A Walk In the Park”), James Brown („I Got You”), Jackson 5 („E-Ne-Me-Ne-Mi-Ne-Moe”), José González („Heartbeats”), Julio Iglesias („El Amor”)Mary J. Blige („Natural Woman”), Richard Ashcroft („You On My Mind In My Sleep“), Bruce Springsteen („Born To Run”)
(2) Elton John & Kiki Dee („Don’t Go Breaking My Heart”), Diego Boneta, Paul Giomatti, Julianne Hough, Mary J. Blige & Tom Cruise („Here I Go Again”), Cher („The Shoop Shoop Song”), Wolfgang Petry („Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih’n”), Crown feat. MC Killa („Let Me Be Misunderstood”), Bruce Springsteen („All Or Nothin’ At All”)
Versäumte Gelegenheiten. „Meine Mutter und plötzlich auch mein Vater“
Wenn eine Filmreihe neue Impulse braucht, lassen die Verantwortlichen gern einen lange vermissten Vater auftauchen. Das hat schon bei „Indiana Jones“ prima funktioniert; erst recht, wenn es noch offene Rechnungen gibt. Uwe Ochsenknecht ist ohnehin ein Einschaltgrund, weshalb die fünfte „Meine Mutter“-Episode durchaus sehenswert ist; immer vorausgesetzt, man erwartet weder tiefschürfende Dialoge noch eine Geschichte von besonderer Relevanz. Reihenschöpfer Pfannenschmidt scheint sich mittlerweile ohnehin damit zu begnügen, die bewährten Handlungselemente neu zu sortieren, zumal jede Rolle für eine eigene Ebene mit jeweiligem Vorzeichen steht. Hans-Jürgen zum Beispiel ist im Grunde eine tragische Figur, weil er wie Sisyphus nicht müde wird, sein Glück bei Toni zu versuchen. Postbote Haase ist so etwas wie der Chor aus dem klassischen griechischen Drama, der die Ereignisse durch gezielte Informationen beschleunigt oder den Dingen eine Wende gibt.
Die besten Freundinnen der beiden Eifelperlen sind dagegen Nebenfiguren ohne nennenswerte Aufgaben. Müsste „Meine Mutter und plötzlich auch mein Vater“, aus welchen Gründen auch immer, gekürzt werden, wären sie die ersten Opfer. Tonis „Stößchen“-Freundin Maris (Fabienne Hesse) sowie Heidis Hannelotte sind im Grunde Witzfiguren. Diesmal ist sie überzeugt, dass ihr Mann eine Affäre mit seiner Sekretärin hat; den meisten Zuschauerinnen dürfte jedoch rasch klar sein, warum der Gatte 35 rote Rosen bestellt hat. Heidi hat ohnehin ganz andere Probleme: Bei einem Ausflug nach Köln sind Toni und Maris einem als Blaubär verkleideten Obdachlosen (Ochsenknecht) über den Weg gelaufen; der Mann posiert am Rand einer Kirmes gegen Geld für Fotos. Als sich Toni später für die Unhöflichkeit ihrer Freundin entschuldigen will, verliert sie ein altes Schwarzweißbild. Es zeigt ihren vor dreißig Jahren bei Nacht und Nebel verschwundenen Vater Kurt; und selbstredend verbirgt sich unter dem Bären-Kostüm niemand anders als ihr Erzeuger. Der gibt sich erst mal nicht zu erkennen und begleitet Toni in die Eifel, wo die ahnungslose Heidi prompt der sprichwörtliche Schlag trifft.
Mit diesem Aufeinandertreffen beginnt der Film auch, die Vorgeschichte in Köln wird nachgereicht; eine zwar wenig originelle, aber wirkungsvolle Methode, um die Neugier zu schüren. Als die Handlung den Prolog wieder einholt, ist die Bühne bereitet für die Auseinandersetzungen zwischen Heidi und Kurt. Außerdem ist Toni empört, dass sich ihr Erzeuger nie wieder gemeldet hat, aber der schwört, er habe regelmäßig Briefe und Geschenke geschickt. Auch in dieser Hinsicht ist die Inszenierung – Jurij Neumann hat bereits bei den Episoden eins und vier Regie geführt – vorhersehbar: Hans-Jürgen soll Heidis Speicher aufräumen, und selbst Kinder werden ahnen, was der verschlossene alte Koffer enthält, den er dabei entdeckt. Die einzige echte Überraschung des Films ist ein herzhafter Rülpser, der „HaJü“ entfährt, als er Toni nach zwei Gläsern Prosecco einen Heiratsantrag macht. Die wiederum hat ihren Kummer über die Trennung von Rufus mittlerweile überwunden und Ersatz gefunden, zumindest für die Küche, auch wenn praktisch jeder Wortwechsel mit Sebastian zu einer Auseinandersetzung führt, weil sich die Pläne des Kochs für das neu eröffnete „Kupferkännchen“ in vielerlei Hinsicht von ihren Vorstellungen unterscheiden.
Nicht nur die Rolle, auch Lucas Prisor erweist sich als Bereicherung für die Reihe, aber auch das weitere Ensemble macht seine Sache gut. Ochsenknecht hat mit Amft schon in der ARD-Reihe „Der Bulle und das Landei“ ein gutes Team gebildet, doch in „Meine Mutter und plötzlich auch mein Vater“ berühren vor allem die gemeinsamen Szenen mit Margarita Broich, weil beide den emotionalen Graben zwischen Kurt und Heidi sehr glaubwürdig vermitteln: Sein Verschwinden hat sie zutiefst verletzt; deshalb gelingt es ihr nicht, seine Entschuldigung anzunehmen. Nun erweist sich auch die wahre Bestimmung der Nebenfiguren: Sebastian spricht von versäumten Gelegenheiten, die man ein Leben lang bedauere, und Haase belehrt Heidi, man müsse auch vergeben können. So gesehen weist dieser ansonsten harmlose Zeitvertreib dann doch noch über sich hinaus.