Lobbyistin

Rosalie Thomass, Schir, Sarbacher, Nagel. Verschwörungen im Berliner Politbetrieb

Foto: ZDF / Christoph Assmann
Foto Harald Keller

Mit der Miniserie „Lobbyistin“ (Cologne Film) wendet sich ZDFneo erneut der politischen Bühne zu. Auf die gelungene Groteske „Eichwald, MdB“ folgt nun ein zeitkritischer Polit-Krimi: Gerade noch wird die ehrgeizige Nachwuchspolitikerin Eva Blumenthal (sehenswert: Rosalie Thomass) als kommende Kraft gefeiert, da nimmt ihre Karriere auch schon ein abruptes Ende. Ein tief- und hintergründiges Drama hätte es werden können, aber gemessen an den ersten zwei Folgen wird dem Publikum ein fahrig erzählter Möchtegern-Thriller serviert, der sich an großen Vorbildern orientiert, das gesetzte Ziel aber deutlich verfehlt.

Rezension unter Vorbehalt:
Zur Verfügung standen nur zwei der sechs 30-Minüter der Fortsetzungsserie. Keine ausreichende Grundlage für eine abschließende Bewertung. Daher hier nur Rückschlüsse auf Basis der ersten Eindrücke.

Mit „Lobbyistin“ widmet sich der Spartensender ZDFneo nach „Eichwald, MdB“, einer ‚inoffiziellen‘ Adaption der britischen Serie „The Thick of It“, ein weiteres Mal dem politischen Milieu rund um den Berliner Bundestag. Anfangs ist die Protagonistin Eva Blumenthal (Rosalie Thomass) noch Bundestagsabgeordnete mit umweltpolitischem Schwerpunkt. Und großer Zukunft. Gerade wurde sie zweiseitig in einer Zeitschrift porträtiert. Die Überschrift: „Eine Frau fürs Unbequeme“. „Das klingt, als wäre ich ein Sofa“, beschwert sich Blumenthal bei der jungen Kollegin Lea Koch (Picco von Groote). Stolz und selbstbewusst kündigt sie die Vorstellung ihrer Novelle zum Gesetz über erneuerbare Energien an. Von Lea Koch muss sie jedoch erfahren, dass der Wirtschaftsminister Bertram Kaiser (Max Urlacher) bereits einen eigenen Entwurf an die Fraktion geschickt hat.

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Eva Blumenthal (Rosalie Thomass) diskutiert mit Lobbyisten & Politikern eine Gesetzesvorlage zur umstrittenen Promille-Grenze.

Die düpierte Abgeordnete knallt dem Parteikollegen die Gesetzesvorlage auf den Schreibtisch und findet klare Worte: „Willst du mich verarschen?“ Die neuen Bestimmungen sind ihr zu konzernfreundlich, kleine Stromerzeuger hätten das Nachsehen. Sie sei viel zu emotional, wirft Kaiser ihr vor. Ihr fehle das Verständnis für die Realpolitik. Sie vermutet eine Retourkutsche ‒ „weil wir was hatten und ich nicht mehr wollte.“ Ihre Riposte geht ins Leere. Kaiser dagegen legt nach und wirft ihr Bestechung vor. Als Beleg dient ihm die Dankes-Mail eines Energieversorgers, der eine Zahlung in Höhe von 50.000 Euro an eine Bank auf den Cayman Inseln bestätigt. Zudem existieren Fotos von der Übergabe einiger dicker Geldbündel. Der ‚Geldgeber‘ ist der stadtbekannte Lobbyist Zielert (Bernhard Schir), ein Freund ihrer Familie. Die Sache hat einen wahren Kern: Blumenthal hatte sich Geld geliehen, um ihren psychisch angegriffenen Bruder Tom (Rick Okon) auszulösen, der Geld gestohlen und in der Fußgängerzone verteilt hatte. Die Sache wurde aufgebauscht, die Mail und die Fotos sind gefälscht. Beweisen kann Blumenthal dies nicht. Sie muss zurücktreten. Um sich reinzuwaschen und die Drahtzieher zu ermitteln, gibt sie dem Werben Zielerts nach, der sie schon seit längerem für seine ‚Beratungsagentur‘ PPC ‒ People for Public Communication – gewinnen möchte. Die PPC nimmt im Auftrag zahlungskräftiger Interessensgruppen Einfluss auf die Entscheidungsfindung in Bundestag und Bundesrat. Sie konnte beispielsweise bewirken, dass in Deutschland die Tabakwerbung nicht vollends verboten wurde. Die Argumentation: „Auch Raucher haben ein Recht auf Information.“ Aktuell wurde die Agentur vom Bierbrauerverband angeheuert, die Senkung der Promillegrenze zu verhindern.

In den Büroräumen begegnet Blumenthal dem mächtigen Hugo van Bergen (Thomas Sarbacher), Chef des Energiekonzerns E.W.O. Obwohl Expertin auf diesem Gebiet, darf Blumenthal an dieser Kampagne noch nicht mitwirken. Sie wird erst einmal in die Obhut von Holger Thomas (Daniel Eichinger) gegeben, einem „der besten Spieler“ der Agentur, wie Zielert ihn vorstellt. Die Aufregung ist groß, als der eben noch konzernfreundlich erscheinende Wirtschaftsminister Kaiser plötzlich einen neuformulierten, deutlich ‚grüneren‘ Gesetzentwurf präsentiert. Ähnlich dem, den Eva Blumenthal verfasst hatte. Doch Zielert weiß, wie man Kaiser an die Kandarre nehmen kann: Der Minister hatte einst bei seiner Doktorarbeit unsauber zitiert. Ausgerechnet Eva Blumenthal soll alles Nötige unternehmen. Das tut sie auch. Und dann wird Kaiser tot in der Spree gefunden. Freitod oder Mord?

LobbyistinFoto: ZDF / Christoph Assmann
Auch privat läuft bei Eva mit ihrem Partner Gustav nicht alles rund. Rosalie Thomass & René Geisler in ZDFneo-Serie „Lobbyistin“

Mit der Peripherie des politischen Betriebs, den diversen Agenturen, die – meist unsichtbar für die Wähler – Lobby- und Beratungsarbeit leisten und manche Politiker, aktive und ehemalige, mit lukrativen Engagements versorgen, bietet sich ein Thema an, dem sich erhellende Einblicke und spannende Konflikte abgewinnen lassen. Voraussetzung sind intensive Recherchen, genaue Charakterzeichnungen, sorgfältig angelegte Handlungslinien. Die Autoren Mika Kallwass und Sven Nagel (auch Regie) aber sparen sich diese Feinarbeit. Bei ihnen muss die Geschichte mit Einbrüchen, Anschlägen, Morden einhergehen. Sie versuchen sich an einem Politthriller en miniature und entwerfen eine breite Verschwörung, die die Protagonistin in bewährter Robert-Ludlum-Tradition im Alleingang, dabei Feinden und Freunden trotzend, zu entlarven versucht. Das ist schon in der Exposition hoffnungslos unglaubwürdig. Die Serienautoren lassen ja anklingen, wie unliebsame politische Entwicklungen mit eleganten Methoden abgewürgt werden können. Verzwickte und aufwändige Intrigen bis hin zum Mord sind nicht nur unnötig, sondern gefährden unter Umständen das angestrebte Ziel.

„Die Dramaserie ‚Lobbyistin‘ will nicht nur Antworten auf das komplexe Thema ‚Lobbyismus‘ geben, sondern Debatten anstoßen, polarisieren und manche Fragen auch offen in den Raum stellen, damit sich der Zuschauer seine eigene Meinung bilden kann. Was wiegt stärker? Macht oder Moral? Geld und Gier oder Recht und das Richtige tun?“ (ZDF-Redakteur Martin R. Neumann)

Die Widersprüche setzen sich in den Details fort. Der Erzählung zufolge soll Eva Blumenthal komplett ideologisch umschwenken, von einem Tag auf den anderen das Gegenteil von dem propagieren, was sie bisher vertreten hat. Einem gewieften Strategen wie Wolfgang Zielert müsste klar sein, dass das nicht funktionieren kann – niemand würde Blumenthal den Gesinnungswandel abnehmen, sondern sie für käuflich halten. Damit wäre sie für lobbyistische Kampagnen gänzlich ohne Wert. Um diesen abenteuerlichen, undurchdachten Berufswechsel abzudämpfen, lassen die Autoren die frischgebackene Lobbyistin Blumenthal zunächst störrisch agieren. Sie gibt kritische Kommentare ab, widerspricht Auftraggebern, greift umworbene Entscheidungsträger an. Ein aus Warte ihres Arbeitgebers völlig inakzeptables Verhalten. Die fristlose Kündigung wäre in einem solchen Fall eine Frage von Minuten, nicht von Tagen. Solche massiven Unglaubwürdigkeiten wirken im Fluss der inszenatorisch hastig hingeworfenen Erzählung – diesbezüglich erweist sich die Episodenspielzeit von dreißig Minuten als schwerwiegendes Manko – wie Stolpersteine. Oder, wenn man eine fiktionale Erzählung als Spiegel der Wirklichkeit begreifen möchte, wie blinde Flecken und krasse Brüche, die das Bild nachteilig verzerren.

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Der stadtbekannte Lobbyist Zielert (Bernhard Schir) gibt nicht zu, dass er die Schmutzkampagne lanciert hat. Rosalie Thomass

Stichwort Verzerrung: Auch die Charakterzeichnung der Titelfigur ist nicht sonderlich glaubwürdig. Selbst für eine Jungpolitikerin verhält sich Eva Blumenthal bemerkenswert ungeschickt und undiplomatisch. Dazu rechnet auch ihr ausschweifendes Sexualleben – ihre offenbar nicht zu zügelnden Bedürfnisse lebt sie mit Wissen ihres Lebensgefährten aus. Zur Not tut es auch eine Masturbation in der Firmentoilette. Wohlgemerkt: Es spricht nichts dagegen, wenn Frauen zugebilligt wird, was Männer seit je für sich wie selbstverständlich in Anspruch nehmen. Es passt nur in diesem Falle schlichtweg nicht zur Figur. Dass die mehrfach preisgekrönte Schauspielerin Rosalie Thomass einer solchen Gestalt mit großer Verve Leben einhaucht, vermag nicht zu überraschen. Umso deutlicher fallen die Routine-Leistungen anderer Beteiligter ins Auge. Thomas Sarbacher beispielsweise spielt den sinistren Konzernchef nicht anders als den Paten Rossi im „Bozen-Krimi“ oder den Ministerialbeamten Thomas Eick in der Reihe „Die Diplomatin“. Die Kostüme wechseln – die Mimik bleibt.

Schade also um die gute Ausgangsidee. Aber es gibt zu viele Serien und Mehrteiler mit verwandter Thematik auf deutlich höherem Niveau. Die niederländische Produktion „Mevrouw de minister“ zum Beispiel, die schon 2002, also lange vor der dänischen Serie „Gefährliche Seilschaften“ („Borgen“), den Weg einer aufstrebenden Jungpolitikerin (Marie Heebink) durch die Institutionen und Hinterzimmer des politischen Betriebs, die Auswirkungen ihrer Arbeit auf das Privatleben, die Anpassungen, die Desillusionierung beschrieb. Siebzehn Jahre nach der britischen Urfassung von „House of Cards“, fünfzehn Jahre nach „Mevrouw de minister“, sieben Jahre nach „Borgen“ darf eine Serienerzählung über den Politbetrieb nicht mehr derart deutlich hinter den mittlerweile etablierten Qualitätsstandards zurückbleiben.

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Serie & Mehrteiler

ZDFneo

Mit Rosalie Thomass, Bernhard Schir, Thomas Sarbacher, Daniel Aichinger, Picco von Groote, Dörte Lyssewski, Anna Stieblich, Katharina Wackernagel

Kamera: Marco Uggiano Unterwasser-

Kamera: Andrés Lizana Prado

Szenenbild: Thomas Franz

Schnitt: Dagmar Lichius

Musik: Renè Dohmen

Redaktion: Martin R. Neumann

Produktionsfirma: Cologne Film

Drehbuch: Sven Nagel, Mika Kallwass

Regie: Sven Nagel

EA: 15.11.2017 21:45 Uhr | ZDFneo

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