Simmel zum Dritten. Nach „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ und „Gott schützt die Liebenden“ ist auch „Liebe ist nur ein Wort“ keine Offenbarung. Zwei Liebende aus der Luxusklasse, ein verwöhnter Student und ein fast 20 Jahre älteres sexy-Vögelchen im goldenen Käfig einer Repräsentations-Ehe, werden von ihrem kalten, korrupten Umfeld in die Arme getrieben. Was als Leidenschaft beginnt, scheint Liebe zu werden oder das, was Oliver Mansfeld & Verena Lord, was Johannes Mario Simmel & die Populärkultur dafür halten.
Das ist das große Problem dieses Films: die Liebe bleibt eine Behauptung, die weder narrativ noch sinnlich untermauert wird. Simmel war in Sachen Moral ein gutgläubiger und in punkto Ästhetik ein naiver Schriftsteller. Autor Christoph Silber & Regisseur Carlo Rola haben „Liebe ist nur ein Wort“ ganz im Geiste des vor einem verstorbenen Bestsellerautor umgesetzt. Sie gehen naiv davon aus, dass sich Liebe 1:1 abbilden lässt. Man schaut sich verliebt an, gesteht sich wortreich seine Liebe, man küsst sich, man schläft miteinander. Doch reicht das?
Erst nach 50 Minuten wird die heimliche Liebe in ein spannungsreiches Szenario gegossen. Bis dahin vergisst der Film vor lauter Kolportage-Rhetorik, pathologischen Nebenfiguren und unentschiedener Sixties-Ideologie seine Geschichte. Allein die Urlaubstage zu dritt auf der Yacht des reichen Ehemanns lösen emotional und dramaturgisch das ein, was man sich im Jahre 2010 von einem Unterhaltungsfilm verspricht. Leidenschaft ist das, was Leiden schafft: Trio Infernal auf hoher See. Nicht, dass jedes Melodram heute eine solche Spannungsspritze bräuchte. Gute Filmmelodramen erzählen die Liebe über Bilder und aus ihren Charakteren heraus. In diesem Sinne ist „Liebe ist nur ein Wort“ kein gutes Melodram. Und ob man aus der Vorlage eines machen könnte, ist fraglich. Da bliebe am Ende wohl wenig Simmel.
Foto: ZDF
Was Autor Silber immerhin gelungen ist: die Dialoge von den schlimmsten Kalendersprüchen Simmels frei zu halten. Auch Rola findet für das Simmel-Movie die ideale Oberflächenoptik zwischen dem Easy-Listening-Kino der Swinging Sixties und dem TV-Movie der Neuzeit. In dieses Bild passgenau eingefügt wirkt Nadeshda Brennicke. Ungebrochen präsentiert sie ein Frauenbild, das man nur noch selten sieht im frauenaffinen deutschen Fernsehfilm: das passive Ausstellungsstück, das Weibchen. Bereits nach fünf Minuten kommt ihr der Filmtitel über die viel versprechenden Lippen. Diese Frau ist Geschmackssache. Dagegen überzeugt Vinzenz Kiefer (auch seine Mick-Jagger-Mundpartie verspricht den Damen viel) als Westentaschenrebell – soweit man im Rahmen eines solchen Films eben überzeugen kann.
Streng genommen ist diese ganze Simmel-Collection ein einziges Missverständnis. Ästhetisch, dramaturgisch, aber auch weltanschaulich lässt sich dieser in Dichotomien denkende Autor nicht ins Jahr 2010 übersetzen. Vielleicht hat der Kritiker auch nur etwas falsch verstanden: die Simmel-Verfilmungen sollen offenbar nicht im Konzert des deutschen Qualitätsfilms mitspielen, sondern vor allem den internationalen Markt aufmischen. Mit der Marke „Simmel“ und dem ansehnlichen Production Value dürfte diese Rechnung tatsächlich aufgehen.