Kein guter Tag für Sonja Franke. Zuerst erwischt sie den Gatten in flagranti, dann rast sie mit überhöhter Geschwindigkeit durch eine Wohngegend, überfährt beinahe einen Polizisten – und schließlich gehen dabei auch noch die Flaschen ihrer gerade erstandenen Prädikatsweine zu Bruch. Wäre sie das HB-Männchen – die Münchner Weinhändlerin würde in die Luft gehen. Doch diese Frau weint nur kurz in ihr Taschentuch und steht schon wieder zum Einsatz bereit als Babysitter, Geschäftsfrau oder aber sie verteidigt sich selbst vor Gericht.
„Das Leben ist ein Karussell“, lautet ihre Devise. „Man kann entweder aufspringen und mitfahren oder ewig daneben sitzen und zuschauen.“ Sie hat sich für die lebendigere Alternative entschieden. Bei der Gerichtsverhandlung wegen ihres Verkehrsvergehens steht ihr mit Richter Alain Mayer ein Mann gegenüber, der offenbar in allen Lebenslagen auf Nummer sicher geht. Mit Sonja Frankes Worten heißt das: ihr gegenüber steht „ein kleiner, spießiger Paragraphenpobler“. Doch Paragraphenpobler können auch anders.
„Liebe hat Vorfahrt“ erzählt von Dingen, die tagtäglich passieren oder zumindest freitags im ARD-Unterhaltungsfilm. Die kleinen Widrigkeiten des Alltags, aber auch die prickelnden Überraschungen, die das Leben bereithalten kann. Banalitäten und Zufälle pflastern den Weg der beiden Helden, die selbstverständlich füreinander bestimmt sind. Das, was in anderen Degeto-Produktionen oft nur langweilt, die Einhaltung der altbekannten Genremuster, hier macht dieses Ritual mitunter sogar richtig Laune. Das Autorenduo Horst und Eva Kummeth mischen dem durchsichtigen Treiben reichlich Wortwitz & Situationskomik unter. Außerdem werden die Gegensätze zwischen den Helden weniger ausgewalzt als Degeto-üblich.
Foto: Degeto / Marco Orlando Pichler
So bekam der pedantische Richter auch liebenswert-charmante Züge ins Buch geschrieben. Der Film von Dietmar Klein versprüht in seinen besten Momenten einen Hauch von Screwball Comedy, zumal die aufreizende Lebendigkeit, mit der Suzanne von Borsody ihre Frau im Aufbruch spielt, ein bisschen an Katherine Hepburn erinnert, und auch Günther Maria Halmer den überkorrekten Gegenpart sehr einnehmend verkörpert. Die erste gemeinsame Nacht wider Willen wird denn auch komödiantisch glänzend gekrönt mit einem Zitat aus „Es geschah in einer Nacht“ von Frank Capra. Den Filmkomödienklassiker und „Liebe hat Vorfahrt“ trennen zwar Welten, aber dieser Wohlfühlfilm bemüht sich redlich. (Text-Stand: 25.2.2005)