Leo arbeitet seit 19 Jahren als Sachbearbeiter in einer Versicherung. Er ist ein Mitarbeiter, wie ihn die Chefs mögen. Nie krank, nie zu spät, zuverlässig und unauffällig. Er selbst scheint zufrieden mit seinem Leben, wäre da nicht diese Einsamkeit. Was ihm fehlt, wird ihm so richtig klar, als ihm eine neue Kollegin nicht mehr aus dem Sinn geht. Sie heißt Marie und lebt ähnlich zurückgezogen wie er. Da scheinen sich zwei gefunden zu haben. Von zwei Seelenverwandten auf dem Weg zu sich selbst und zueinander erzählt der märchenhaft emotionale Fernsehfilm „Leo und Marie – Eine Weihnachtsliebe“.
Die TV-Romanze von Rolf Schübel nach einem Drehbuch von Arndt Stüwe begnügt sich nicht nur mit dem herzerweichenden Privatleben seiner Helden. Es rumpelt mächtig im Gefüge der Versicherung, bei der beide arbeiten. Die ersten Entlassungen lassen das Klima vereisen. Die betriebliche Weihnachtsfeier wird für viele zu einer Art Abschiedsparty. Auch Leo könnte es treffen. Zwar hält sein Chef auf den lange Zeit „unsichtbaren“ Mitarbeiter mittlerweile große Stücke, doch der joviale Kollege Robert entpuppt sich als falscher Freund. Er bekommt heraus, dass Leo bei Versicherungskunden, die vom Leben und von Versicherungsparagraphen benachteiligt werden, gelegentlich Weihnachtsmann spielt.
„Wir leben in einem so genannten Kommunikationszeitalter, wir lassen die Welt zusammen schrumpfen, aber wissen nicht, was der Nachbar tut“, beschreibt Autor Stüwe den Rahmen seiner Geschichte. Er wollte Menschen zu Filmhelden machen, die wir – würden wir sie auf der Straße sehen – im nächsten Moment schon wieder vergessen hätten. Auch wenn Leo und Marie zutiefst schüchtern sind, so sind sie doch echte Helden, Figuren, denen man gerne folgt in ihre selbst gezimmerten Schutzräume. Die gelegentlichen Rührseligkeiten des Films gehören zum Genre, mit dem Kitsch von Pilcher & Co haben sie nichts gemein. Stüwe und Schübel nehmen ihre Figuren ernst, sie erzählen aus dem Kern ihrer Charaktere. Diese Wahrhaftigkeit ist es, die der Romantik einen geradezu philosophischen Stellenwert beimisst. Die Macher versäumen nicht, deutlich zu machen, dass „Leo und Marie“ eine TV-Utopie ist.
Der ZDF-Film steht und fällt mit seinen Schauspielern. Wotan Wilke Möhring und Bernadette Heerwagen sind zwei, die seit Jahren nicht zu übersehen sind. Möhring spielt häufig den Aufrechten, der sich durch eigenes Unvermögen ins soziale Abseits manövriert. „Noch nie zuvor musste ich mich beim Spielen dermaßen zurücknehmen“, sagt er. Sein eigenes Naturell konnte der Schauspieler wenig „anzapfen“, denn er sei eher „einer, der aufsteht und laut wird für seine Meinung, der eher zu viel als zu wenig Energie hat“. An seiner Seite bezaubert einmal mehr die zweifache Grimme-Preisträgerin Bernadette Heerwagen. „Eine Figur darzustellen, die sich selbst nicht darstellt“, sei die schwierigste Anforderung für sie gewesen. „Vom Zuschauer solle sie schließlich wahrgenommen und trotz ihrer Macken verstanden werden“, so Heerwagen. Bestens besetzt ist auch das boshafte „Gegenpaar“, das Marie und Leo das Glück nicht gönnt: Uwe Bohm ätzt schön fies als Ersatz-Stromberg und Suzan Anbeh sorgt in diesem wunderbaren Weihnachtsmärchen für einen Hauch Erotik. (Text-Stand: 2008)