Inga Lindström – Kochbuch der Liebe

Anna Hausburg, Sycholt, Ulli Baumann. Bestenfalls die „Herzkino“-Gebote erfüllt

Foto: ZDF / Ralf Wilschewski
Foto Tilmann P. Gangloff

Sie bietet einen Kochkurs an, er hat die falsche Freundin, und Liebe geht durch den Magen: Das ist im Grunde die ganze Geschichte der „Inga Lindström”-Romanze „Kochbuch der Liebe“. Die Handlung plätschert unaufgeregt vor sich hin, aber der Film hat zu bieten, was sich die Zielgruppe von den schwedischen Liebesgeschichten im ZDF erhofft: eine patente Hauptfigur, viel Sonne, noch mehr Meer und die üblichen bunten Bullerbü-Bilder. Mit Ausnahme von der jungen Hauptdarstellerin Anna Hauswald hinterlässt aus der ansonsten kaum bekannten Darsteller-Riege allerdings kaum jemand einen nachhaltigen Eindruck.

Es ist erfahrungsgemäß eher unergiebig, den in der Regel seichten „Herzkino“-Geschichten mit Ironie oder Sarkasmus zu begegnen; auch wenn das Romanzenthema „Liebe geht durch den Magen“ an mangelnder Originalität kaum noch zu unterbieten ist. Aber selbst solche Geschichten können ja zumindest überraschend erzählt und sympathisch besetzt sein. Mit Hauptdarstellerin Anna Hausburg hat die „Inga Lindström“-Episode „Kochbuch der Liebe“, die diesmal nicht von Lindström-Alias Christiane Sadlo, sondern von Stefanie Sycholt stammt, zumindest einen echten Einschaltimpuls zu bieten, wie das in der Fernsehsprache heißt. Die Schauspielerin ist 2006 als 15-Jährige durch Dieter Wedels mehrteiliges Scheidungsdrama „Papa und Mama“ bekannt geworden. Seither hat sie mit Ausnahme von „Mein alter Freund Fritz“ (ebenfalls von Wedel) zwar überwiegend in eher leichten Filmen wie „16 über Nacht“ oder „Zurück zum Glück“ mitgewirkt, aber dabei war sie eigentlich immer sehenswert.

In „Kochbuch der Liebe“ spielt Hausburg die junge Jule, die mit ihrer Birthe (Maria Bachmann) eine Kochschule betreibt und dank eines Kochblogs überregionale Bekanntheit genießt. Ihr Freund Ole (Sebastian Kaufmane) lebt in New York; die Fernbeziehung findet per Skype statt. Als sie eines Tages einen Kochkurs „Liebe geht durch den Magen“ anbietet, nehmen auch Bille (Christian Martin Schäfer) und seine Freundin Hanna (Anna von Haebler) teil. Die beiden wollen bald heiraten, aber Bille ist sich angesichts von Jules natürlicher Herzlichkeit plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob dieser Schritt der richtige ist; und als überraschend Ole auftaucht, stellt Jule fest, dass sie sich per Video näher waren als in natura.

Soundtrack: Imagine Dragons („On Top Of The World“), Rea Garvey („Walk With Me“), Lions Head („When I Wake Up”), The 4 Of Us („Gospel Choir”)

Inga Lindström – Kochbuch der LiebeFoto: ZDF / Ralf Wilschewski
Immer umtriebig: die Koch-Bloggerin Jule (Anna Hausburg) nach einem Interview in „Inga Lindström – Kochbuch der Liebe“

Regie führte der für Comedy-Erfolge wie „Nikola“ oder „Ritas Welt“ mit diversen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnete Ulli Baumann. Er hat gerade bei „Inga Lindström“ schon einige Male bewiesen, dass auch erwartbare Filmstoffe unterhaltsam sein können, wenn sie kurzweilig erzählt und mit Hingabe gespielt sind (etwa „Liebesreigen in Samlund“ oder „Alle lieben Elin“). Bei „Kochbuch der Liebe“ funktioniert das nicht: Der Geschichte fehlen die Überraschungsmomente, der Inszenierung Tempo und innere Spannung und den meisten Schauspielern das gewisse Etwas. Anna Hausburg ist erfrischend, aber gerade beim Zusammenspiel mit Maria Bachmann bleibt das Konfliktpotenzial ungenutzt: Jules Mutter Birthe hat hinter dem Rücken der Tochter eine Vereinbarung mit einem TV-Koch getroffen, der die junge Köchin unbedingt als Assistentin für seine Show engagieren will; dabei hat sich Jule erfolgreich bei einem Restaurant in New York beworben und will demnächst zu Ole ziehen. Trotzdem lässt Birthe nichts unversucht, um die Pläne ihrer Tochter zu durchkreuzen.

Ungleich überzeugender sind die Szenen mit Jule und Bille, auch wenn Christian Martin Schäfer den jungen Mann ruhig ein wenig draufgängerischer und charismatischer hätte interpretieren können. In dieser Hinsicht macht Christina Petersen (bislang vor allem als Friseurin in der Sat-1-Serie „Frauenherzen“ aufgefallen) als Jules korpulente Schwester Lotte, die einfach kein Glück mit den Männern hat, eindeutig mehr aus ihrer Rolle. Lotte ist Schornsteinfegerin, und auch sonst zeigt Autorin Sycholt ein Herz für Berufe, die im Sonntagsfilm des ZDF eher selten vorkommen: Einer der Teilnehmer von Jules Kochkurs ist ein kerniger Schweißer (Jonas Minthe), der Gefallen an Lotte findet. Ein anderer ist Klempner, eine Tätigkeit, bei der man nicht sofort an Felix von Manteuffel denken würde. Trotzdem passt er zu der Rolle, denn Jasper, der in seinem Leben noch nie gekocht hat, möchte seine Frau, eine Köchin, zum Hochzeitstag mit einem eigenhändig zubereiteten Menü überraschen. Noch schöner ist nur die Geschichte von Sören, dem der erfahrene Frank Vockroth mit wenigen Auftritten deutlich mehr Präsenz verleiht als die jungen Kollegen, die die Liebhaber verkörpern: Sören besitzt einen riesigen Garten. Jules Vater hat ihn gestaltet, bevor er Schweden verließ. Jule fühlt sich ihm dort sehr nahe und schleicht sich deshalb regelmäßig auf das Grundstück, nicht ahnend, dass es sich bei dem Mann, den sie für den sympathischen Gärtner hält, um den vermeintlich schnöseligen Besitzer des Anwesens handelt.

Diese Seitenarme des ähnlich wie die Musik unaufgeregt vor sich hin plätschernden Handlungsflusses sind beinahe interessanter als die eigentliche Erzählung: weil wie so oft im „Herzkino“ schon vom ersten Moment an klar ist, dass der warmherzige Bille und die kontrollfreudige kühle Hanna, die aus der Hochzeit einen „Event“ machen will, überhaupt nicht zueinander passen. Bei Jule und Ole ist das zwar nicht so klar, aber Ole ist Anwalt, und Mitglieder dieses Berufsstandes sind in den Sonntagsfilmen ohnehin potenzielle Antagonisten. Auch sonst gehorcht „Kochbuch der Liebe“ den Gepflogenheiten des Sendeplatzes: Es gibt viel Sonne, noch mehr Meer sowie die „Lindström“-typischen bunten Bullerbü-Bilder einer schwedischen Dorfidylle; und am Schluss fügen sich auch die verschiedenen Erzählstränge wie durch ein Wunder perfekt zusammen. Gegen Ende zeigt Innenarchitekt Bille Jule sein jüngstes Projekt, eine ehemalige Werft, die in eine Wohn- und Kaufmeile umgebaut werden soll. Angesichts der Räume für ein geplantes Restaurant kommt Jule umgehend ins Schwärmen, aber ein eigenes Lokal traut sie sich noch nicht zu. „Manche Träume warten nicht“, sagt Bille, und somit kommt neben „Folge deinem Herzen“ auch das zweite Gebot der „Herzkino“-Filme zum Tragen: „Lebe deinen Traum“. (Text-Stand: 14.4.2017)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Anna Hausburg, Christian Martin Schäfer, Maria Bachmann, Anna von Haebler, Sebastian Kaufmane, Felix von Manteuffel, Ingrid Mülleder, Christina Petersen, Jonas Minthe, Frank Vockroth

Kamera: Francisco Dominguez

Szenenbild: Dieter Bächle

Schnitt: Manuela Kempf

Musik: Christoph Zirngibl

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Stefanie Sycholt

Regie: Ulli Baumann

Quote: 4,46 Mio. Zuschauer (13% MA); Wh. (2020): 3,75 Mio. (12,3% MA)

EA: 14.05.2017 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach