Baba ist (sprach)behindert und leidet an einer extremen Form der Amnesie – aber er spürt, was Liebe ist. Bei der Neuropsychologin Julie ist das anders. Sie scheint mit beiden Beinen im Leben zu stehen, doch auf die Liebe kann sie sich nicht einlassen. Ihr Kopf steht ihr im Weg. “Himmelreich auf Erden” erzählt von zwei Menschen auf ihrem Weg ins Leben. Es ist ein langwieriger Prozess. “Die Zeit als heilendes, zerstörendes, veränderndes Prinzip, ja als der eigentliche Protagonist”, darin sieht Drehbuchautor Günter Schütter (“Der Skorpion”) das Besondere des Films. Regisseur Thorsten C. Fischer hat ihn einfallsreich zwischen Tragik und Heiterkeit, zwischen Heimatkomödie und Liebesmelodram in Szene gesetzt.
Der durch einen Autounfall gehirngeschädigte Baba hat sich rettungslos in seine Therapeutin Julie verliebt. Mit dem Prozess der Heilung wird ihm die Unerfüllbarkeit seiner Liebe zunehmend deutlicher. Dennoch hält der Bauernjunge weiterhin an seiner Liebe fest. Und je mehr Julie Babas Zuneigung zu spüren bekommt, umso klarer wird es ihr, dass auch sie die wahre Erfüllung noch nicht gefunden hat und dass in ihrem Liebesleben etwas nicht stimmt. Sie lebt mit einem frischgebackenen Doktor der Rechtswissenschaften (Möhring) zusammen, unterhält aber zudem eine Beziehung zu einem wesentlich älteren Bohemian-Fotografen (Halmer). Mehr und mehr verzweifelt die junge Frau an ihrer kraftlosen Sicherheits-Liebe.
Christiane Paul überzeugt als Julie. Sie gibt dem Zuschauer leise, nach und nach Einblick in die Seelenlage ihrer Protagonistin. “Sie hat Angst, sich in der Liebe zu verlieren. Denn sie weiß, wie viel sie zu empfinden in der Lage ist”, charakterisiert Paul ihre Figur. “Julie hat Angst, enttäuscht zu werden.” Und so nimmt sie sich lieber zwei halbe Partner als einen ganz. “Sie ist bemüht, sich nie zu entscheiden, weil sie hofft, so möglichst viel behalten zu können”, sagt Regisseur Thorsten C. Fischer. Julie gibt ihrem Patienten die Sprache wieder, und Baba, großartig gespielt vom 20-jährigen Frederic Welter, öffnet ihr die Augen und das Herz. Und so ist “Himmelreich auf Erden” ein Film über die Sehnsucht geworden.
Außergewöhnlich ist an diesem ZDF-Fernsehfilm nicht nur das ebenso dichte wie vielschichtige Drehbuch von Günter Schütter, das nichts mit einem Behinderten-Rührstück zu tun hat, sondern vor allem auch die Originalität in der Inszenierung. “Eine Reise durch verschiedenste Phantasiewelten, ein große Genrewanderung”, so nennt es Fischer selbst. So wie seine Protagonisten das Leben und die Liebe neu erfahren, so erfindet der deutsche Filmpreisgewinner fast ein wenig auch den Fernsehfilm-Stil neu. Er überrascht mit skurrilen Angstvisionen des behinderten Helden. Da erwacht kurzzeitig das “Dritte Reich” oder da wird der Voyeur Baba halbnackt von einer Sexbombe über die Felder gejagt. Und wenig später bricht das Melodramatische über die Helden herein. Dann fließen Tränen bei Christiane Paul und Anflüge von Glücksmomenten spiegeln sich auf dem Gesicht von Frederic Welter. Dem Zuschauer bleibt da nichts anderes übrig, als tief bewegt zu sein. (Text-Stand: 2002)