Dank eines deutsch-spanischen Austauschprogramms hat Sophie Maibach (Anke Retzlaff) das Glück, vorübergehend bei der Policia National auf Teneriffa ihren Dienst tun zu dürfen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Álvaro Krupp-Casado (Félix Herzog) sollen sie Fälle bearbeiten, in die deutsche Touristen oder Inselbewohner verwickelt sind. Kapitalverbrechen warten nicht auf sie. Ohnehin sind die beiden nur Streifenpolizisten, obwohl sie ihre Kompetenzen regelmäßig überschreiten – und deshalb mit ihrem Vorgesetzen Enzo Domingo-Juarez (Oscar Ortega Sánchez) immer wieder aneinandergeraten; allerdings ohne Konsequenzen, schließlich ist Enzo Álvaros Onkel. Für Sophie gibt es bald noch mehr Familienanschluss, denn Álvaro quartiert sie in der traumhaften Finca seiner Tante Anna (Aglaia Szyszkowitz) ein, in der auch deren Tochter Toni (Laia Àlvarez) und Enkelin Lucia (Selena Reyes) wohnen. Andere Menschen tun der psychisch angeschlagenen Sophie einerseits gut, andererseits möchte sie sich aber auf keinen Fall von ihrem Plan abbringen lassen: Sie will die Hintergründe eines Unfalls mit Fahrerflucht aufdecken, bei dem ihr Vater (Michael Roll), ihr Ein und Alles, ums Leben kam. Die Akten sind längst geschlossen, aber Sophie glaubt in dieser Sache an ein Fehlurteil. Hat ihre unverblümte Art, wie sie Beachbar-Betreiberin Caro (Lana Cooper) anflirtet, etwas mit ihrer Mission in eigener Sache zu tun?
Wird nun also auch der Freitagabend vom Krimi unterwandert? Nicht ganz. Die neue Reihe der ARD heißt ja auch nicht „Der Teneriffa-Krimi“, sondern sie trägt den Titel „Für immer Sommer“; das klingt deutlich schon eher nach dem „Endlich Freitag“-Label der Degeto. Genau genommen ist die Reihe, von der bereits eine weitere Episode abgedreht wurde, ein Mix aus leicht-luftigem Drama und Vorabendkrimi mit Wohlfühlmomenten – im Resultat: eher deutscher Unterhaltungs-Einheitsbrei als schmackhafte TV-Paella. So geht es im ersten der beiden Fälle in „Ein neues Leben“ um eine Frau (Eva-Maria Grein von Friedl), der nach einer Amnesie wieder einfällt, dass ihr Verlobter (Leander Vyvey) sie töten wollte. Durch den zweiten Fall wird Sophie schmerzlich an den Unfall mit Fahrerflucht ihres Vaters erinnert – und überreagiert entsprechend. In „Enthüllungen“, dem zweiten Film, ist es ihr spanischer Kollege, der einen Fall zu persönlich nimmt: Eine Dreizehnjährige ist verschwunden; wenn man sich die geschiedenen Eltern (Stefanie Stappenbeck, Luca Zamperoni) des Mädchens anguckt, weiß man, warum. Etwas Metoo darf auch nicht fehlen, obgleich die Vergiftung in einem Sterne-Restaurant erst einmal in eine andere Richtung führt. Allen vier künstlich etwas hochgejazzten Fällen, die auf mehr oder weniger kriminelle Beziehungskonflikte hinauslaufen, ist gemeinsam, dass fast immer die junge Deutsche den richtigen Riecher hat und gelegentlich ihr familientherapeutisches Talent beweisen darf.
Interessanter als die Allerweltsfälle sind die privaten Ermittlungen, die sich über beide Episoden erstrecken, insbesondere, weil man nie genau weiß, was in dem Kopf der Polizistin vor sich geht. Vertraut man auf den Satz „Bilder lügen nicht“, dann scheint Sophie zwischenzeitlich nicht nur ein professionelles Interesse an Caro zu haben, die Lana Cooper Hitchcock-like „außen Eis, innen heiß“ verkörpert. Dass diese Szenen zu den intensivsten der beiden Filme gehören, dürfte neben den Rollen, die zumindest Spurenelemente von Geheimnis besitzen, auch an den beiden Darstellerinnen liegen: Cooper wirkt cool und enigmatisch zugleich, während Anke Retzlaffs Spiel in jede Richtung offenbleibt. Ohne sie wären die 180 Minuten vermutlich schwer zu ertragen. Denn während Félix Herzog für seine Álvaro mit drei Gesichtsausdrücken auskommt, ist sowohl die emotionale Bandbreite der Figur Sophie als auch die von Retzlaff sehr viel größer. Das konnte sie bereits in der Donnerstagskrimi-Reihe „Über die Grenze“ eindrucksvoll unter Beweis stellen; klein die Rolle, aber nicht weniger in Erinnerung geblieben sind ihre Auftritte als drogenabhängige Frau von Jan Pawlak im Dortmunder „Tatort“. Dass das Drama ihr Rollenfach ist und nicht das Degeto-Zeitvertreibs-TV zeigt sich auch in den Szenen, in denen sie mit Michael Roll als ihrem verstorbenen Vater zusammenspielt. Diese Szenen sind die berührendsten, und sie sind wichtig als Blick in die Psyche der Hauptfigur, um ihr Verhalten, den kriminalistischen Alleingang, zu motivieren.
Was das Autorinnen-Duo Aline Ruiz Fernandez und Christine Heinlein unter Psychologie verstehen, entspricht den Genre-Konventionen und dringt nicht sonderlich tief in die Charaktere ein. Ruiz Fernandez hat eine ganze Reihe „Inga Lindström“-Episoden geschrieben, ist also erfahren im Familien- und Feelgood-Movie-Bereich; Heinlein hat für Serien wie „Doktor Ballouz“, „Mord mit Aussicht“ und „Legal Affairs“ gearbeitet, könnte also eher den Krimi bedienen. So haben sich das wahrscheinlich die Verantwortlichen gedacht. Gleiches gilt für die Ingredienzien dieser für den ARD-Freitag ungewöhnlichen Mixtur: Da gibt es ein bisschen Buddy-Geplänkel und Fälle, in denen sich die Hauptfiguren wohlfeil spiegeln; geöffnet werden die bewährten Schubladen, was die Fall-Thematiken und das deutsch-spanische Verhältnis angeht, natürlich muss ein Versprechen auf eine neue Liebe gegeben werden, Familie darf nicht fehlen und dass der Chef ein bisschen trottelig ist, das kommt ja auch immer gut. Und mit Popmusik geht sowieso alles besser. Dass Michael Rowitz, der im Übrigen auch bei der besagten filmisch hochwertigen Retzlaff-Reihe „Über die Grenze“ Regie führte, und Kameramann Roman Nowocien weitgehend auf Drohnenflüge à la ZDF-„Herzkino“ verzichtet haben, erfreut zunächst, ähnlich wie der realistische Umgang mit den Sprachen. Doch weshalb immer wieder diese unvermittelten Großeinstellungen? Warum diese uninspirierten Autofahrten, bei denen die Köpfe die Landschaft verstellen? Weshalb diese Stakkato-Montagen Marke „Miami Vice“, die jede südländische Atmosphäre killen? Wenn man schon auf Teneriffa dreht, sollte sich davon auch etwas vermitteln.