Fluch des Falken – Staffel 1

Kika geht mit Mystery in Serie und versucht sich an einer Art „’Lost’ für Kinder“

Foto: BR / Kika
Foto Tilmann P. Gangloff

Drei Schülerinnen und drei Schüler mussten vorzeitig von einer Klassenfahrt abreisen und sind nun im Bus auf dem Heimweg. Als der Fahrer ankündigt, eine Abkürzung zu nehmen, ahnt man nichts Gutes. Ein Fluch liegt auf dem Wald, in den es die Kinder verschlägt; sie stecken fest in den 1950er Jahren… Wie in allen Heldenreisen geht es auch in „Fluch des Falken“ darum, angesichts unheimlicher Bedrohungen über sich hinaus zu wachsen oder die Gefahren durch Solidarität zu meistern. Zielgruppengerechte Serie. Die Kinderdarsteller von unterschiedlicher Qualität. Kleine dramaturgische Mängel, Tendenz aber positiv!

Produzenten von Kinderfernsehen stehen immer wieder vor einem Problem, das sie dem Jugendarbeitsschutzgesetz verdanken: Kinder dürfen nur eine begrenzte Zeit am Set verbringen. Wer nicht das Glück hat, mit Zwillingen arbeiten zu können, muss nach kreativen Lösungen suchen. Der BR und die Produktionsfirma Tresor hatten für die Serie „Fluch des Falken“ eine besonders clevere Idee: Sie ließen die Rollen der Jugendlichen, die in einem mysteriösen Wald stranden, von Älteren spielen. Die Jungs sind um die 17, die Mädchen zum Teil sogar deutlich über 20. Auf diese Weise hat man zwar die gesetzlichen Bestimmungen ausgehebelt, doch dafür gibt es ein großes Gefälle bei den darstellerischen Leistungen.

Mädchen sind ja spätestens in der Pubertät ohnehin meist weiter als gleichaltrige Jungs, und das keineswegs bloß in körperlicher Hinsicht; auch ihre Texte klingen glaubwürdiger. Die drei Hauptdarstellerinnen passen optisch zwar ausgezeichnet zum Alter ihrer weitaus jüngeren Figuren, aber schauspielerisch wirken ihre Darbietungen ungleich ausgereifter. Aus Sicht der weitaus jüngeren Kika-Zuschauer wird das vermutlich keine Rolle spielen, sie beurteilen Serienpersonal in der Regel nach ganz anderen Gesichtspunkten. Da geht es viel stärker um Identifikation, Auftreten, Kleidung; und um die Position innerhalb der Gruppe. In erster Linie aber muss die Geschichte fesseln, und die ist durchaus interessant: Drei Schülerinnen und drei Schüler mussten vorzeitig von einer Klassenfahrt abreisen und sind nun im Bus auf dem Heimweg. Als der Fahrer ankündigt, eine Abkürzung zu nehmen, ahnt man schon, was passieren wird. Filme, in denen Menschen buchstäblich vom rechten Weg abkommen, bilden längst ein eigenes Genre, dessen Spektrum von Klassikern wie „Herr der Fliegen“ oder „Beim Sterben ist jeder der Erste“ bis zu diversen unappetitlichen „Splatter-Movies“ jüngerer Jahre reicht. Wie in allen Heldenreisen geht es letztlich darum, angesichts unheimlicher Bedrohungen über sich hinauszuwachsen oder die Gefahren durch Solidarität zu meistern.

Der Reiz der BR-Serie liegt darin, dass das Unheil eher metaphysischer Natur ist. Nach dem Verschwinden des seltsamen Busfahrers stellen die Jugendlichen fest, dass sie den Wald nicht verlassen können; es ist, als ob sie im Kreis liefen. Als sie im Radio immer wieder die gleichen Nachrichten hören, dämmert ihnen, dass die Zeit nicht vergeht. Sie erleben zwar nicht (wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“) immer wieder denselben Tag, aber daheim wird sie niemand vermissen. Tiefer im Wald entdecken sie eine Herberge, in der die Zeit schon länger stehengeblieben ist. Viele Folgen später werden sie herausfinden, dass ein Fluch auf dem Wald liegt. Die Menschen, die hier leben, stecken in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts fest. Den Teenagern wird klar: Sie kommen nur nach Hause, wenn sie das Rätsel des Fluchs lösen.

Die Parallelen zum Welthit „Lost“ sind nicht zu übersehen und keineswegs Zufall; „Fluch des Falken“ ist als „’Lost’ für Kinder“ konzipiert. Deshalb führt jede Antwort zu immer neuen Fragen, die längst nicht alle beantwortet werden. Das gilt auch für den Schluss: Nach Folge 64 bleiben noch genug Rätsel übrig, um problemlos eine zweite Staffel anschließen zu können (die tatsächlich 2012 folgte – und 2014 gab es sogar noch eine dritte Staffel). Damit ist durchaus zu rechnen, denn die Resonanz hat sich ganz ordentlich entwickelt. Die Platzierung zur Mittagszeit ist jedoch einigermaßen unsinnig, selbst wenn der Kika-Altersschnitt zu dieser Zeit wächst, weil viele Kinder aus der Schule kommen. Die Serie richtet sich eindeutig eher an ältere und wäre nach 20 Uhr viel besser aufgehoben, zumal es sich ungleich wohliger gruselt, wenn’s draußen dunkel ist. Für diese Uhrzeit waren die Abenteuer ursprünglich wohl auch geplant. Die tägliche 13-Minuten-Dosis wirkt ohnehin ziemlich homöopathisch. Am Wochenende wiederholt der Kika die Episoden in konfektionierter Form, also als 25-Minuten-Folge ohne Unterbrechung.  Die Serie startete jenseits der 10-Prozent-Marke, hat sich im guten zweistelligen Bereich etabliert und liegt gerade in der eigentlichen Zielgruppe dieser Geschichte, Kindern zwischen 10 und 13 Jahren, deutlich über dem Senderschnitt.

Allerdings haben die einzelnen Folgen trotz ihrer Kürze immer wieder gewisse Längen. Auch dramaturgisch tritt die Handlung oft auf der Stelle. Aber das hat dem globalen Erfolg von „Lost“ auch keinen Abbruch getan. Einige Einfälle sind etwas albern (einer der Jungs pflegt mit seiner Hand zu sprechen), und der selbsternannte Anführer (Til Schindler) hat gerade bei Dialogen unüberhörbare Schwächen. Die weiblichen Figuren wirkten zunächst etwas klischeehaft (das Püppchen, die Außenseiterin), aber das hat sich gegeben. Gerade für die jungen Schauspielerinnen (vor allem für Juliane Kotzur) müsste sich „Fluch des Falken“ als Karrieresprungbrett erweisen. (Text-Stand: 2011)

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BR

Mit Juliane Kotzur, Isabella Wolf, Til Schindler, Miriam Thurau, Klaus Steinbacher, Lukas Amberger, Annika Preil, Petra Welteroth, Benjamin Holtschke,Tommi Piper,

Kamera: Uwe Neumeister

Szenenbild: Simon Rees

Produktionsfirma: Tresor TV

Headautor*in: Andreas Bütow, Kristian Wolff

Drehbuch: Andreas Bütow, Kristian Wolff

Regie: Wolfram von Bremen, Kirim Schiller, David Voss

EA: 04.11.2011 19:25 Uhr | Kika

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