Ellerbeck

Stratmann, Lentrodt, Nägele. Kommunalpolitik als Gegenstand politischer Satire

Foto: ZDF / Frank Dicks
Foto Harald Keller

„Ellerbeck“ ist eine Kleinstadt an der Ems. Hier werden die politischen Posten traditionsgemäß vererbt. Bis die Kindergarten-Leiterin Sabine Ebert, gespielt von Cordula Stratmann, als Folge einer Kette von Zufällen als Gegenkandidatin des amtierenden Bürgermeisters antritt. Von Anfang an dabei ist ein Kamerateam, das die Vorgänge dokumentiert. Eine Sitcom im Mockumentary-Stil mit gelungenen Dialogen und feinen Details, allerdings (nach Maßgabe der Auftaktfolge) auch kleine Schwächen – ausgerechnet bei der Besetzung der Hauptrolle.

Wiesen, Felder, Stromtrasse. Im Vordergrund ein Schild: „Hier baut Globo Fleisch einen Produktionsstandort.“ Der Bürgermeister, der Bauherr und andere Beteiligte haben sich zum Spatenstich versammelt. Eine so salbungsvolle wie nichtssagende Rede wird gehalten. Der Feuerwehrchor stimmt ein Liedchen an. Doch die feierliche Veranstaltung wird gestört. Eine kleine, aber rege Bürgerinitiative hat sich vorgenommen, den Bau der „größten Schweinemast-Anlage Europas“ zu verhindern. Die Aktivisten tragen Tiermasken und Protestschilder mit kraus formulierten Sätzen wie „Mast Not Be!“ Und sie haben ein Kamerateam im Schlepptau, das an einer Reportage über das an der Ems gelegene Städtchen Ellerbeck arbeitet. Denn in Ellerbeck „kocht das Leben“, wenn man Bürgermeister Ten Hensen glauben darf.

Der Kampf gegen die Mastanlage jedenfalls sorgt für Turbulenzen, auch im kommunalen Wahlkampf. Die Bürgerinitiative will als Freie Liste gegen das politische Establishment antreten und hat mit der Unternehmensberaterin Yvonne (Inka Friedrich) auch eine gewandte und schlagfertige Kandidatin aufgestellt. Aber dann gewahrt Yvonne, dass sie schwanger ist und die Aufgabe nicht wahrnehmen kann. Eine Nachrückerin muss her – die Erzieherin Sabine Ebert (Cordula Stratmann), die sich anfangs sträubt, dann aber aus Wut über einen arroganten Auftritt des Amtsinhabers einwilligt. Nur ist Ebert weit weniger eloquent als Yvonne und hat auch nicht immer alle Fakten auf Anhieb parat. Bei einer öffentlichen Debatte droht sie gegenüber Bürgermeister Alexander Ten Hensen den Kürzeren zu ziehen. Bis ein kleiner Junge aus ihrer Kindergartengruppe losheult, weil er Sabine nicht an die Politik verlieren möchte. Nun ist Sabine in ihrem Element, erklärt dem Dreikäsehoch herzlich und kindgerecht, warum bürgerliche Mitwirkung nötig ist, wenn eine Demokratie funktionieren soll. Damit erntet sie die Sympathie vor allem der Eltern im Saal. Als dann auch noch der Bürgermeister ruppig dazwischengeht und das Kind beschimpft, hat er verloren. Am Tag der Wahl verkündet TV Ems die Sensation: Sabine wird die neue Bürgermeisterin von Ellerbeck.

EllerbeckFoto: ZDF / Frank Dicks
Muss noch reinwachsen in ihre Rolle. Ebert besucht Ellerbecks älteste Bürgerin. Cordula Stratmann, Kai Lentrodt, Dorothea Walda

Die Sitcom „Ellerbeck“ ist eine Mockumentary nach dem Muster von „The Office“ (in Deutschland adaptiert als „Stromberg“) und „Parks and Recreation“. Immer wieder mal wenden sich die Protagonisten an die Kamera, erklären sich und ihr Tun, wobei ihnen, weil im Umgang mit Medien ungeübt, mancher Fauxpas unterläuft. Mit solchen Peinlichkeiten ließen sich allzu leicht Lacher erzielen; die Autoren Dietmar Jakobs und Lars Albaum, die für die Auftaktfolge verantwortlich zeichnen, zeigen in dieser Hinsicht jedoch Fingerspitzengefühl. Die meisten Figuren agieren und sprechen natürlich; aus dieser volksmundlichen Rhetorik bezieht die Sitcom ihren Humor. Manche Sprüche haben gar die Chance, in den allgemeinen Sprachschatz einzugehen, so Klaus Sackstechers (Kai Lentrodt) Postulat: „Du kannst in einem Reihenhaus wohnen, aber du musst aufpassen, dass das Reihenhaus nicht in dir wohnt.“ (Eine Anspielung auf die US-amerikanische Redensart „Live in the ghetto, but don’t let the ghetto live in you“.). Nicht minder fein fällt Yvonnes Analyse der politischen Verhältnisse in Ellerbeck aus, die sich passgenau auf andere ländliche Regionen übertragen lässt: „Hier im Emsland ist die Regierung wie Syphilis: Die wird durch Geschlechtsverkehr übertragen.“

Witz entsteht ferner auf visueller Ebene, oft durch präzise Beobachtungen (wer auf dem Tablet oder gar Smartphone guckt, ist bei kleineren Details natürlich im Nachteil). Beim Spatenstich tragen die Katastrophenexperten von der Feuerwehr ihre Mützen unter dem Arm, die Notabeln aber gelbe Schutzhelme auf dem Kopf – obwohl weit und breit nichts zu sehen ist, was ihnen auf den Kopf fallen könnte. Ein intelligenter Kommentar zu derartigen Ritualen mit ihren oftmals sinnfreien Gesten. Im ZDF wird „Ellerbeck“ in der Sommerpause der „heute-show“ auf deren Sendeplatz ausgestrahlt. Die Fortsetzung der Satire mit anderen Mitteln – programmplanerisch eine durchaus sinnvolle Entscheidung.

Sehr zugutekommt der Produktion, dass vorrangig an Außenschauplätzen gedreht wurde. Auch wenn diese in Nordrhein-Westfalen lagen – Landschaft und Architektur des Emslands, die Einfamilienhäuser, das typische Rathaus, wurden bestens getroffen. Überzogen wirkt allein die Tollpatschigkeit der Hauptprotagonistin Sabine Ebert. Cordula Stratmanns schauspielerische Fähigkeiten beschränken sich auf den aus ihren Bühnenprogrammen bekannten Typus der kulleräugig staunenden, das Weltgeschehen naiv-bodenständig kommentierenden Zeitgenossin. Hier heißt diese Gestalt Sabine Ebert und sieht sich natürlich Situationen ausgesetzt, die sie überfordern. Ob das Konzept mit dieser Figur und Stratmann als Hauptdarstellerin über alle sechs Episoden hinweg funktionieren wird, lässt sich noch nicht beurteilen. Das ZDF stellte nur die Auftaktfolge zur Verfügung. Ein schlechtes Omen?

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Mit Cordula Stratmann, Kai Lentrodt, Markus John, Inka Friedrich, Oliver Nägele, Julia Schmitt

Kamera: Alex J. Moll (Pilot), Tom Holzhauser

Schnitt: Steffen Wimmers

Musik: Andreas Grimm

Produktionsfirma: Prime Production

Drehbuch: Dietmar Jakobs , Lars Albaum, Markus Barth, Morten Kühne, Oliver Welke

Regie: Marcus Weiler, Erik Haffner

EA: 16.07.2015 22:15 Uhr | ZDFneo

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