Ein Sommer in Barcelona

Sinja Dieks, Sabine Postel, Urban, Regel. Die Zwischentöne machen die Musik

Foto: ZDF / Lucia Faraig
Foto Rainer Tittelbach

„Ein Sommer in Barcelona“ macht dem ZDF-„Herzkino“ alle Ehre. Der Film findet schnell zu einer stimmigen Tonart und auch Zeitgeschichte und politische Herkunft nutzt Autor Jens Urban als (sozial)psychologisches Unterfutter für seine Geschichte. Das Schönwetter-Movie bleibt leichte Unterhaltung, aber die Macher tappen nicht in die übliche Herz-Schmerz-Genrefalle. Die ernsthaften Gespräche, den romantisch-südländischen Flair und die komödiantischen Zwischenspiele nimmt man dem Film gleichermaßen ab. Die Besetzung ist stimmig und sehr attraktiv: Die Zielgruppe kann sich gleich an zwei Beaux satt sehen.

Liebe, Luxus & ein Bankgeheimnis
Was tut man nicht alles für eine intakte Familie?! Lisa, die mit Vater, wechselnden Müttern und ihrer Großmutter aufgewachsen ist, würde sich nachträglich taufen lassen, um ihrem Emilio – wie es sich in Spanien gehört – bei einer großen katholischen Hochzeit das Ja-Wort zu geben. Oma Ingeborg kommt gerade noch rechtzeitig, um die Taufe fürs Erste zu verhindern, muss bald aber erkennen, dass ihre Enkelin alt genug ist, um zu entscheiden, was gut und richtig für sie ist. Aus vier Wochen Barcelona ist mittlerweile ein Jahr geworden und nun will Lisa für immer in Spanien bleiben. Emilios Eltern bestehen darauf, dass die eigenwillige Großmutter bis zur nachgeholten Taufe ihr Gast ist. Diese lässt sich den Luxus im Hause der Alvarados für ein paar Tage durchaus gefallen, doch Lisas Einheirat in den spanischen Bank-Adel ist für die Alt-68erin mehr als ein rotes Tuch und als sie merkt, dass diese Bilderbuchfamilie politisch nicht sauber ist und die Brautmutter sie nur eingeladen hat, um sie besser zu kontrollieren, wird sie zum Stier. Auch Lisa lässt sich etwas verunsichern, als sie erfährt, wie die Bank ihres Liebsten kleine Leute in den Ruin getrieben haben soll.

Ein Sommer in BarcelonaFoto: ZDF / Lucia Faraig
… und dann kommt Pablo (Alejandro Munoz), der Cousin des Bräutigams, ins Spiel. „Der ist ja nun wirklich süß“, sagt die Großmutter. Stellt sie damit neue Weichen?

Großmutter hört und sieht die Signale
Auch „Ein Sommer in Barcelona“ macht der mit Abstand besten „Herzkino“-Reihe im ZDF alle Ehre. Der Plot wirkt zwar etwas ausgedacht, hinzu kommt die albern geratene Last-Minute-Anreise der Großmutter und ihre gespielte Ohnmacht zu Beginn – was zwar komödiantisch gemeint, aber zu wenig komödiantisch inszeniert ist. Danach aber findet der sehr flüssig erzählte und luftig inszenierte Film von Dirk Regel („Mein Nachbar, sein Dackel & ich“) nach dem ebenso thematisch mehrschichtigen wie gut strukturierten Drehbuch von Jens Urban („Wir tun es für Geld“) sehr schnell zu einer stimmigen Tonlage: Die ernsthaften Gespräche, den romantisch-südländischen Flair und die komödiantischen Zwischenspiele nimmt man dem Film gleichermaßen ab. Das liegt sicherlich zum Großteil an der glaubwürdigen Besetzung: Sinja Dieks („Die sechs Schwäne“) ist nicht nur eine aparte, zarte Schönheit, sie entwickelt in ihrer Rolle auch mehr und mehr Konturen und kann Sabine Postel durchaus Paroli bieten, die ihre „Revoluzzerin“ angenehm moderat spielt und weniger moralinsauer wirkt als in ihrer Rolle als Bremer „Tatort“-Kommissarin. Vor allem bei ironischen Einwürfen und komödiantischen Szenen ist sie eine Bank. Apropos: Dass sie sich mit dem Alt-Banker menschlich gut versteht, nimmt der Geschichte zusätzlich etwas vom überdeutlichen Konfliktpotenzial und sorgt für kleine Überraschungen. „Wir müssen deine ganze Sippe politisch umerziehen“, witzelt der schöne Emilio. Sagt’s und im Hintergrund beginnen Ingeborg und Hector Calvados- und Joint-selig die Internationale zu schmettern.

Verführungskunst und spanisches Ambiente
Auch die spanischen Darsteller sind überzeugend und glaubwürdig in ihren Rollen, obgleich sie stärker Typen-Fächer bedienen müssen. Vor allem die Doppelbesetzung mit zwei attraktiven und in jeder Beziehung heißblütigen Männern ist in Hinblick auf das weibliche Stammpublikum ein kluger Schachzug. Und was die Dramaturgie angeht, so ist es ein großes Plus dieses Films, dass beide Männer lange Zeit als gleichermaßen mögliche Liebesobjekte für die ihrerseits ausnehmend schöne Deutsche geführt werden. Und das geht natürlich nur, wenn sie trotz reichlichem Konfliktpotenzial sympathisch bleiben. Nahuel Häfliger gibt Bräutigam Emilio, den glatten Beau von der überaus gepflegten Gestalt, der alles – ob Kuss oder Diner zu zweit – mit charmanter Geste zu inszenieren weiß. Emilios Cousin Pablo spielt Alejandro Munoz schön, locker, mit wilder Mähne und hinreißendem Lächeln. „Der ist ja nun wirklich süß“, versucht die Großmutter frühzeitig auf ihren Favoriten hinzuweisen. Die Verführungskunst und das dringliche Werben um die Frau, beides für deutsche Männer eher untypisch, kommt selbstredend so richtig zum Tragen erst mit Barcelonas südländischer Aura: die Sonne, das Meer, der Strand, die Plätze, die Kirchen, das Licht, der Luxus. Die Stimmung aber – so hat man den Eindruck – geht immer von den Figuren aus. Das Ambiente ist nur krönendes Beiwerk. Der touristische („Traumschiff“-)Blick bleibt einem erspart.

Ein Sommer in BarcelonaFoto: ZDF / Lucia Faraig
Der spanische Lebensstil gefällt auch der Großmutter. Lisas Haltung dagegen und diese nicht ganz „sauberen“ Alvarados bereiten ihr Buchschmerzen. Sieks & Postel

Auch für die Liebe bedarf es einer Haltung
Selbst als Enkelin und Großmutter einen Barcelona-Nachmittag machen, wird daraus keine nur telegene Sightseeing-Tour. So landen die beiden nicht ganz zufällig an einem Petra-Kelly-Denkmal. Offenbar wurde die Grünen-Politikerin von den Katalanen verehrt, weil sie sich für das Selbstbestimmungsrecht der Völker stark gemacht hat. Genau das ist der Unterschied zwischen „Ein Sommer in Barcelona“ und anderen Filmen der Reihe: die politische Haltung der Alt-68erin ist nicht nur aufgesetztes Charaktermerkmal, sie überlagert maßgeblich auch die Narration. Und so wird die Dreiecksgeschichte nicht wie in anderen Romanzen oder Romantic Comedies aufgelöst durch eine Beziehungslappalie, sondern es ist der politische Code, der bestimmt, wer zu einem passt und wer nicht, die Haltung, die entscheidet, für wen das Herz schlägt. Denn die Privatbank der ehrenwerten Alvarados hat sich nicht nur in neuerer Zeit nicht mit Ruhm bekleckert, auch der Erwerb der Bank zu Zeiten des Franco-Faschismus’ verlief politisch und moralisch nicht ganz „sauber“. (Text-Stand: 18.10.2015)

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Reihe

ZDF

Mit Sinja Dieks, Sabine Postel, Nahuel Häflinger, Alejandro Munoz, Julio Tejela, Prado Rivera

Kamera: Vladimir Subotic

Schnitt: Ronny Mattas

Musik: Jessica De Roij

Produktionsfirma: Zeitsprung Pictures

Drehbuch: Jens Urban

Regie: Dirk Regel

Quote: 4,82 Mio. Zuschauer (13,2% MA)

EA: 15.11.2015 20:15 Uhr | ZDF

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BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach