Ein Sommer in Andalusien

Hanusrichter, Fernandez, Ulmen-Fernandes, Michael Keusch. Charmanter Urlaubsfilm

Foto: ZDF / Pierre Guibert
Foto Rainer Tittelbach

„Wer trifft sich denn ein halbes Jahr später um 12 Uhr mittags an einem Leuchtturm, weil er sich im Duty-Free-Shop nett unterhalten hat?!“ Da sagt die Heldin was! Michael Keusch stellt gleich zu Beginn von „Ein Sommer in Andalusien“ (ZDF / Moviepool) seine an den Haaren herbeigezogene Plot-Idee offen zur Schau – und lässt die von Birte Hanusrichter hinreißend gespielte Leipzigerin bei ihrem Trip in ein erhofft romantisches Abenteuer sich sogar ein bisschen darüber lustig machen. Und sympathisch geht es weiter. Die Handlung ist dabei erwartungsgemäß nur Vorwand für diese Liebeskomödie mit hohem Fernweh-, Sehnsuchts- und Urlaubsersatzfaktor (auch und vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie). Neben der für „Herzkino“-Verhältnisse überdurchschnittlichen Besetzung gefällt vor allem die Sinnlichkeit des Augenblicks, die die luftige Inszenierung mit der Geschichte kurzschließt.

„Wer trifft sich denn ein halbes Jahr später um 12 Uhr mittags an einem Leuchtturm, weil er sich im Duty-Free-Shop nett unterhalten hat?!“ Da sagt die Heldin was! Autor-Regisseur Michael Keusch stellt gleich zu Beginn von „Ein Sommer in Andalusien“ seine an den Haaren herbeigezogene Plot-Setzung offen zur Schau – und lässt die von Birte Hanusrichter gespielte Leipzigerin bei ihrem Trip in ein erhofft romantisches Abenteuer sich sogar ein bisschen lustig machen über die – wie sie selbst sagt – „bescheuerte Idee“. Für die, die das ZDF-„Herzkino“ nicht zu Unrecht mit gemischten Gefühlen verfolgen, dürfte dieser Einstieg ein Beweis für die Banalität der folgenden Geschichte sein. Wer – wie der Kritiker – stattdessen die Urlaubs-Komödien dieser Reihe als das sieht, was sie sein wollen, mehr oder weniger unterhaltsame Reisefilme mit Fernweh-, Sehnsuchts- & Urlaubsersatzfaktor, die ein komödiantisches Muster meist nicht überoriginell bedienen und dafür einen narrativen Vorwand suchen müssen, der kann nun dieser Variante durchaus etwas Charmantes abgewinnen. Was bei diesem 33. Film der „Ein Sommer“-Reihe für diese Lesart spricht: Die Einfädelung des Happy Ends wirkt nicht weniger absurd. Das Ganze ein einziges komödiantisches Chaos, bei dem die berühmten Fäden, an denen die Figuren von Komödien hängen, für den Zuschauer sichtbar werden.

Ein Sommer in AndalusienFoto: ZDF / Pierre Guibert
So ein bisschen andalusisches Sightseeing lässt man sich gern gefallen – weil die Stimmung stimmt: die ist locker & alltagsnah, getragen von Sonne & Landschaft. Und wenn auch die Besetzung stimmt, braucht man keine weltbewegende Handlung.

Die Handlung ist erwartungsgemäß kaum der Rede wert: Pia (Birte Hanusrichter) kommt über vier Stunden zu spät zu dem seltsamen Rendezvous mit John (Heiko Ruprecht), einem gebürtigen Deutschen, der seit seiner Kindheit in Neuseeland lebt. Beide haben sich vor einem halben Jahr zwischen zwei Flügen auf dem Amsterdamer Flughafen kennengelernt. Wie sich später herausstellen wird, hat er „nur“ drei Stunden am Treffpunkt, dem Felsen von Gibraltar, gewartet. Für Pia bedeutet das: fünf freie Tage in Andalusien. Mit Taxifahrerin Flora (Collien Ulmen-Fernandes) hat sie schnell eine Verbündete, die sie mitnimmt nach Cádiz zu einer Hochzeit, bei der sie Diego-Maria (Patrick Fernandez) kennenlernt. Sie verbringen eine aufregende Nacht, die so ganz anders verläuft, als man sich das gemeinhin vorstellt mit einem leidenschaftlichen Spanier: Die beiden liefern sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei durch die Gassen des uralten Städtchens. Der Hintergrund: Diego ist politischer Aktivist, der sich gegen die ungerechten Zwangsräumungen engagiert und mit dem hiesigen Commissario (Iván Gallardo) auf Kriegsfuß steht. Es hat gefunkt zwischen den beiden. Am nächsten Tag begleitet Pia Diego nach Ronda. Bei der Besichtigung der Stierkampfarena des Ortes traut sie ihren Augen nicht: Wer kommt da auf sie zu? Es ist John, freudestrahlend – und er hat ein wunderschönes Geschenk für sie. Zwei nette Männer! Pia steckt in der Bredouille.

„Pia: „Ich weiß so gar nichts über das aktuelle Spanien. Spanien, das ist für mich Sommer, Sonne, Urlaub, Tapas, Rioja, Ronaldo – nicht, dass ich mich mit Fußball auskennen würde.“ Diego: „Er ist Portugiese, und er spielt jetzt in Italien.“

Ein Sommer in AndalusienFoto: ZDF / Pierre Guibert
Das Spiel von Licht und Schatten hat es nicht nur der Heldin angetan, auch Regisseur Michael Keusch und Kameramann Peter Joachim Krause verstehen etwas davon. Aber auch das Paar, Birte Hanusrichter & Patrick Fernandez, kann sich sehen lassen.

Auch wenn es die Heldin zur Halbzeit mächtig verstimmt, dass der noble Diego um sie nicht so kämpft wie für bezahlbaren Wohnraum, muss der Zuschauer nicht lange rätseln, für wen sich die quirlige Deutsche am Ende entscheiden wird. Pia und der aufmerksame, kultivierte John verbringen schöne Stunden miteinander, aber irgendetwas fehlt diesen Begegnungen. Die Heldin spürt es – und der aufmerksame Zuschauer kann es wahrnehmen. Das echte Paar macht bei seinem Zusammensein deutlich, für was jeder der beiden brennt: er für Gerechtigkeit, Menschlichkeit, eine bessere Welt, und sie schwärmt von ihrem besonderen Faible für „das Licht und wie man es einfängt und wiedergibt“. Als sie später mit John zusammen ist, führen sie zwar auch gute Gespräche, aber es geht auffallend mehr ums Pragmatische: die Lampenfirma von Pias Vater, ihr abgebrochenes Kunststudium, sein großes Interesse an Segelyachten, die er entwickelt und für viel Geld in die ganze Welt verkauft. Außerdem kommt es zwischen Pia und John nicht einmal zum Kuss. Aber es gibt ja noch die schöne Spanierin, die nicht nur Taxi fährt, sondern auch noch Flamenco tanzt. Sie könnte den überkorrekten, etwas steifen Neuseeländer eher aus der Reserve locken. Es dürfte kein Zufall sein, dass beide Freunde des Faktischen sind: So zählt Flora nicht nur gegenüber ihrer neuen Freundin Johns Vorzüge auf, als führe sie ein Verkaufsgespräch, sondern sie kommt auch ständig mit irgendwelchen Informationen (aus ihrem Wissensschatz oder aus einem Reiseführer) um die Ecke. Auch John glänzt mit Faktenwissen. Dem Paar hingegen sind ganz andere Dinge wichtig: das Soziale, das Ästhetische, das Zwischenmenschliche.

Ein Sommer in AndalusienFoto: ZDF / Pierre Guibert
Das Schlussbild ist ein Traum für Mittel- oder Nordeuropäer. „Herzkino“-Traumpaar: Birte Hanusrichter und Patrick Fernandez

Was sich auch schon in Michael Keuschs früheren Filmen der Reihe, „Ein Sommer im Elsass“ und „Ein Sommer in Portugal“, gezeigt hat, sticht auch in „Ein Sommer in Andalusien“ ins Auge: Die ständige Suche nach der Sinnlichkeit des Augen-Blicks, die die Inszenierung mit der Geschichte kurzschließt. Erstes visuelles Highlight ist eine Flamenco-Tanzszene in einem pittoresken Weinkeller. Später stellt sich die Kamera immer wieder extremen Lichtverhältnissen, die mit Pias Lust auf Licht korrespondieren. Auch in den Gesprächen ist von dem faszinierenden Spiel von Licht und Schatten die Rede. Und in einem antiken Dampfbad wird man Augenzeuge bizarr einfallender Sonnenstrahlen, die die Heldin begeistern („als würde man in den Kosmos gucken“). Reizvoll sind neben dem betörenden Farbenspiel in und um einen Top-Shot in der Stierkampfarena auch die nächtlichen Szenen in den Gassen von Cádiz. Einmal wird ein Dialog über eine Totale gelegt, ohne dass Pia und Diego dabei sichtbar werden (ein Schatten verhindert dies); kurz darauf fährt im Vordergrund ein Polizeiauto vor. Erst als der Wagen wieder fort ist, tritt das Paar aus dem Dunkel.

Hat man auch den Eindruck, dass es in diesem Film ein paar Drohnenflüge zu viel gibt, kann sich doch die Darstellung der Natur und die Kultur Andalusiens sehen lassen: Diese Schönheit von Stadt und Land(schaft) gehört zur Erfahrungswelt der Figuren; allerdings verselbständigt sich – mit Blick auf den Sommer- und Sonne-liebenden Zuschauer – diese Schönheit gelegentlich. Mag der Bildebene in der luftigen „Eine Sommer“-Reihe auch mehr Bedeutung zukommen als in anderen „Herzkino“-Filmen (Ausnahme von der Regel zuletzt: der nicht nur ästhetische Augenschmaus „Ein Tisch in der Provence“) – das Herzstück ist und bleibt auch in dieser Reihe die Besetzung. Diese Art von Filmen, an Dramaturgie wenig interessiert, dafür in der Tonlage locker, zeitgeist- und alltagsnah, lebt von Situationen, von Stimmungen, von einem Lebensgefühl – und vor allem von Schauspielern, die dafür die passende Aura und einen realistischen Umgangston mitbringen. Patrick Fernandez als sanfter Traumtänzer, Collien Ulmen-Fernandes als ebenso spontane wie lebenspraktische Spanierin und vor allem Birte Hanusrichter als selbstlose Frau, die mit Ende 30 immer noch nicht das Leben führt, das sie sich wünscht, sind nicht nur für „Herzkino“-Verhältnisse eine weit überdurchschnittliche Besetzung; für ihre Rollen in „Ein Sommer in Andalusien“ sind die drei nahezu perfekt.

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Reihe

ZDF

Mit Birte Hanusrichter, Patrick Fernandez, Collien Ulmen-Fernandes, Heiko Ruprecht, Iván Gallardo, Carlos Lobo, Victoria Sordo, Mariki Fernandez

Kamera: Peter Joachim Krause

Szenenbild: Nahio Fito

Kostüm: Antonello Di Meo

Schnitt: Nina von Kreisler, Julia Steinke

Musik: Martina Eisenreich

Redaktion: Rita Nasser

Produktionsfirma: Moviepool

Produktion: Bernadette Schugg

Drehbuch: Michael Keusch

Regie: Michael Keusch

Quote: 4,16 Mio. Zuschauer (12,3% MA)

EA: 04.10.2020 20:15 Uhr | ZDF

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