Ein schrecklich reiches Paar

Lisa Martinek, Thomas Heinze, Edda Leesch, Neelesha Barthel. Arme Millionäre

Foto: ZDF / Reiner Bajo
Foto Rainer Tittelbach

„Ein schrecklich reiches Paar“ ist eine Spin-Off-Komödie von Sawatzkis „Bella“-Reihe. Das vom Luxusleben offenbar gelangweilte Ehepaar, gespielt von Lisa Martinek und Thomas Heinze, tritt zu einem vermeintlichen Rosenkrieg gegeneinander an; die zornige Gattin lässt sich selbst entführen, um wenigestens etwas vom gemeinsamen Vermögen abzubekommen. Doch eigentlich ist alles ganz anders. Autorin Edda Leesch & Regisseurin Neelesha Barthel ist eine unterhaltsame, klug konstruierte romantische Komödie gelungen, der ein an Wendungen reicher Plot und eine stets stimmige Dramaturgie zugrunde liegen, die einen präzise getimten Flow & pointierte Dialoge besitzt und deren Happy End durchaus zwei Lesarten erlaubt.

Luxus, Scheidung & eine von der wütenden Gattin inszenierte Entführung
Vor lauter Luxusleben scheinen sich Eva (Lisa Martinek) und Rainer Klüber (Thomas Heinze) voneinander entfremdet zu haben. Bei einem Streit über ein Startup, das die gelangweilte Ehefrau und Schuhfetischistin mal eben anschieben möchte, rastet der Göttergatte aus. Ein Wort gibt das andere – und Sekunden später ist die Scheidung abgemachte Sache. Diese aber hat sich Eva lukrativer vorgestellt: Dass sie laut Ehevertrag nichts von ihrem gemeinsamen Vermögen behalten soll, macht die exaltierte Millionärsgattin so wütend, dass sie sich kurzerhand selbst von einem jungen Pärchen (Rafael Gareisen & Anna Herrmann) ohne große kriminelle Erfahrung entführen lässt. Rainers Reaktion verblüfft Eva: Er reagiert verzweifelt, auch weil er nicht weiß, wie er das Lösegeld locker machen soll. Wenn er es bisher auch gut verbergen konnte: seine Firma ist bankrott. Dennoch gelingt es ihm mit Hilfe seines Freundes und Anwalts Pepe (Peter Jordan), die geforderten drei Millionen Euro aufzutreiben. Alles, was er besitzt, wird „flüssig“ gemacht. Aber dann läuft nach der geglückten Geldübergabe der letzte Teil der Entführung anders als geplant – und Rainer kommt Eva auf die Schliche.

Ein schrecklich reiches PaarFoto: ZDF / Reiner Bajo
Mit Schuhen und Fettnäpfchen kennt sich die gelangweilte Eva (Lisa Martinek) aus. Dass sie ausgerechnet die Frau von Rainers Banker beleidigen muss, bringt wenig später das Beziehungsfass zum Überlaufen. Carmen Molinar und Thomas Heinze

Dramaturgisch clevere Spin-Off-Komödie von Sawatzkis „Bella“-Reihe
Lisa Martinek und Thomas Heinze, Eva und Rainer – da war doch was?! Die Charaktere und die Besetzung gab es schon einmal: in der „Bella“-Reihe mit Andrea Sawatzki. Drei Mal überzeugten sie als zwei tragende Nebenfiguren, Eva war Bellas überkandidelte, stinkreiche Schwester, ihr Gegenbild quasi, und Rainer ihr Schwager. „Ein schrecklich reiches Paar“ ist also eine Art Spin-Off-Komödie der amüsanten, 2014 ausgelaufenen sechsteiligen ZDF-Dramödien-Reihe. „Meine Aufgabe war es, eine Geschichte zu erfinden, die aus diesen eindimensionalen Figuren wirkliche Menschen macht“, erinnert sich Autorin Edda Leesch an ihre schwierige Bucharbeit. Irgendwann erkannte sie: „Es muss eine Geschichte sein, die das Paar in eine Ausnahmesituation bringt, denn nur so würden die beiden an ihre Substanz gehen und preisgeben, was sie sonst tunlichst verbargen.“ Und Leesch entschied: Man muss den Millionären das Geld wegnehmen. Arme Millionäre – das Motiv ist nicht ganz neu, aber in dieser Figurenkonstellation und als romantische Komödie besitzt es durchaus Reiz, denn Leesch benutzt den Bankrott gleichzeitig als Baustein innerhalb einer Vieles-ist-anders-als-es-scheint-Dramaturgie: So weiß zwar der Zuschauer noch nicht in den ersten Szenen, aber sehr viel schneller als die weibliche Hauptfigur von der „angespannten“ Finanzlage der Klübers; dadurch wird die Entführung erst möglich und die Wut des Ehemanns über den Startup seiner verschwenderischen Gattin jetzt erst richtig verständlich, gleichzeitig steigt beim Zuschauer die Ungewissheit darüber, wie denn jetzt ohne Geld die inszenierte Entführung weitergehen  wird. Und retrospektiv erklärt sich noch vor der Halbzeit des Films, weshalb Rainer auf die Einhaltung des Ehevertrags bestanden hat: Er wollte Eva nicht mit seinen Schulden belasten. Rainer ist also gar nicht dieses Ekel, das einen Rosenkrieg anzetteln will, sondern ein liebender Ehemann, verunsichert allein dadurch, vielleicht nur wegen seines Geldes geliebt zu werden.

„Remarriage Comedy“ mit etwas Screwball-Touch und mehr Romantik
„Ein schrecklich reiches Paar“ ist das, was man in Hollywood seit den 1930er Jahren gern als „Remarriage Comedy“ bezeichnet hat. Während Klassiker des Genres wie „His Girl Friday“ (1940) oder „Palm Beach Story“ (1942) sich formal stärker an der Screwball Comedy orientieren, gleichzeitig die Absurdität von Paarbeziehungen betonen und das Happy End häufig mit einem augenzwinkernden Fragezeichen versehen, orientiert sich die ZDF-Komödie von Neelesha Barthel an der romantischen, etwas weniger bissigen Variante, wie sie etwa in den Komödien mit Traumpaar Katherine Hepburn und Spencer Tracy („Adam’s Rib“, 1949) üblich war – auch wenn Martinek die neurotische Hysterie ihrer frustrierten Konsumzicke schon einigermaßen „screwy“ (= verückt, überdreht) anlegt. Vordergründig betrachtet kommt es zum Happy End: Das Paar ist erwartungsgemäß wieder zusammen und lebt glücklich am See. Den Ausspruch „Scheiße, wir sind reich!“, nachdem der Startup der Heldin durch die Decke gegangen ist, lässt zwei Sichtweisen zu: die an der Oberfläche der Geschichte, die impliziert, dass Geld eben doch glücklich macht und Harmonie in jeder Beziehung möglich ist, wenn die Beteiligten es nur wollen, und die etwas tiefschürfendere, die davon ausgeht, dass der unanständige Reichtum der Anfang vom dekadenten Ende war und dass die zwei durchaus wieder in die alten Muster aus Ignoranz und Langweile rutschen könnten. Die meisten Zuschauer dürften wohl eher die romantisch-konservative Lesart bevorzugen.

Ein schrecklich reiches PaarFoto: ZDF / Reiner Bajo
Mehr Romantik als Screwball-Touch. Rainer (Heinze) will sich nicht länger von Geld treiben lassen. „Lass uns unser Leben umkrempeln.“ Eva (Martinek) will das nicht, sie braucht finanzielle Sicherheit. „Von Gefühlen allein kann man doch nicht leben.“

Klug konstruierte, mit Martinek/Heinze gut besetzte Beziehungskomödie
Und die Zuschauer werden „Ein schrecklich reiches Paar“ vor allem als das sehen, was dieser Film in erster Linie ist: eine unterhaltsame, klug konstruierte, leichte Beziehungskomödie, die rasant beginnt und nach 15 Minuten einen Gang zurückschaltet, damit Protagonisten wie Publikum das Geschehen ordnen können. Dass die Komödie 90 Minuten lang einen präzise getimten Flow besitzt, liegt dramaturgisch an den zahlreichen, im Rahmen des Genres überaus stimmigen Wendungen. Und so werden mehrere Geschichten erzählt: die einer abgekühlten Ehe, die eines vermeintlichen Rosenkriegs, die einer Rück-Erinnerung an Zeiten von Liebe, Glück und ohne großen materiellen Besitz und schließlich die Geschichte der sprichwörtlichen „zweiten Chance“. Der Film lebt auch von seinen beiden Hauptdarstellern: Lisa Martinek kann Komödie und für egozentrische Biester hat sie ein besonderes Faible. Dass ihre Eva aber keine eindimensionale Stereo-Type ist, sondern ihre Fixierung aufs Materielle aus einer gewissen Angst vor dem Leben resultiert, lässt sich mit etwas Menschenkenntnis erahnen, mit einem nachgereichten Kindheitstrauma wird dies dann aber konkret bestätigt. Auch Thomas Heinze kann Komödie – was allerdings vor Tonlagen-Kollisionen nicht schützt. So soll er beispielsweise beim ersten Telefonat zwischen dem Ehemann und dem Amateur-Entführer die Verzweiflung des um seine Frau besorgten Gatten zeigen. Doch wie soll das gehen in einer zu recht überzogenen Komödienszene (in der Heinze dann auch keine allzu gute Figur macht)? Später mit der zunehmenden Entwicklung der Komödie zu einer Art Dramödie trifft gerade er – seine Figur will ja den Neuanfang mehr als Eva – zunehmend den richtigen Ton. Keine Frage, dass auch Edda Leeschs Dialoge witzig pointiert und vor allem temporeich  geschrieben sind; da blitzt dann doch gelegentlich die Screwball Comedy auf. Bleibt noch zu erwähnen, dass der Look und vor allem die Locations nicht nur einen sinnlich nachhaltigen Eindruck hinterlassen, sondern auch sehr treffend die Geschichte(n) miterzählen.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Lisa Martinek, Thomas Heinze, Peter Jordan, Rafael Gareisen, Anna Herrmann, Norbert Stöß, Pia Mechler

Kamera: Dennis Pauls

Szenenbild: Martina Brünner

Schnitt: Katharina Schmidt

Musik: Maurus Ronner

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Drehbuch: Edda Leesch

Regie: Neelesha Barthel

Quote: 4,65 Mio. Zuschauer (15,4 % MA)

EA: 11.05.2017 20:15 Uhr | ZDF

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