Es gehört zum festen Muster romantischer Multikulti-Komödien, dass die Eltern Vorbehalte gegen die große Liebe ihres Sohnes oder ihrer Tochter haben. In früheren Jahren waren es meist die Deutschen, die lernen mussten, ihre Vorurteile zu überwinden, während die orientalischen Familien schon allein durch ihren Zusammenhalt sympathisch wirkten. Mittlerweile hat sich ein gewisser Emanzipationsprozess vollzogen. Fatma (Nursel Köse) zum Beispiel, die Mutter des potenziellen Bräutigams in „Ein Fisch namens Liebe“, muss sich von Vicky (Christiane Paul), der deutschen Braut ihres Sohnes Mehmet (Luk Piyes), gegen Ende sagen lassen, sie sei „gemein, hinterhältig und intrigant“; und das ist kein bisschen übertrieben. Vicky ist die Erzählerin der Geschichte – und wie fast immer in solchen Fällen sind ihre inneren Monologe („Wo war ich da nur wieder reingeraten?“) völlig überflüssig; die Gefühle, die sie schildert, sind ohnehin offenkundig. Zum Ausgleich dürfen die Türken Türkisch sprechen, was nicht nur grundsätzlich zu begrüßen, sondern in diesem Fall auch die Voraussetzung für viele komische Momente ist: Gerade Fatmas Dialoge stehen oft in krassem Kontrast zu der guten Miene, die sie zu dem aus ihrer Sicht bösen Spiel macht, denn Vicky ist deutlich älter als Mehmet. Nursel Köse findet eine jederzeit glaubwürdige Gratwanderung für diese Diskrepanz zwischen Schein und Sein: Fatma verhält sich nicht offen feindselig, aber auch nicht herzlich. „Warum hast Du nicht gesagt, dass du auch ihre Mutter mitbringst?“, teilt sie ihrem Sohn beim ersten Besuch mit. Für sie heißen alle deutschen Frauen Helga, weshalb sie Vicky im Kreis der Familie nur „alte Helga“ nennt: ein Ladenhüter, der keinen deutschen Mann mehr abbekommen und sich stattdessen einen jungen Türken geangelt hat.
Foto: ZDF / Sonja Rom
Anders als in anderen Filmen dieser Art spielt der Religionsunterschied interessanterweise überhaupt keine Rolle; vielleicht, weil Fatma sowieso davon ausgeht, dass die Beziehung zwischen Vicky und Mehmet nicht von Dauer ist. Das lässt sich sogar nachvollziehen: Der Film reduziert die Phase des Kennenlernens auf die erste Nacht, in der Mehmet für Vicky bloß ein Abenteuer war; deshalb bleibt die große Liebe fortan bloße Behauptung. Beim Prolog, der die unterschiedlichen Lebenswege des Paares im heiteren Schnelldurchlauf zusammenfasst und sich auf das unterschiedliche Alter konzentriert, funktioniert diese verkürzte Erzählweise ausgezeichnet. Die Beziehung würde allerdings auch ohne Fatma als Heckenschützin Konfliktpotenzial bergen, denn Vicky ist Ärztin und Mehmet bloß Trainer in einem Fitnessstudio. Eigentlich wollte er Bauingenieur werden, doch seit dem Schlaganfall seines Vaters muss er die Familie ernähren. Als der alte Herr trotz Vickys Bemühungen endgültig das Zeitliche segnet, ist sie bereit, die Überführung des Leichnams in die anatolische Heimat und die Flugkosten für seine Familie zu übernehmen. Mehmet ist einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass sie mitkommt. In der Fremde aber ist Vicky Fatmas Intrigen hilflos ausgeliefert: Erst stellt ihre Schwiegermutter in spe sie den Dorfbewohnern als Hausärztin vor, dann überredet sie einen Nachbarn (Vedat Erincin) dazu, Vicky unter einem Vorwand zu entführen und in einem Höhlenlabyrinth auszusetzen. Damit ist das Maß endgültig voll.
Natürlich renkt sich am Ende doch noch alles ein. Fatmas Sinneswandel muss sich zwar etwas flott vollziehen, aber das stört nicht weiter: weil sie auch dank Köses differenziertem Spiel keine boshafte Frau ist, sondern bloß eine Mutter, die das Beste für ihren Sohn will. Erst spät reicht der Film einen Aspekt nach, der ihr Verhalten noch verständlicher macht: Selbstverständlich wünscht sie sich Enkel, aber Vicky, obschon erst um die vierzig, hält sich auch selbst für zu alt, um noch Kinder zu bekommen; und Tochter Selda entpuppt sich als lesbisch. Mina Özlem Sagdic spielt gerade die liebevollen Auseinandersetzungen mit Fatma, über deren Aberglaube sie sich regelmäßig lustig macht, mit einer Natürlichkeit, als führe sie solche Gespräche ständig mit ihrer eigenen Mutter. Hansjörg Thurn, der neben diversen Großprojekten („Die Schatzinsel“, „Die Wanderhure“) immer wieder auch Komödien mit Tiefgang („Barfuß bis zum Hals“) dreht, hat seine Schauspieler ohnehin gut geführt. In Anatolien kommt als Blickfang noch die auf archaische Weise schöne zerklüftete Felsenlandschaft dazu. Abgerundet wird der Film durch eine Musik (Ali N. Askin), die wie stets in solchen Filmen einheimische Melodien integriert und damit schon früh auf die Versöhnung von Orient und Okzident einstimmt. (Text-Stand: 16.9.2015)