Dr. Nice – Die Natur der Liebe + Mein liebster Feind + Nacht der Wünsche

Patrick Kalupa, Josefine Preuß, Maximilian Grill, Rössler, Rost. Raus aus seinem Schutzpanzer?

28.08.2025 10:00 ZDF-Stream Die Natur der Liebe Streaming-Premiere
28.08.2025 10:00 ZDF-Stream Mein liebster Feind Streaming-Premiere
28.08.2025 10:00 ZDF-Stream Nacht der Wünsche Streaming-Premiere
05.10.2025 20:15 ZDF Die Natur der Liebe TV-Premiere
12.10.2025 20:15 ZDF Mein liebster Feind TV-Premiere
19.10.2025 20:15 ZDF Nacht der Wünsche TV-Premiere
Foto: ZDF / Christine Schroeder
Foto Rainer Tittelbach

Es muss etwas geschehen, es wird etwas geschehen. In den drei neuen Episoden der erfolgreichen ZDF-Sonntags-Reihe „Dr. Nice“ (Dreamtool Entertainment) arbeitet die auf ihr Ego fixierte Titelfigur ernsthafter denn je an ihren emotionalen Schwächen. Die Zweiteilung der 2025er-Staffel von „Dr. Nice“, dieser Reihe, zu deren Stärken die horizontale Erzählung gehört, mag aus Zuschauersicht unbefriedigend sein, aber ist sie plausibel. Mehr noch als die drei Episoden im Frühjahr wirken die drei neuen Filme (ab Ende August im ZDF-Stream) wie eine Einheit. Das Autorenduo Elke Rössler und Simon X. Rost hat seit 2023 neunmal reichlich Stoff ausgesät, Charaktere und Beziehungen entwickelt, um in diesem Herbst eine volle Ernte einzufahren. Nachdem „Dr. Nice“ Anfang des Jahres ein bisschen die Luft auszugehen schien, zeigt sich nun, was eine gute Langlauf-Reihe auszeichnet, die etwas anders sein will als der Unterhaltungsfilm-Durchschnitt. Diese Analyse gibt Aufschluss.

Er gibt sich locker und hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Doch nur für die, die ihn nicht kennen, wirkt Dr. Moritz Neiss (Patrick Kalupa) nice. Sympathisch, nett und freundlich zu sein, überlässt der ehemalige Star-Chirurg anderen. „Einen Freund“, nennt Charlie (Josefine Preuß) ihn trotzdem, aber einen, der „sich viel Mühe gibt, damit man’s nicht merkt“. Sein Therapeut (Hannes Jaenicke) drückt es weniger liebevoll aus: „Sie sind ein hochintelligenter, eloquenter Schisser, der sich vor allem fürchtet.“ Richtig sauer kann seine Tochter Lea (Maj Borchert) auf ihn sein, weil er nie für sie Zeit hat, wenn sie ihn braucht. Für seine Patienten aber ist er da, weniger für die aus seiner Landarzt-Praxis, mehr brennt er für die ausgefallenen medizinischen Fälle, die im Förde-Krankenhaus dem Klinikchef, „Erzfeind“ Schmidtke (Maximilian Grill), Kopfzerbrechen bereiten. Doch so langsam macht sich Neiss ernsthaftere Gedanken über sich und sein Leben. Er weiß sehr wohl, dass er seine Mitmenschen vor den Kopf stößt, um sich vor Verlusten zu schützen. Der frühe Tod seiner Mutter sitzt tief. Neiss ist sich seiner Unzulänglichkeiten bewusst – und doch fällt es ihm schwer, etwas zu verändern. Sein Schutzpanzer hält. Versuche, nett zu sein, wirken peinlich. Will er Janne (Brigitte Zeh), mit der eine Beziehung in weite Ferne gerückt ist, mal ein Kompliment machen, klingt das so: „Was ich immer schon mal sagen wollte – Wenn du eine Kartoffel wärst, dann wärst du eine Süßkartoffel.“

Dr. Nice – Die Natur der Liebe + Mein liebster Feind + Nacht der WünscheFoto: ZDF / Rudolf Wernicke
Neiss (Patrick Kalupa) braucht seine Show, zum Leidwesen von Schmidtke (Maximilian Grill). Der Ex-Star-Chirurg hat die Ursache für die Erkrankung des Bruders von Dr. Birols (Idil Üner) gefunden. Danach wird’s emotional, auch für die Zuschauer:innen!

Trotz alldem arbeitet Neiss in den drei neuen Episoden der erfolgreichen ZDF-Sonntags-Reihe „Dr. Nice“ ernsthafter denn je an seinen emotionalen Schwächen. In „Die Natur der Liebe“ hängt ihm das psychologische Gutachten seines Therapeuten im Nacken. Und so tut er nach außen alles, um ein besseres Bild abzugeben, er boykottiert nicht einmal die verordnete Teambuilding-Maßnahme. Und so steht er plötzlich mit Schmidtke, dessen Frau Jana (Teresa Rizos) und Charlie, die er als seine „Partnerin“ ausgibt, im Wald, um mehr als nur symbolisch eine Brücke zu bauen. Der das Training leitende Naturpädagoge ist der Bruder von Dr. Merek Birol (Idil Üner); die beiden haben seit Jahren keinen Kontakt mehr. Jetzt lässt sich ein Zusammentreffen nicht mehr vermeiden, da Deniz Birol (Omar El-Saedi) wegen eines entzündeten Lymphknotens operiert werden muss. Wie sich Neiss um den geradezu an einer Narkose-Paranoia leidenden Patienten kümmert, zeugt von mehr als nur medizinischer Grandiosität. In „Mein liebster Feind“, der zweiten Herbst-Episode der 2025er-Staffel, die im Frühjahr mit drei Filmen begann, übernimmt der saloppe Halbgott in Orange kommissarisch die Klinikleitung. Das Gefühl des Triumphs dauert nur kurz. Als Neiss erkennen muss, wie uncool dieser Job ist, hilft er Schmidtkes Frau, unterstützt von Doris (Hedi Kriegeskotte), seinem Mädchen für alles, tatkräftig dabei, den „Rivalen“ zu rehabilitieren. Nicht ganz so geschickt stellte er sich zuvor bei der Kommunikation mit der Mutter (Antje Widdra) einer mit Lea befreundeten Patientin (Emilia Flint) an, wodurch es zu einer Klage gegen die Klinik und zu Schmidtkes Beurlaubung kam. In beiden Episoden geht es Neiss persönlich immer weniger um seine kaputte Hand und den Verlust seiner hohen Reputation als Chirurg, in den Mittelpunkt rücken die Gedanken an seine Mutter, (s)einen menschlichen Verlust also, der ihn seelisch geprägt hat.

In der dritten neuen Episode, „Nacht der Wünsche“, wird die Ambivalenz der Titelfigur noch gesteigert, der Blick in ihre angeknackste Psyche vertieft. Als Charlie immer ernsthafter damit liebäugelt, die Kieler Förde zu verlassen, um im Hotel ihres Bruders (Jacob Matschenz) in Stralsund als medizinische Masseurin zu arbeiten, für sie ein echter Traumjob, reagiert Neiss anfangs ungehalten, verletzt; doch mehr und mehr spürt man seine Verzweiflung, die Angst vor der Einsamkeit, denn auch Lea möchte nach Stralsund, wo sie im Familienbetrieb ebenfalls arbeiten könnte. Letzteres kann der Manipulator Neiss gerade noch verhindern. Aber Charlie ist sich ihrer Sache völlig sicher. Schmidtkes Frau Jana rät ihrem Ex-Lover: „Man muss nur loslassen können.“ Das Küchenpsychologie-Rezept, das Mantra jeder zweiten „Herzkino“-Selbstfindungsschmonzette, weiß Autorin Elke Rössler zwar ironisch zu brechen („Ist das nicht ein bisschen altklug für dein Alter?“), Neiss aber bleibt wohl nichts anderes übrig, als Charlie gehen zu lassen. Zuletzt backte er als Entschuldigung Kuchen für sie, jetzt unterstützt er sie beim Umzug. Aber Neiss hilft auch anderen: einem Bauern (Uke Bosse) im Kuhstall und seiner Frau (Luise Schnittert) bei ihrer wahrlich schweren Geburt, die schließlich zu einer lebensgefährlichen Operation wird. Was Zweck der Teambuilding-Maßnahme war, jetzt löst es sich ein. Über Neiss‘ Abschiedsschmerz kann das aber nur bedingt hinwegtäuschen.

Dr. Nice – Die Natur der Liebe + Mein liebster Feind + Nacht der WünscheFoto: ZDF / Rudolf Wernicke
Neiss (Patrick Kalupa) und Charlie (Josefine Preuß) feiern das Ende seines Chefarzt-Daseins. Diese Verantwortung war nichts für ihn. Er sollte sich mehr um sich, sein Leben, seine Beziehungen kümmern. Maj Borchardt, Hedi Kriegeskotte und Emilia Flint

Die Zweiteilung der 2025er-Staffel von „Dr. Nice“, dieser Reihe, zu deren Stärken die horizontale Erzählung gehört, mag aus Zuschauersicht unbefriedigend sein, nach Sichtung aller sechs Episoden aber ist sie – nicht nur programmpolitisch – plausibel. Mehr noch als die drei Episoden im Frühjahr wirken die drei Filme im Herbst wie eine (serielle) Einheit: Es beginnt mit dem schlechten Klima in der Klinik und endet mit einem Sieg der Medizin über das Platzhirschgehabe, das allerdings auch weiterhin als komödiantischer Anteil zur narrativen DNA der Reihe gehören dürfte. Außerdem steigt mit dem wachsenden Leidensdruck auch der Handlungsbedarf: Neiss muss – über seinen Kleidungsstil hinaus – Farbe bekennen. Apropos: Die zweite Folge gibt spielerisch Aufschluss darüber, weshalb er es gern so bunt mag. Auch das hat mit seiner Mutter zu tun, die im Zuge seiner Erinnerungsarbeit an Präsenz gewinnt. Von ihr hat sie auch die Kuchenrezepte, aufgesprochen auf Cassette, im Krankenhaus, Woche für Woche, bis zu ihrem Tod. Eine Herzensangelegenheit. Und eine wunderbare Buch-Idee.  Wer weiß, was da noch für Schätze aus der Vergangenheit auf den Audio-Cassetten verborgen sind. Doch diese Cassetten sind anfällig. Und das ist gut so: Denn erst ein Bandsalat zeigt, was die Hauptfiguren füreinander empfinden – und sie sind für Charlie („Warum bist du denn so?“) ein Schlüssel, um Neiss besser zu verstehen. Auch dramaturgisch wird die Ambivalenz von Gefühlen wunderbar beiläufig eingefangen: Gerade denkt sie noch, dieser Typ ändert sich nie, und plötzlich liegt der Bandsalat vor ihr, erinnert sie an Neiss‘ empfindsame Seite – und sie macht sich an die Reparatur.

Dr. Nice – Die Natur der Liebe + Mein liebster Feind + Nacht der WünscheFoto: ZDF / Rudolf Wernicke
„Veterinär“ Neiss (Patrick Kalupa). Eine Kuh zu holen, ist für ihn kein Problem; aber die hochschwangere Bäuerin Thekla (Luise Schnittert) macht ihm Sorgen. Hauptsorge von Harry (Uke Bosse): der Hof. Charlie (Josefine Preuß) ist als Zaungast dabei.

Das Autorenduo Elke Rössler (Episoden 2 +3) und Simon X. Rost („Die Natur der Liebe“) hat seit 2023 neunmal reichlich ausgesät, um in den drei aktuellen Herbst-Episoden eine volle Ernte einzufahren. Nachdem „Dr. Nice“ Anfang des Jahres ein bisschen die Luft auszugehen schien, zeigt sich nun, was eine gute Langlauf-Reihe, die etwas anders sein will als der Unterhaltungsfilm-Durchschnitt, auszeichnet. Da ist eine Hauptfigur, die nicht immer den richtigen Ton trifft, die aber alle Vorteile eines Protagonisten genießt; ohnehin kennt der Zuschauer Neiss (und seine Situationen im Film) besser, weiß mehr über ihn als die, die unter ihm gelegentlich zu leiden haben. Die Qualität der Besetzung kommt immer besser zur Geltung. Hannes Jaenicke als Psychotherapeut könnte mit seinen unorthodoxen Therapiemethoden etwas mehr (gern auch für einen „Fall“) zu tun bekommen. Alle Nebenfiguren kommen ins Spiel, wenn die konkrete Geschichte oder das Gefühl von Alltag sie braucht. Die stimmige Etablierung dieses Gefühls ist das A&O für eine solche Nicht-Krimi-Reihe, nicht die medizinischen Fälle: Sie sind allerdings ein wichtiger äußerer Motor der Handlung. Dass diese Fälle in den neuen Episoden – gefühlt – auf der Zielgeraden etwas dramatischer werden, schadet nicht, da die Regisseurinnen Ulrike Gote und Kerstin Ahlrichs auf künstliche Spannungsmache verzichten. Die hohe Erzählkunst von Reihen der leichteren Gangart mit hoher Schlagzahl ist es, zwischen zwei Extremen zu vermitteln: nicht immer – auch dramaturgisch – dasselbe erzählen (das langweilt!), nicht zu früh die Beziehungskonflikte befrieden (sonst könnte der Stoff ausgehen). Die drei neuen Episoden finden eine gute Balance (die den Kritiker nicht ermüdet). Hinzu kommen Tempo, Witz, viele Nebenhandlungen, oft sind es nur Augenblicke, Stimmungsbilder. Es ist immer was los, ohne dass unangenehme Hektik ausbrechen würde.

Besonders dicht erzählt ist „Die Natur der Liebe“. Häufig passiert einiges gleichzeitig: Wenn Nice telefoniert, beobachtet er beispielsweise auf der Terrasse Janne, womit die nächste Szene elegant vorbereitet ist. Klug aufgelöst mit einer inneren Montage ist auch die wohl endgültige „Trennungsszene“ von Neiss & Janne im Hotel. Dass Kranken-Plots mit einem persönlichen Bezug zu einer der durchgängigen Figuren dem inneren Gefüge der Geschichte guttun und für ein Mehr an Emotion sorgen können, ist eine dramaturgische Binsenweisheit. In „Mein liebster Feind“ klappt das nicht sonderlich gut. Zwar sorgt die Beurlaubung von Schmidtke für ein wenig Anteilnahme, dafür ist die Interaktion der Fall-Geschichte mit Lea-Link durch alle „Herzkinos“ der Welt und Vorabend-Soaps genudelt worden: Eltern, die die „Karriere“ ihrer Kinder mehr im Augen haben als sie selbst, will man auf jeden Fall so vorhersehbar nicht mehr sehen. Viel besser passt das Dilemma, der Konflikt in „Die Natur der Liebe“: Zwei sehr sympathische Figuren kommen aus unerfindlichen Gründen nicht zusammen, das schmerzt doppelt – und umso emotionaler am Ende der Versöhnungseffekt. Dagegen wirkt die Familienumarmung im zweiten Film eher wie eine Lüge. Auch „Nacht der Wünsche“ kanalisiert die Gefühle (des Zuschauers) wahrhaftiger. Der Bauer mag etwas ungehobelt und in Sachen Kommunikation nicht der Sicherste sein, aber er hat eine Biografie, aus der sich sein Verhalten erklärt, im Gegensatz zu der Mutter, die man nur ständig dabei sieht, wie sie ihrer Sportlertochter Druck macht. Ohnehin kommen in diesen emotionalen Geschichten (anders als im Krimi) knappe, von Betroffenen vermittelte, verbale Erklärungen der Backstorys gut. Für die Beziehungsfragen der Hauptcharaktere sind allerdings immer noch Bilder das Beste. Sie sollen mehr als 1000 Worte sagen. Fragt sich nur, ob sie wahr sind. In diesem Sinne gibt’s ein furioses Staffel-Finale mit einer Vielzahl an Schlussszenen.

Dr. Nice – Die Natur der Liebe + Mein liebster Feind + Nacht der WünscheFoto: ZDF / Gordon Muehle
Neiss (Patrick Kalupa) kann’s kaum fassen: eine Berührung von Charlie (Josefine Preuß) zum Abschied und die Hand bewegt sich.

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Reihe

ZDF

Mit Patrick Kalupa, Josefine Preuß, Maximilian Grill, Maj Borchardt, Brigitte Zeh, Hedi Kriegeskotte, Idil Üner, Teresa Rizos, Hannes Jae-nicke, Ben Ole Knobbe, Bruno F. Apitz

Episodenrollen: (1) Omar El-Saedi, Franziska Ritter; (2) Antje Widdra, Emilia Flint, Martin Glade, Jacob Matschenz; (3) Uke Bosse, Luise Schnittert

Kamera: Thomas Vollmar (1), Stephan Schuh (2+3)

Szenenbild: Björn Nowak

Kostüm: Anne Jendritzko

Schnitt: Marco Baumhof (1-3); Ulrike Leipold (1), Stephan Schuh (2+3)

Musik: Martina Eisenreich

Redaktion: Thorsten Ritsch

Produktionsfirma: Dreamtool Entertainment

Produktion: Stefan Raiser

Drehbuch: Simon X. Rost, , Malina Nnendi Nwabuonwor (2), Elke Rössler (3), Elke Rössler – Ko-Autorin: Malina Nnendi Nwabuonwor („Mein liebster Feind“)

Regie: Ulrike Gote , Kerstin Ahlrichs

EA: 28.08.2025 10:00 Uhr | ZDF-Stream

weitere EA: ab 05.10.2025 20:15 Uhr | ZDF

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