Der Top-Manager der Renaissance, sein Ziehsohn & seine Netzwerke
Jakob Fugger ist mutig: Ungarische Bergwerke kaufen, obwohl das osmanische Heer bereits an der Grenze steht? „Für dieses Problem werde ich eine Lösung finden.“ Aber wie, wenn Papst Innozenz VIII. den deutschen König Maximilian im Kampf gegen die Türken nicht unterstützen will? „Dann machen wir eben einen neuen Papst“, sagt Fugger, der reiche Augsburger Kaufmann. Geld regierte auch schon Ende des 15. Jahrhunderts die Welt – das kann man als historische Wahrheit des ARD-Zweiteilers „Die Puppenspieler“ mal unwidersprochen hinnehmen. Und Fuggers Methoden ähneln (jedenfalls im Film) dem heutigen Geschäftsgebaren, sieht man davon ab, dass es unüblich geworden ist, die eigene Nichte gegen ihren Willen zu verheiraten. Fugger, gewissermaßen einer der Top-Manager der Renaissance, ist viel unterwegs, pflegt seine Netzwerke, bemüht sich um Kontakte zu den einflussreichsten Personen in Klerus und Adel – und besticht sie mit Geld und der Aussicht auf noch mehr Geld, Ruhm und Macht. Herbert Knaup gibt diesen „Puppenspieler“, der die Fäden zieht und sein „Familienunternehmen“ mit kaufmännischer Strenge führt, der aber mit den religiösen Eiferern seiner Zeit nichts zu tun haben will – auch aus persönlichen Gründen. Denn die Mutter seines Ziehsohns Richard (Samuel Schneider) ist als Hexe verbrannt worden. Richard ist die eigentliche Identifikationsfigur des Zweiteilers: ein hübscher junger Mann, der auf Rache sinnt, sich verliebt und gegen die Engstirnigkeit seiner Zeit kämpft.
Foto: Degeto / Václav Sadilek
Ulrich Matthes besticht als gerissener Borgia-Papst Alexander VI.
Das fiktionale Fernsehen hat die Renaissance spätestens mit der Serie „The Tudors“ (2007) mit dem phänomenalen Jonathan Rhys Myers als Heinrich VIII. entdeckt. 2011 folgten „The Borgias“ mit Jeremy Irons und beinahe zeitgleich „Borgia“, eine Serie in drei Staffeln, an der auch ZDF und ORF beteiligt waren. Die beiden Sender legten außerdem in diesem Jahr mit dem Dreiteiler „Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe“ nach. Dieser König Maximilian taucht als Nebenfigur nun auch in der Verfilmung von Tanja Kinkels Roman „Die Puppenspieler“ auf, der bereits 1995 erschienen ist. Und Rodrigo Borgia, der es 1492 durch geschicktes Taktieren auf den Papstthron schaffte, hat nicht im Roman, aber im zweiten Teil seiner Verfilmung (wie in den Serien von 2011) eine tragende Funktion. Ulrich Matthes spielt den Kardinal und späteren Papst Alexander VI. mit offenkundig großem Vergnügen als den gerissensten und unberechenbarsten „Puppenspieler“ von allen.
Eine märchenhafte Liebesgeschichte auf Augenhöhe
Die Renaissance als saftige Epoche voller politischer Winkelzüge, Sex und Gewalt – das ist all diesen TV-Schinken gleich. Auch der Zweiteiler von Ziegler Film im Auftrag der ARD greift mit dem ausführlich erzählten Machtkampf im Vatikan auf dieses bewährte Rezept zurück, „wonach Männer Geschichte machen und die Frauen dazu wohlgestalt ihren Busen zeigen“, wie Willi Winkler in der Süddeutschen Zeitung treffend schrieb. Einzige starke Frauen-Figur in „Die Puppenspieler“ ist die schöne Saviya (Helen Woigk), die allerdings das pure Klischee einer verführerischen, übersinnlich talentierten Zigeunerin verkörpert und eher ein Geschöpf gegenwärtiger Wunschvorstellungen ist – eine unabhängige und selbstbewusste Frau in einer extrem frauenfeindlichen Zeit. „Ich bin ein freier Mensch. Keiner bestimmt über mich“, sagt Saviya zu Richard, der sie in den Alpen als einzige Überlebende eines Überfalls findet und gesund pflegt. Die Drehbuch-Autoren Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof erzählen eine Liebesgeschichte auf Augenhöhe, etwas märchenhaft zwar fürs ausgehende 15., aber erbaulich fürs 21. Jahrhundert. Die Ehefrau Fuggers, die in Kinkels Roman noch ein bedeutende Rolle spielte, wurde dagegen komplett gestrichen. Das musste wohl so sein, denn zwischen Jakob Fugger und Richard besteht eine viel engere Bindung als in der Vorlage.
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Foto: Degeto / Václav Sadilek
Die Frau als „Einfallstor für den Teufel“
Die Figur des religiösen Eiferers gibt eindrucksvoll Philipp Moog. Er spielt den „Hexenhammer“-Autor Henricus Institoris, der in den Dörfern mit Hass-Predigten gegen Frauen Angst und Misstrauen verbreitet und zu Denunziationen aufruft. Wie Frauen als vermeintliches „Einfallstor für den Teufel“ praktisch zu Freiwild erklärt wurden, das wird beklemmend erzählt. Institoris‘ Fürsprecher im Vatikan ist Kardinal Della Rovere (Rainer Bock), und gemeinsam mit Abt Torrani (Bernhard Schütz) arbeitet Istitoris an der Gründung eines Geheimordens, der „den ganzen Schmutz fortspülen“ soll. Ohne Szenen von Folter und Hexenverbrennungen geht es also auch hier nicht; die Gewaltdarstellung bleibt zwar im Rahmen, aber einen unangenehm voyeuristischen Beigeschmack hat die Lust an den finsteren Praktiken des ausgehenden Mittelalters trotzdem. Menschlichkeit setzt sich überdies nicht aus Überzeugung durch, sondern muss erkauft werden: Wenn sich ein Bischof gegen Institoris stellt und eine vermeintliche Hexe rettet, dann nur, weil ihm Fugger Geld geboten hat.
Von Augsburg nach Rom – ein Roadmovie zu Pferde
Den beträchtlichen Schauwert der Inszenierung von Rainer Kaufmann machen jedoch vor allem die Kulissen und verschiedenen Schauplätze aus. „Die Puppenspieler“ ist eine Art Roadmovie zu Pferde: Richard, Fugger und dessen rechte Hand Eberding (Sascha Alexander Geršak bringt in dieser Rolle Humor ins Spiel) machen sich auf den Weg über die Alpen, um mit einem Ochsenkarren voller Silber Politik und Papstwahl zu beeinflussen. Der opulente Zweiteiler hat daher auch etwas von einem Mittelalter-Western und vom klassischen Mantel- und Degen-Film mit seinen Fecht-Duellen und prächtigen Kostümen. Prunkvoll wird es vor allem am Ende des ersten Teils, bei dem glamourösen Fest vor dem imposanten Palazzo der Medici nahe Florenz. Dagegen mutet der Sitz des Fuggerschen Unternehmens in Augsburg wie ein gewöhnlicher Marktplatz an. Auch Venedig und Rom haben ihre Auftritte. Die Handlung ist zwar weder besonders originell noch überraschend, Kaufmanns Inszenierung hält aber Tempo und Spannung. Für ein kurzweilig-stimmungsvolles Film-Abenteuer nach den Festtagen reicht es allemal, nicht zuletzt dank des Szenenbilds und der Ausstattung.
Gedreht in Tschechien, der Toskana und in den Bayerischen Alpen
Auch die musikalische Begleitung ist alles andere als eintönig und plump. Für den Komponisten Karim Sebastian Elias war es wichtig, „einen ,heutigen‘ Sound, der aktuell und nicht nach ,Kostümfilm‘ klingt, zu kreieren. Wobei wir auch das Mittelalter in der Musik spürbar machen wollten. So habe ich einerseits das Brandenburgische Orchester Frankfurt/Oder und alte Instrumente wie Theorbe, Laute und Viola da Gamba aufgenommen, andererseits auch mit einem modernen, elektronischen Sound gearbeitet“. Gedreht wurde mit 2000 Komparsen in Tschechien, der Toskana und in den Bayerischen Alpen. „Ich möchte, dass der Zuschauer in diese Zeit eintaucht, sie ‚riecht und spürt‘ und sich mit unserem Helden auf seine Lebensreise begibt“, sagt Regisseur Kaufmann. (Text-Stand: 30.11.2017)