Seit einigen Jahren liefern sich ARD und ZDF einen Wettbewerb um die schönsten Märchenverfilmungen. Das „Erste“ schnitt dabei regelmäßig besser ab, weil seine Filme kürzer, charmanter und dank einer gewissen Selbstironie ohnehin stärker auf die ganze Familie ausgerichtet waren; von der prominenteren Besetzung ganz zu schweigen. Schon 2012 aber zog das „Zweite“ mit der „Die Schöne und das Biest“ nach, und auch das diesjährige Märchen ist ein kurzweiliges Vergnügen für große und kleine Märchenfreunde.
Neben der Produktionsfirma Kinderfilm garantieren vor allem die vielfach ausgezeichneten Anja Kömmerling und Thomas Brinx, dass „Die Goldene Gans“ ein besonderer Film ist. Die beiden gehören zu den erfahrensten Autoren im deutschen Kinderfernsehen; ihr Märchenfilm „König Drosselbart“ (ARD) ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man eine klassische Vorlage zeitgemäß adaptiert. Gleiches gilt für „Die Goldene Gans“. Waren frühere ZDF-Märchen häufig zu lang, weil die Geschichten auf 90 Minuten gestreckt werden mussten, können es sich Kömmerling und Brinx diesmal sogar leisten, den Schluss des Grimm’schen Märchens zu beschneiden: Der junge Held muss keineswegs noch drei unerfüllbare Aufgaben lösen, bevor er die Prinzessin zur Frau nehmen darf; der König kürzt die Sache kurzerhand ab.
Bis zum Happy End ist es trotzdem ein buchstäblich weiter Weg: Till ist ein Bursche von derart reinem Herzen, dass seine Mitmenschen seine Aufrichtigkeit mit Dummheit verwechseln und ihn daher bloß Dummling rufen. Jeremy Mockridge, ein weiterer Spross der vielfältig talentierten Familie des Schauspielers Bill Mockridge („Lindenstraße“), ist mit seinem symphatischen, offenen Wesen eine ausgezeichnete Besetzung für den jungen Mann, der sich trotz aller Mobbingversuche gerade seiner älteren Brüder nicht ins Bockshorn jagen lässt. Weil Till im Gegensatz zu den Brüdern seine Wegzehrung bereitwillig mit einem alten Mann teilt, belohnt ihn dieser mit dem Titeltier, das durch sein güldenes Federkleid prompt die Gier in den Menschen zum Vorschein bringt. Zur Strafe bleiben sie an der Gans oder an der Person, die das Tier berührt hat, kleben, weshalb Till alsbald eine ganze Prozession hinter sich hier zieht: eine Wirtin (Anna Böttcher) und ihre hübsche Schwester (Teresa Weißbach), einen Pfarrer (Hilmar Eichhorn), einen Prinzen (Arndt Schwering-Sohnrey) und schließlich auch einen Räuber (Thorsten Merten) und seinen etwas beschränkten Sohn (Edin Hasanovic). Sie alle sind nun auf dem Weg zum Schloss, denn Till hat bei einer kurzen Begegnung mit Prinzessin Luise erkannt, wie traurig die Königstochter ist; die Gans soll ihren Kummer lindern.
Schon allein die unfreiwillige Polonaise ist immer wieder witzig, zumal die Gruppe ausgesprochen treffend zusammengestellt ist. Gleiches gilt für die Königsfamilie: Seit dem Tod seiner Frau ist König Eduard (Ingo Naujoks) untröstlich. Heimliche Herrscherin ist seine Schwester (Ulrike Krumbiegel), die lieber heute als morgen ihre Nichte an den Mann bringen will, um sie loszuwerden. Im Vergleich zu den fragilen Schönheiten, die die Märchen der ARD bevölkern, mag die Besetzung der Prinzessin mit Jella Haase überraschen, aber das pausbäckige Schmollgesicht Luises spielt sie überaus glaubwürdig. Während die junge Darstellerin nicht viel Spielraum hat, nutzen die erfahrenen Kollegen ihre Rollen für viele hübsche Kleinodien; gerade Merten holt aus seiner Figur fast mehr raus, als drin steckt. Die Bildgestaltung ist sehr sorgfältig, die Musik von Chris Bremus ausgesprochen mitreißend.