Der Deckel des US-Panzers flog auf. Dunkle Wolken stiegen zum Himmel. Ein brennender Soldat versuchte, der tödlichen Glut zu entkommen – vergeblich. Das Bild hat sich in der Erinnerung von Gregor Dorfmeister eingebrannt. „In diesem Augenblick bin ich zum Pazifisten geworden“, sagt der Autor des Bestsellers „Die Brücke“. Mit einer Panzerfaust hatte er das schreckliche Ereignis heraufbeschworen. „Dass Menschen in dem Fahrzeug waren, wurde mir erst durch diese grausige Szene bewusst.“ Was folgte waren Panik, Verzweiflung und Überlebensangst. Es war die Nacht vom 30. April 1945. Acht blutjunge Soldaten im Schützengraben neben einer Brücke lauernd, der US-Feind im Anmarsch.
Bernhard Wicki verfilmte 1959 Dorfmeisters Roman. Der Film bekam einen Golden Globe, wurde für den Oscar nominiert und gilt als wegweisender Antikriegsfilm, Lieblingsfilm vieler Deutschlehrer. Für die Sehgewohnheiten der „Generation Playstation“ aber verfängt Wickis kühl-distanzierte Ästhetik mit der realistisch-staubigen Schwarzweiß-Fotografie allerdings längst nicht mehr. Deshalb wagte sich Pro Sieben nach seinen Remakes von „Fleisch“ und „Die Schatzinsel“ nun an einen der wichtigsten Filme der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Er ist gemacht für die Jungen, die das Original nicht kennen und auch keine Lust hätten, es sich anzuschauen“, betont Franka Potente. Sie spielt die junge Lehrerin, die versucht, ihre Schüler zu retten, die in einen völlig aussichtslosen Kampf geschickt werden.
Krieg ist Wahnsinn. Auch wenn es problematisch ist, in Filmen positive Figuren für eine schlechte Sache kämpfen zu lassen, zeigt Wolfgang Panzers Neuverfilmung doch sehr deutlich, was die jungen Rekruten antreibt. Von Kindesbeinen an ideologisch gedrillt, wollen sie härter und mutiger sein als ihre Väter, die sich aus dem Staub machen. Der Rest ist pures Testosteron. Berauscht von der Kraft der Waffen, von plötzlicher Verantwortung und vermeintlicher Macht wollen die „Jungs“ die Stellung halten – koste es, was es wolle. Als die Erwachsenen sie zum Aufgeben überreden wollen, ernten diese Häme. Der Krieg also auch ein Schlachtfeld der Generationen. Die Pubertät ein tödlicher Kampf. Im Kugelhagel findet der jugendliche Tatendrang sein jähes Ende. „Nach und nach steigert man sich wie berauscht in einen Überlebenskampf, in dem man instinktiv handelt und nicht mehr rational.“ So hat sich Francois Goeske die Psyche seiner Figur zurechtgelegt. Der 19-jährige gebürtige Franzose gehört nach „Französisch für Anfänger“ und „Die Schatzinsel“ zu den großen Talenten seiner Generation. Aber auch die anderen Jungdarsteller, von Lars Steinhöfel („Unter uns“) über Alexander Becht („GZSZ“) bis zu Toni Deutsch („Schloss Einstein“), beweisen einmal mehr, dass der Karrierestart mit einer Teenager-Soap nicht unbedingt bei Pilcher & Co enden muss.
Keine Frage, dass Wicki einiges intelligenter machte als Panzer 50 Jahre später. Der Verzicht auf die Darstellung von Hakenkreuzen beispielsweise gab dem Klassiker einen universalen Anstrich und verhinderte Nazi-Chargen wie den von Michael Lott verkörperten Standartenführer. Der Nationalsozialismus fand bei Wicki in den Dialogen, der Diktion der Worte, seinen unmenschlichen Ausdruck. „Die Brücke“ 2008 bleibt ein Antikriegsfilm. Im Trommelfeuer der zweiten Filmhälfte spielt der Regisseur nur gelegentlich mit dem Faszinationspotenzial von Gewalt. Deutlich im Zentrum steht die Orientierungslosigkeit der verlorenen „Helden“. (Text-Stand: 29.9.2008)