Frühling 1961, kurz vor dem Berliner Mauerbau. Der 20-jährige Siggi zeichnet gut, will Bühnenbild studieren. Das hat ihn nach Dresden verschlagen, wo er bei seiner Tante wohnt und am Staatstheater schon mal etwas Bühnenluft schnuppern darf. Ungleich mehr fasziniert ist er allerdings vom Roten Kakadu, einer Tanzbar, in der sich das Rock & Roll begeisterte Jungvolk der Stadt trifft und in der es in den Hinterzimmern noch wilder zugeht als auf der Tanzfläche. Oder ist es vielmehr der Liebreiz der schönen Luise – der Siggi Nacht für Nacht in das „Etablissement“ treibt? Er hat sie und ihren Mann Wolle nach einem Polizeieinsatz kennen gelernt. Sie schreibt, er rebelliert und provoziert vor allem gern öffentlich („Ich bin stolz, in diesem Land leben zu dürfen. Über Spanien lacht nur die Sonne, über die DDR lacht die ganze Welt.“). Weil Siggi Luise nicht haben kann, sucht er die Nähe von Wolle, gerät durch ihn ins Visier der Stasi und kann wohl seinen Traum von der Theaterhochschule begraben. Nicht begraben will er den Traum von einer Zukunft mit Luise. Doch erst mal wird der Rote Kakadu geschlossen und die alte Clique sieht sich auf der Anklagebank wieder.
Rainer Gansera über die Nouvelle-Vague-Anleihen:
„Dann wird man endgültig an die Filme der Nouvelle Vague denken, die etwa zu der Zeit gedreht wurden, da diese Geschichte spielt. Dominik Graf behandelt sie alle mit der gleichen Zärtlichkeit und Neugier, die Haupt- und die so genannten Nebendarsteller, die Guten und die Bösen, die Verwegenen und die Verzweifelten… Was Jugend kann, was Jugend darf: Zum Beispiel der Tante ihr Meißner Porzellan klauen und im Westen verscherbeln. Mit Klamotten zurückkommen, die tollkühn und lächerlich sind – spitze Schuhe in knalligem Gelb mit schwarzen Schnürsenkeln! Den Undercover-Agenten der Staatsmacht ins Sektglas pinkeln und dabei die Angst bekämpfen, dass sie eines Tages allen den Prozess machen werden.“ (Süddeutsche Zeitung)
„Der Rote Kakadu“ hebt sich wohltuend von jenen Zeitgeschichtsdramen ab, wie sie zu historischen Jahrestagen immer wieder gern vom Fernsehen produziert werden. Der Film von Dominik Graf erzählt zunächst eine stimmige Liebesgeschichte im Stile eines luftigen Coming-of-age-Sommerfilms. Auch die in Event-TV-Movies so beliebte Dreiecksgeschichte variieren die Drehbuchautoren Karin Aström und Michael Klier eher in Nouvelle-Vague-“ als „Der-Tunnel“-Manier. Dabei sind die Charaktere soweit vertieft, wie es für einen stimmigen Unterhaltungsfilm nötig ist. Eine größere Plastizität und Individualität der beiden Hauptfiguren wären sicher möglich gewesen, aber das wäre wohl zu Lasten der Ausleuchtung des Zeithorizonts gegangen. Oder der Film wäre ins Arthaus-Beziehungsdramatische gerutscht wie der letzte enttäuschende Kinofilm von Dominik Graf, „Der Felsen“. Den Weg, den die Macher einschlagen ist ein ungewöhnlicher, es ist ein guter – zumal die herausragenden Schauspieler der Buch-Vorlage jede Menge Vitalität und Eigensinn einhauchen. Der Film besitzt eine enorme physische Kraft, es ist die Kraft von Suff & Sex & Rock’n’Roll, eine Kraft, die sich ästhetisch wie so oft bei Dominik Graf in einen großartigen Rhythmus auswächst – eine wunderbar austarierte Einheit aus Erzähl- und Bilderfluss. Sicher spiegelt „Der Rote Kakadu“ auch einiges vom Zeitgefühl einer bestimmten Jugendkultur in der DDR. Aber das ist nicht die primäre Geschichte. Das ist dann die einzige Gemeinsamkeit, die dieser Kinofilm mit den historischen Fernseh-Events besitzt. Nur, „Der Rote Kakadu“ führt jenen Polit-Diskurs im Hintergrund intelligenter. Dieser Film ist dem Kino und seiner Tradition verpflicht, er spiegelt Wünsche, Träume, sucht Transzendenz, und er ist ein Liebesfilm.