Ein sogenanntes Serien-Special ist ja nicht nur ein Schmankerl für die festen Freunde der jeweiligen Reihe, sondern auch ein Werbevorgang: Wer zum Beispiel „Der Bergdoktor“ nicht kennt, wird auf diese Weise vielleicht auf die Serie aufmerksam. Das funktioniert aber nur, wenn der Neunzigminüter nicht wie eine gestreckte 45-Minuten-Folge aussieht. Dies immerhin lässt sich dem Film „Wunschkind“ attestieren: Die Geschichte hat keine Durchhänger, sie ist jederzeit fesselnd und hat dank diverser Bergflüge schöne Schauwerte zu bieten. Andererseits ist genau das auch das Problem des Films: Die prachtvollen Alpenpanoramen stehen in keinerlei Verbindung zur Handlung und sind bloßes Augenfutter.
Das wird nicht zuletzt eine Frage des Geldes sein: Ein schöner Tag mit klarer Sicht genügt, um Bildmaterial für eine ganze Staffel zu sammeln. An dramaturgisch ungleich sinnvollerer Stelle, wenn sich der Titelheld ins Schneegestöber stürzt, um eine lebensmüde Patientin zu retten, fehlen die entsprechenden Bilder: Die Aktion wird quasi auf Aufbruch und Ankunft reduziert. Die Fahrt mit dem Schneemobil und die beschwerliche Rückkehr ins Tal hätten garantiert tolle Actionbilder ergeben, wären aber in der Produktion aufwändig gewesen. Zum Ausgleich gibt es einen spektakulären Lawinen-Stunt mit einem Show-Ski-Ass.
Foto: ZDF / Stefanie Leo
So bleibt es bei einer vor allem emotionalen Spannung, aber die ist auch recht hoch, zumal tatsächlich sehr viel Gefühl im Spiel ist, denn Martin Gruber tut alles, um das Leben eines Neugeborenen zu retten. Mutter Gruber (Monika Baumgartner) hat das Baby kurz vor Weihnachten in der Kirche gefunden und umgehend einen Narren an dem süßen Fratz gefressen. Da der Betreuungsdienst des Jugendamts überlastet ist, will sie den Jungen über die Feiertage bei sich aufnehmen. Aber das Kind ist krank, sein Zustand verschlechtert sich zusehends. Die Untersuchung im Krankenhaus deutet auf eine Virusinfektion hin. Gruber muss unbedingt die Eltern finden, um aus deren Blut Antikörper zu gewinnen – und jetzt wird die Sache richtig kompliziert. Die Mutter (Sinja Dieks) ist rasch aufgetan, auch sie ist nicht gesund, kann aber nichts zur Heilung des Babys beitragen. Dass auch ihre seelische Stabilität aus dem Gleichgewicht ist, hat jedoch andere Gründe, und nun gerät Gruber mitten hinein in eine komplizierte Beziehungsproblematik: Julia ist nach einem Seitensprung schwanger geworden und hat ihren Freund Markus (Tim Bergmann) aus Angst vor einer Trennung kurz vor der Hochzeit sang- und klanglos sitzen gelassen, denn der Verlobte ist nicht zeugungsfähig. Nachdem das Kind nun auf der Welt ist, möchte sie zu ihm zurückkehren, und nach anfänglicher Empörung ist Markus zu einem Neuanfang bereit; deshalb kann Julia den lästigen Gruber jetzt gar nicht brauchen. Potenzieller Vater, das ahnt man früh, ist Ski-Ass Felix (Joscha Kiefer), der auch Lilli Gruber (Ronja Forcher) den Kopf verdreht.
Da es zwischendurch immer wieder viel kompliziertes Fachvokabular gibt, das den Darstellern Rebecca Immanuel und Mark Keller flüssig über die Lippen geht, kommen auch die Fans von Arztserien auf ihre Kosten. Die Krankenhausszenen mit dem Baby wären noch überzeugender, wenn man nicht einige Male allzu deutlich erkennen könnte, dass zwischendurch auch mal mit einer Puppe hantiert wurde. Viel negativer schlagen allerdings einige Momente mit Sinja Dieks zu Buche. Da die Schauspielerin in dem Krimi „Bitteres Erbe“ aus der ARD-Reihe „Mord in bester Gesellschaft“ (10.12.15) als psychisch labile Erbin richtig gut und glaubwürdig war, muss der offenkundige Qualitätsunterschied mit der Führung durch die Regisseure zu tun haben; aber vielleicht wollte Jorgo Papavassiliou ja auch, dass sie in „Wunschkind“ in jeder Stresssituation wie ein verschrecktes Reh dreinblickt. Zu allem Überfluss muss sie auch noch Dialoge von sich geben, die zumindest aus dem Mund einer jungen Frau recht realitätsfern klingen („Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?!“).
Diskutabel ist auch die Bildgestaltung. Viele Szenenwechsel beginnen mit einem Kameraflug, gern auf Grubers Haus zu; das ist hin und wieder ganz hübsch, wirkt in der Häufung aber einfallslos. Dafür passt das heimelige Licht der Innenaufnahmen zur Vorweihnachtszeit. Außerdem ist Hans Sigl ein guter Typ, der viele Einwände wettmacht; und die prachtvollen Winterbilder von den Alpengipfeln, gern zu Sonnenauf- oder untergang, sind – wie gesagt – zumindest schönes Augenfutter.