Der Amsterdam-Krimi – Tod im Hafenbecken / Das verschwundene Kind

Hannes Jaenicke, Peter Koller, Peter Stauch. Abwechslungreiche Krimi-Unterhaltung

Foto: Degeto / Martin Menke
Foto Tilmann P. Gangloff

Alex Pollack ist zurück: Der von Hannes Jaenicke gewohnt viril verkörperte Querkopf vom LKA Düsseldorf ist zwar aufs Abstellgleis verbannt worden, aber sein holländischer Kollege braucht ihn, um den Mord an einem deutschen Enthüllungsjournalisten aufzuklären. Mit seinen „Amsterdam-Krimis“ drei und vier beweist Peter Koller erneut seine Klasse. Dank vieler trickreicher Wendungen sorgt der Autor nicht nur immer wieder für Überraschungen, sondern auch für ständig neue Spannungsbögen. Peter Stauch ist bereits der dritte Regisseur der Reihe. „Tod im Hafenbecken“ (Degeto / Zieglerfilm) ist kein Hochglanz-Thriller wie der Reihenauftakt im Herbst 2018, aber der Film wirkt aufwändig und ist durchgängig fesselnd. Die Episoden sind in sich abgeschlossen; Teil 2, „Das verschwundene Kind“, ist trotzdem eine Fortsetzung – und Thriller pur, weil Pollack in ein tödliches Dilemma gestürzt wird.

Raffiniertes Doppelspiel: „Tod im Hafenbecken“
Der Titel des 2018 ausgestrahlten zweiten „Amsterdam-Krimis“ mit Hannes Jaenicke, „Auferstanden von den Toten“, würde auch als Motto für den Auftakt von Teil drei passen: Obwohl Alex Pollack vom LKA Düsseldorf bei seinem Ausflug nach Holland einen Drogen-Händler und dessen Boss zur Strecke gebracht hat, versetzt ihn sein Vorgesetzter in die Keller-Abteilung Gerätewartung. Dort soll er seine Zeit bis zur Rente absitzen, und vermutlich wäre der Superbulle irgendwann verkümmert, wenn ihn Bram de Groot (Fedja van Huêt) nicht um Hilfe gebeten hätte. Der Amsterdamer Kollege macht sich Vorwürfe, weil er eine Bitte nicht ernst genommen hat: Julian Scheer (Anatole Taubman) war ein prominenter investigativer Journalist aus Deutschland und in Holland einer großen Sache auf der Spur. Er hat de Groot, den Leiter der Mordkommission, um Personenschutz gebeten, doch der hat das abgelehnt; jetzt ist Scheer tot. Der Enthüllungsreporter hatte herausgefunden, dass deutsche Konzerne mithilfe einer Amsterdamer Steuerkanzlei riesige Summen ins Ausland schaffen. Pollacks und De Groots Ermittlungen werden jedoch immer wieder von der Abteilung Wirtschaftskriminalität (FID) sabotiert. Als das Duo endlich einen Zugang zu Scheers raffiniert gesichertem Laptop gefunden hat, wird das Gerät prompt von Beamten des FID beschlagnahmt.

Wie schon bei den ersten beiden Filmen ist die Geschichte von „Tod im Hafenbecken“ im Grunde überschaubar. Trotzdem hat der Film eine komplexe Handlung, weil sich Peter Koller, der auch die anderen Drehbücher geschrieben hat, viel Zeit für die technischen Details nimmt; allein das Knacken der komplizierten Verschlüsseldung ist buchstäblich ein Kapitel für sich. Eine wichtige Rolle spielt zudem Scheers Freundin Femke (Hannah Hoekstra), die früher für die Kanzlei gearbeitet hat und nun ebenfalls Morddrohungen bekommt. Um den Mörder zu finden, lassen sich de Groot und Pollack auf ein raffiniertes und riskantes Doppelspiel ein.

Der Amsterdam-Krimi – Tod im Hafenbecken / Das verschwundene KindFoto: Degeto / Martin Menke
Pollack (Hannes Jaenicke) kommt der Zeugin Femke Pieters (Hannah Hoekstra) nahe.

Nach Michael Kreindl und Peter Ladkani ist Peter Stauch bereits der dritte Regisseur des „Amsterdam-Krimis“. Sein Film mag kein Hochglanz-Thriller wie der Reihenauftakt „Tod in der Prinzengracht“ sein, wirkt aber immer noch sehr aufwändig und ist vor allem durchgängig spannend. Stauch hat zwar auch den ausgezeichneten Abschluss der Reihe „Mord in bester Gesellschaft“ gedreht („Winters letzter Fall“, 2017), aber ansonsten in den letzten Jahren viel Zeit mit der ARD-Freitagsfilmreihe „Die Inselärztin“ verbracht. Die leichten Dramen mit Anja Knauer waren durchaus sehenswert; trotzdem ist es überraschend, dass die ARD-Tochter Degeto ihm die knallharten Krimis aus Holland anvertraut hat. Handwerklich hat „Tod im Hafenbecken“ allerdings hohes Niveau. Noch besser als die Bildgestaltung (Markus Schott) mit ihrem Wechsel von unterkühlten, fast in Schwarzweiß gefilmten Rückblenden und Szenen mit behaglich warmem Licht ist die elektronische Thriller-Musik von Andreas Helmle, der auch in den ersten beiden Episoden für permanente Spannung gesorgt hat.

Qualitätsbasis aller guten Filme ist in der Regel jedoch ein gutes Drehbuch. Alte Krimihasen werden zwar nicht auf das eine oder andere Täuschungsmanöver Kollers reinfallen, aber mit seinen vielen trickreichen Wendungen sorgt er nicht nur immer wieder für Überraschungen, sondern auch für ständig neue Spannungsbögen. Der Österreicher wollte keinen „’Kommissare finden eine Leiche am Strand und plaudern sich zum Täter durch’-Krimi“ schreiben, wie er es im Pressematerial formuliert; davon kann in der Tat keine Rede sein. Ähnlich groß ist der Anteil von Hannes Jaenicke, und das nicht nur, weil er den Anstoß zu dieser Geschichte gegeben hat. Es mag immer noch Kritiker geben, die seine darstellerische Bandbreite für limitiert halten, aber er ist einer der letzten echten Kerle im deutschen Fernsehen und auch mit mittlerweile sechzig Jahren derart gut in Form, dass er seine Stunts immer noch selbst absolvieren kann; Pollack ist als Figur wie für ihn geschaffen. Jaenicke beschreibt den Kommissar als Nihilisten und Zyniker, der an nichts mehr glaubt, zumal seine Geliebte (Alice Dwyer) auf und davon ist; geschickt integrierte Rückblenden erinnern an die Romanze. Deshalb kann er auch besser als sein holländischer Partner damit leben, dass die FID die Vorgänge unter den Teppich kehren will. De Groot hingegen will die Vertuschung nicht tatenlos hinnehmen; und davon handelt die Fortsetzung, „Das verschwundene Kind“.

Der Amsterdam-Krimi – Tod im Hafenbecken / Das verschwundene KindFoto: Degeto / Martin Menke
Cool: Bram de Groot (Fedja van Huêt) und Vanenburg (Arent Jan Linde) im Einsatz

Tödliches Dilemma: „Das verschwundene Kind“
Während die Spannung im ersten Film nicht zuletzt aus der Suche nach der Lösung des digitalen Rätsels resultiert, ist der zweite Teil Thriller pur: Kaum hat sich Pollack mit Nachbarin Annika (Bracha von Doesburgh) und deren kleinem Sohn Sam (Robin Welten) angefreundet, wird der Junge entführt. Die Gangster stellen dem deutschen Polizisten ein Ultimatum, das ihn mit einem grausamen Dilemma konfrontiert: Das Kind muss sterben; es sei denn, er tötet den mittlerweile auch als Freund geschätzten Kollegen Bram de Groot. Die Handlung der beiden Episoden ist zwar jeweils in sich abgeschlossen, aber Teil zwei ist trotzdem eine Fortsetzung, weshalb der Film auch mit einer Zusammenfassung beginnt: Weil die Behörden nichts gegen den Steuerskandal unternehmen, will Bram die großen Tageszeitungen informieren. Ein perfekt informierter und offenbar mächtiger Gegenspieler will das um jeden Preis verhindern. De Groot ist überzeugt, dass das FDI seine Finger im Spiel hat, aber die Behörde steckt ebenso wenig hinter der Erpressung wie die Steuerkanzlei.

Der optische Aufwand ist ähnlich groß wie in „Tod im Hafenbecken“, aber die zweite Episode ist deutlich actionreicher, zumal Pollack zur großen Freude des passionierten Bikers Jaenicke ständig mit dem Motorrad durch Amsterdam braust. Bei allem Thrill und Tempo (Regie führte erneut Peter Stauch) nimmt sich der Film trotzdem Zeit für kleine heitere Momente: Das Motorrad „leiht“ sich Pollack – „Du darfst sowieso nicht mehr fahren“ – von einem Mann, der mit seiner Freundin einen Joint raucht. Der zweite Teil bedient sich ohnehin aus einem größeren Spektrum. Der Polizist aus Deutschland und sein holländischer Kollege sind längst mehr als bloß berufliche Partner, und die Grachtentour, die Pollack zu Beginn mit Annika macht, könnte auch aus einem ARD-Freitagsfilm stammen, zumal Kameramann Markus Schott für einige schöne Amsterdam-Bilder sorgt. Der erste Film imponiert durch glitzernde Nachtpanoramen, Teil zwei zeigt die Stadt überwiegend bei Tag.

Der Amsterdam-Krimi – Tod im Hafenbecken / Das verschwundene KindFoto: Degeto / Martin Menke
Vier echte, kernige Typen: Bram de Groot (Fedja van Huêt), Erik Vanenburg (Arent Jan Linde), Alex Pollack (Hannes Jaenicke) und Annika (Bracha van Doesburgh).

Natürlich tut Pollack nur so, als wolle er Bram umbringen, und nun beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, das nur dann gut ausgehen kann, wenn es den beiden Polizisten gelingt, den Spieß umzudrehen. Erneut sorgt Autor Peter Koller für unvorhersehbare Twists; dazu gehört unter anderem ein gedungener Killer, der ein Herz für Kinder hat. Am Ende verblüfft er noch mit einem Ass, das er im Verlauf der Handlung ganz beiläufig in den Ärmel gesteckt hat. Auch die Schauplätze sind interessant. Der kleine Sam wird auf einer Insel vor der Küste festgehalten; die Festung erinnert stark an Fort Boyard. Die Szenen wurden auf IJmuiden gedreht, einem Fort auf einer Insel vor Amsterdam, das einst zum Verteidigungsring der Stadt gehörte.

Beide Filme profitieren zudem von einer sorgfältigen Zusammenstellung des Ensembles. Fedja van Huêt ist ein ausgezeichneter Partner für Jaenicke, und das Trio Birgit Welink, Peter Post und Erik Vanenburg als Team hinter dem Duo ist nicht zuletzt dank der zum Teil recht witzigen Dialoge mehr als bloß eine gute Ergänzung. In ihrer durchaus zwielichtigen Rolle als Bürgermeisterin ist auch Tanja Jess wieder mit von der Partie. Gründlich misslungen ist dagegen wie in vielen deutschen Auslandsproduktionen nicht nur der ARD-Tochter Degeto die akustische Ebene. Einige der holländischen Schauspieler sprechen sehr gut deutsch, wenn auch mit hörbarem Akzent. Peter Post, der Darsteller des Cyber-Experten aus De Groots Team, hat hingegen deutsche Wurzeln und beherrscht die Sprache perfekt. Viele andere sind dagegen synchronisiert worden; auch die TV-Nachrichten werden in makellosem Hochdeutsch vorgetragen. Kein Wunder, dass die Krimis durch einen sprachlichen Mischmasch irritieren, der sensible Ohren auf eine große Probe stellt. Umso besser ist wieder die Musik. Helmles Kompositionen zerren zwar ebenfalls an den Nerven, aber mit voller Absicht.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Hannes Jaenicke, Fedja van Huêt, Birgit Welink, Peter Post, Erik Vanenburg, Ferdi Stofmeel, Tanja Jess; Episodenrollen (1): Hannah Hoekstra, Anatole Taubman (2): Bracha von Doesburgh, Robin Welten

Kamera: Markus Schott

Szenenbild: Alfred Schaaf

Kostüm: Fleur Enderberg

Schnitt: Laura Wachauf, Darius Simaifar

Musik: Andreas Helmle

Redaktion: Sascha Mürl, Christoph Pellander

Produktionsfirma: Zieglerfilm Köln

Produktion: Barbara Thielen

Drehbuch: Peter Koller

Regie: Peter Stauch

Quote: (1): 5,95 Mio. Zuschauer (19,3% MA); (2): 6,27 Mio. (21% MA); Wh. (2021): (1): 5,10 Mio. (18,8% MA);

EA: 04.06.2020 20:15 Uhr | ARD

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