Nur wenige Wochen nach dem Ken-Follett-Vierteiler „Die Tore der Welt“ präsentiert Sat.1 das nächste aufwändig gestaltete Mittelalter-Epos. Diesmal stammt die Vorlage von der Britin Kate Moss; der Roman „Das verlorene Labyrinth“ war ihr internationaler Durchbruch. Die Umsetzung erfolgte erneut durch Tandem Communications. Die Münchener Produktionsfirma hat sich schon seit einigen Jahren auf Mehrteiler dieser Art spezialisiert.
Die Mittelalterfilme von Tandem werden handwerklich stets auf bemerkenswertem Niveau hergestellt. Koproduzenten sind auch diesmal wieder Ridley Scott sowie sein im Sommer 2012 verstorbener Bruder Tony. Gerade Ridley („Blade Runner“) ist einer der gefragtesten Regisseure überhaupt. Von der Klasse seiner Kassenknüller wie „Gladiator“ ist „Das verlorene Labyrinth“ zwar weit entfernt, aber mit diesem Kinomaßstab täte man dem vom Engländer Christopher Smith inszenierten TV-Zweiteiler auch Unrecht. Ähnlich wie bei den Follett-Verfilmungen liegt der Reiz in der authentisch wirkenden Rekonstruktion mittelalterlicher Zu- und Missstände; ein bisschen Erotik, finstere Komplotte, Meuchelmorde sowie diverse blutige Schlachtenbilder inklusive. Die große Stärke dieses Films ist die Bildgestaltung (Kamera: Robert Humphreys). Das Licht gerade bei den Innenaufnahmen erinnert an die Gemälde alter Meister. Andererseits ist die Handschrift von Tandem Communications unverkennbar, was wiederum gegen die Originalität der Umsetzung spricht: Wer zufällig mittendrin einschaltet und die Follett-Filme kennt, wird überzeugt sein, es handele sich um eine Wiederholung. Dazu gehört auch der Verzicht auf Ironie. Das Mittelalter der Tandem-Produktionen ist eine ausgesprochen freud- und humorlose Ära, was angesichts des diesem Film zugrunde liegenden Kreuzzuges gegen die Albigenser ja auch nicht von der Hand zu weisen ist.
Foto: Sat 1 / Tandem Productions
Gedreht wurde überwiegend im südfranzösischen Carcassonne statt, dem Schauplatz der tatsächlichen Ereignisse, was gleichfalls zur Authentizität beiträgt. Auf zwei Zeitebenen, die zum Teil kunstvoll miteinander verbunden sind, werden die Erlebnisse zweier junger Frauen erzählt: In der Gegenwart entdeckt Lehrerin Alice im Rahmen von Ausgrabungen in einer Höhle zwei ineinander verschlungene Skelette sowie einen Ring mit einem symbolisierten Labyrinth. Dadurch gerät sie ins Visier einer sektenähnlichen Gruppe, die seit langem nach dem legendären Heiligen Gral sucht. Als mindestens ebenso gefährlicher Gegner entpuppt sich ein Scherge des Vatikans, der mit allen Mitteln verhindern will, dass der Gral gefunden wird. Parallel dazu werden die Erlebnisse der Heilerin Alais zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschildert. Ihr Vater ist einer der Hüter des Grals, fällt aber – wie viele andere Bewohner von Carcassonne – dem Kreuzzug gegen eine christliche Splittergruppe zum Opfer. Er überträgt Alais die Verantwortung und macht sie damit zur Zielscheibe der mittelalterlichen Gralsjäger.
Wie schon bei „Die Tore der Welt“ ist ein Großteil des Budgets, immerhin 20 Millionen Dollar, in die Ausstattung investiert worden. Mit Ausnahme von John Hurt, dessen große Stunde allerdings erst in Teil zwei schlägt, sind die Schauspieler hierzulande weitgehend unbekannt. Die beiden Hauptdarstellerinnen Vanessa Kirby (Alice) und Jessica Brown-Findlay (Alais) machen ihre Sache immerhin recht ordentlich, was sich nicht über alle Mitwirkenden sagen lässt; ein Umstand, der durch eine nicht immer professionell klingende Synchronisation noch verstärkt wird. Das gilt auch für den als Harry Potters Gegenspieler Malfoy bekannt gewordenen Tom Felton und für Claudia Gerini, die in ihrer darstellerischen Unbeholfenheit als charismatische Anführerin einer Geheimsekte völlig unglaubwürdig ist. Um so reizvoller aus hiesiger Sicht ist die Figur, die Bernhard Schir verkörpert. Der Österreicher hat schon manchen Schurken gespielt, aber so böse wie als Scherge des Vatikans musste er selten agieren. Und die Gelassenheit des Alters, mit der John Hurt Alice’ väterlichen Freund und Mentor verkörpert, entpuppt sich am Ende auf verblüffende Weise als Teil der Geschichte.