Dampfnudelblues. Ein Eberhoferkrimi

Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Christian Zübert. Ed Herzog. Abgrundtief witzig!

Foto: Degeto / Bernd Schuller
Foto Rainer Tittelbach

Bei dem ARD-Schmankerl „Dampfnudelblues“ ist der Krimi nur Vorwand um ein bisschen Handlung in dieses von kauzig-schrulligen Charakteren bevölkertes Kuriositäten-Kabinett zu bringen. Schräge Situationen, Dialoge mit feinem Understatement, schwarzhumoriger Witz dominieren. Eigenheiten, Marotten und Süchte halten die Menschen in der niederbayerischen Pampa am Leben. Das Skurrile obsiegt über das Klischee, lässiger Rhythmus über das Nummern-Revuehafte. Sebastian Bezzel und Simon Schwarz sind umwerfend komisch!

„Stirb du Sau“ steht in großen Lettern an der Hauswand von Schulleiter Höpfl. „Rektor ist nicht der beliebteste Job, gerade bei Schülern“, weiß Franz Eberhofer. „Auch als Polizist wird man nicht nur Freunde haben“, wirft der allseits verhasste Pauker ein. „Ja, an meiner Wand steht jetzt aber nicht ‚Stirb du Sau’“, kontert Dorfsheriff. Nicht schlecht, man könnte ihn leicht unterschätzen, diesen semmelblonden Eberhofer Franz, der im niederbayerischen Niederkaltenkirchen für Recht und Ordnung sorgt. Fast 40 und immer noch wohnhaft “daheim“ und strafversetzt wegen Übergriffigkeit im Dienst. Seinen Ex-Kollegen Rudi hat es noch schlimmer erwischt: der hat einem Kinderschänder „die Eier weggeschossen“ und muss jetzt als Kaufhausdetektiv sein Dasein fristen. Der ist deshalb ganz besonders Ohr, als „dem Höpfl sein Köpfel“ auf den Bahngleisen liegt. Selbstmord, wie alle glauben – ausgeschlossen! Und so ermitteln die zwei wie in alten Zeiten, zwar ohne Auftrag, dafür höchst effektiv.

Sebastian Bezzel über seinen Franz Eberhofer
„Er ist ein Sheriff, kein klassischer deutscher Polizist. Er ist ein Einzelgänger, hat seinen eigenen Rhythmus, seine Sicht der Dinge und ist davon auch schwer abzubringen. Diese Sturheit macht es ihm und den Menschen in seiner Umgebung nicht immer ganz leicht, hilft ihm aber beim Ermitteln. Zwar ist Franz Eberhofer nicht besonders ehrgeizig, was Karriere, Familienplanung und Erfolg angeht. Wenn er sich aber irgendwo festgebissen hat, dann lässt er nicht mehr los.“

Soundtrack: AC/DC („Whole lotta Rosie“), Judas Priest („Breaking the Law“), Beatles („Penny Lane“, „Girl“, „She loves you“, „Come together“)

Dampfnudelblues. Ein EberhoferkrimiFoto: Degeto / Bernd Schuller
Noch ist das Köpfel auf dem Höpfl. Der Dorfsheriff (Sebastian Bezzel) und der verhasste Rektor (Robert Palfrader)

Aber – man merkt es schnell – bei diesem „Dampfnudelblues“ ist der Krimi nur Vorwand um ein bisschen Handlung in dieses von kauzig-schrulligen Charakteren bevölkertes Kuriositäten-Kabinett zu bringen. Ob Eberhofers Charme-Attacken („Dellen auf’d Hax’n“) und dessen verdruckstes „Werben“ um seine fremdelnde Susi. Ob die nächtliche Männersause mit AC/DC, Luftgitarre und jede Menge Whiskey. Ob das neugierige Nachbarpärchen hinter der Hecke, das am liebsten im Chor antwortet. Ob der schnupftabaksüchtige Dienstellenleiter, ob der coole Eberhofer senior, der ohne Joint und Beatles-Songs nur schwer durch den Tag kommt oder Oma Eberhofer, die nur hört, was sie hören will und zur Freude aller kocht und brät und backt. All das ist origineller als der Plot um spezielle sexuelle Neigungen. Und doch passt alles bestens zusammen in diesem ersten „Eberhoferkrimi“. Alle haben sie sich kleine Marotten als Überlebensstrategien oder handfeste Süchte als lebensbedrohliche Fluchten zugelegt. Denn dieses Niederkaltenkirchen kann schon die Hölle sein. Auch das Mordopfer, dieser ungeliebte Pedant, war ein einsamer, verzweifelter Mensch, der sich im Keller einen Poolbereich der besonderen Art eingerichtet hat. Ein „Dauerkunde“ des Dorfpolizisten, eine Frau, die sich von Mann und Schwager blutig schlagen lässt, schlägt einfach mal zurück, mit zwei Bierflaschen. Das ist bitter, das ist schwarzhumorig, hat viel von Deix und Seidl (dem Film tut auch der deutsch-österreichische Cast sehr gut). Da haben sich Rudi und Franz noch die „gesündesten“ Laster ausgesucht. Ohne eine zünftige Brotzeit, ohne eine oder zwei oder drei Leberkässemmel, ohne einen Schweinebraten mit Klößen ist ein Tag kein guter Tag.

So bekommt dieser „Dampfnudelblues“ nie etwas Nummern-Revuehaftes, sondern schrammelt cool und lässig, schwarzhumorig und nicht immer politisch korrekt durchs geranienfreie Niederbayern. Nicht allzu tempogeladen. Blues eben. Da ist Stimmung wichtiger als Dramaturgie. Diese Regionalkrimikomödie macht Laune, weil sie sich konsequent für eine Charakterkomödie mit schrägen Typen als Sidekicks entscheidet und nicht den Balanceakt zwischen den Genres versucht. Dass der Film im Sommer vorab – mit fast einer halben Million Zuschauer – sehr erfolgreich in bayerischen Kinos lief, wundert einen nicht. Die Mischung stimmt. Das Skurrile siegt über das Klischee, die Schauspieler, allen voran Sebastian Bezzel und Simon Schwarz, sind zum Wegwerfen komisch, die Dialoge besitzen hintergründigen Witz und feines Understatement und wenn man genau hinschaut, dann lauern tiefe Abgründe in diesem gar nicht so schönen Bayernland. (Text-Stand: 29.10.2013)

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Fernsehfilm

ARD

Mit Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Ilse Neubauer, Eisi Gulp, Lisa Maria Potthoff, Sigi Zimmerschied, Gerhard Wittmann, Nina Proll, Stephan Zinner, Maria Hofstätter, Robert Palfrader, Ernst Hannawald, Nadeshda Brennicke

Kamera: Sebastian Edschmid

Szenenbild: Doerthe Komnick

Schnitt: Stefan Essl, Benjamin Hembus

Produktionsfirma: Constantin Television

Drehbuch: Christian Zübert

Regie: Ed Herzog

Quote: 5,39 Mio. Zuschauer (16,7% MA); Wh.: 4,03 Mio. (12,3% MA)

EA: 05.12.2013 20:15 Uhr | ARD

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