Chiko will nach oben. „Wenn du der Beste sein willst, dann musst du Respekt kriegen“, sagt er und haut erst mal jedem auf die Nase, der ihm im Weg ist bei seinem sozialen Aufstieg. Das macht Eindruck auf Brownie, den Big Boss in der Szene, nach außen ein cooler Plattenproduzent, der sich seinen Reichtum durch Drogengeschäfte erdealt hat. Bald ist auch Chiko mit in seinem Clan. Jetzt macht der schmächtige Türke die Ansagen im Drogenmilieu. Auf der Strecke bleibt sein bester Freund Tibet, sein Kumpel seit Kindertagen. Der fühlt sich verraten. Seine Wut auf Brownie kocht hoch, nachdem er von ihm und seinen Mannen brutal gefoltert wurde. Dann fallen Schüsse. Jetzt muss Chiko sich entscheiden. Was bedeutet ihm mehr: der weiße Mercedes, die Rolex, die Nobelwohnung mit Luxusmuschi Meryem oder die Freundschaft zu Tibet? Der bleibt weiter unberechenbar. Und Brownie ist stinksauer…
Die Gewalt schleicht sich beiläufig ein in Özgür Yildirims Gangsterfilm „Chiko“ (Trailer). Zu Beginn verdecken derbe Sprüche und zahlreiche Gags das hohe Gewaltpotenzial der Figuren. Doch mit dem Aufstieg des Helden weiß man, dass sein Fall kommen wird. Und mit den ersten Blutspritzern und bei dem ewigen Waffengefuchtel ahnt man, dass dieser Film wohl nur mit einem Blutbad die unbändige (kriminelle) Energie von Chiko & Co wird stoppen können. Der Film, der auf klassische Gut-Böse-Schemata verzichtet, beginnt als cooler und lockerer Gangfilm, schraubt sich gewalttätig zur Gangsterballade, um als klassische (Freundschafts-)Tragödie mit einer leisen Kritik am Turbo-Kapitalismus zu enden.
Soundtrack: u.a. Shuko ft. Born Unique („Outta yadome“), Karim ft. Bonez MC & Ceza („Ich will nach oben“), Jonny Chash („Wieso“), Lady Bitch Ray („Alles kommt zurück“), Kwa („Wenn die Sonne nicht mehr scheint“)
Präsentiert wird das für deutsche Verhältnisse ungewohnt roh, schnörkellos und schmutzig. Geradlinig die Story, schnittig die Montage, physisch direkt die Schauspieler, schmissig der Soundtrack. Da hiphoppt das Genrekino mit der Wirklichkeit. Auf dem Fernsehbildschirm entwickelt „Chiko“ zwar einen Sog, doch es ist möglich, Distanz herzustellen. Im Kino tat der Film weh. „Nägel, Baseballschläger und andere Gebrauchsgegenstände werden in Anschlag gebracht: Es hämmert und kracht und damit sind nicht nur die HipHop-Beats auf der Tonspur gemeint“, schrieb der „Tagesspiegel“ treffend zur Kinopremiere. (Text-Stand: 29.6.2011)