Ausgerechnet Sex

Valerie Niehaus und Tom Beck. Unschuld aus der Vorstadt fährt auf Roy, das Rohr ab

Foto: Sat 1
Foto Rainer Tittelbach

„Ausgerechnet Sex“ ist eine nicht unoriginelle „Sex-sells“-Komödie, die Pornografie (als Thema) und erotisches Ambiente mit der Kritik an sozialen Vorurteilen und kleinbürgerlicher Doppelmoral versetzt und zu einem leicht goutierbaren TV-Spaß aufschäumt. Der Film erhebt nicht den Anspruch, zu zeigen, wie es in der Pornobranche zugeht. Die Wir-sind-eine-große-Familie-Romantik kommt in Filmen immer gut, aber die Set-Realität bleibt bloßes Dekor für die „Wandlung“ der Heldin. Valerie Niehaus spielt mit Grace-Kelly-likem Reinheitsgebot und mit großem komödiantischen Gespür. Fortsetzung möglich!

Vati heimwerkert sich zu Tode – und Mutti ist geschockt. Nicht mit Bezahlsystemen fürs Internet hat Ralf Hausmann jahrelang den Wohlstand der Familie gemehrt, sondern als Pornoproduzent. Jetzt geht es der Branche schlecht. The Show must go on. Und das möglichst schnell. Marie will verkaufen. Doch Schwiegermutter Ingrid, Buchhalterin in der Firma, rät dringend ab. Hartz IV oder Pornos? Marie entscheidet sich fürs Weiterkopulieren – aber anders. „Warum macht man Liebe? Weil man sich sympathisch ist, weil man sich seelisch und körperlich attraktiv findet“, erklärt sie dem Team. Roy, das Rohr ist ganz Ohr, doch der „Feministinnen-Scheiß“, wie Schnacksel-Regisseur Volker diese „Sexualität im richtigen Kontext“ nennt, ist ein Riesenflop. Als Maries beste Freundin die Sache spitz kriegt mit „Marie X“ und dem „Erwachsenen-Entertainment“ und anders als erwartet reagiert, ist eine neue Geschäftsidee geboren. Fragt sich nur, was der Elternbeirat der Privatschule, die Maries Kinder besuchen, dazu sagt! Oder die Arbeitsgruppe „Eltern gegen Pornografie“?

Soundtrack: u.a. Fine Young Cannibals („Suspicious Minds“), Madonna („Lika A Prayer“), Patrick Watson („The great escape“), Amy Winehouse („Love is a losing game“), Rondo Veneziano („Scaramucce“), David Bowie („Space Oddity“), Dzihan & Kamien feat. Daniela („Basmati“), The Strokes („Someday“), Lynden David Hall („All you need is love“)

„Sex sells“, heißt es gern, vorgebracht mit verächtlichem Unterton. „Crime sells“, hört man selten. Warum eigentlich? Dabei bestimmen Gewalt und Verbrechen übermächtig die TV-Fiktion. Da sind ein bisschen Sex (als Thema) und erotisches Ambiente, versetzt mit der Kritik an sozialen Vorurteilen und kleinbürgerlicher Doppelmoral, die reinste Erholung. „Ausgerechnet Sex“ ist ein leicht goutierbarer Komödienspaß, der einen Teil seines Reizes aus der Tatsache zieht, dass Sex und Pornografie, allgegenwärtig in fast allen Medien, indes im Primetime-Fernsehfilm Tabuzonen sind. Wie schafft es der Film also, das Porno-Milieu zu zeigen, ohne sich den Vorwurf anhören zu müssen, voyeuristisch zu sein? Der Film dürfte umso besser funktionieren, je mehr man ein Stück weit mit gefangen ist in der gezeigten Doppelmoral. Die spießige Heldin, groß geworden in den 80ern, lebt ideal diese Haltung vor.

Ausgerechnet SexFoto: Sat 1 / Walter Wehner
„Normale Leute sehen gerne Filme, in den rund um die Uhr ‚geschnackselt‘ wird. 70 Prozent aller Umsätze im Internet werden mit Sex-Angeboten gemacht… So viel zu den normalen Leuten“, klärt Porno-Regisseur Volker (Helmfried von Lüttichau) Marie auf.

„Ausgerechnet Sex“ erhebt nicht den Anspruch, zu zeigen, wie es in der Pornobranche zugeht. Die Wir-sind-eine-große-Familie-Romantik kommt in Filmen immer gut, aber die Set-Realität bleibt bloßes Dekor für die „Wandlung“ der Heldin. Wie „Porno“ mit dem Wertesystem der braven Hausfrau kollidiert steht im Mittelpunkt der Handlung. Valerie Niehaus spielt sie mit großem komödiantischem Gespür – auch für ernsthafte Zwischentöne – als Unschuld aus der Vorstadtsiedlung. Keiner deutschen Schauspielerin nimmt man dieses Grace-Kelly-like Reinheitsgebot so gut ab. Ihre Marie macht neue Erfahrungen (auch mit Roy, dem Rohr) und sie steht dazu. Anders als die anderen Frauen, die sich öffentlich echauffieren über „Marie X“, nachdem sie sich ihre sexuellen Gelüste am Filmset haben befriedigen lassen. „Porno zum Mitmachen: eigene erotische Phantasien, maßgeschneidert umgesetzt von Profis in die Wirklichkeit.“ Das ist die neue Geschäftsidee der Heldin. Da könnte vielleicht sogar ein zweiter Teil möglich sein – auch, weil der One-Night-Stand mit Roy, dem Rohr, der ja gelernter Koch ist und einen Sohn hat, durchaus noch ausbaufähig ist. Einem findigen Drehbuchautor sollte da das Passende einfallen. Erotisches Kochen oder kochende Erotik?

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Valerie Niehaus, Tom Beck, Hildegard Schmahl, Helmfried von Lüttichau, Judith Rosmair, Maria Ehrich, Lilly Forgách, Gabor Schreindorfer

Kamera: Bernd Neubauer

Schnitt: Andreas Althoff

Musik: Philipp Fabian Kölmel

Produktionsfirma: Yellow Bird Pictures

Drehbuch: Ilja Haller

Regie: Andi Niessner

Quote: 3,12 Mo. Zuschauer (10,6% MA)

EA: 13.09.2011 20:15 Uhr | Sat 1

Spenden über:

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach