Köchin Alice (Aybi Era) lässt sich von ihrem Freund Nicolas (Daniel Gawlowski) überreden, dieses Jahr Weihnachten mit seinen Eltern gemeinsam zu feiern. Also geht es aus dem nasskalten Hamburg ins winterliche Oberallgäu nach Oberstdorf. Da Nico unerwartet die Arbeit dazwischenkommt, muss Alice allein anreisen; Nicolas will spätestens Heiligabend nachkommen. Der holprige Start in den Weihnachtsurlaub ist für die junge Frau bald kein Thema mehr, denn die Eltern ihres Freundes (Jutta Speidel, August Schmölzer), Betreiber eines Gasthauses, nehmen sie überaus herzlich auf. Für Alice, die mit achtzehn Jahren ihre Eltern durch einen Unfall verloren hat und seitdem einzig in Nachbar Christian (Peter Franke) einen Vertrauten besitzt, eine besondere Erfahrung. Und dann ist da auch noch Jakob (Jochen Matschke), Nicolas‘ Bruder, der nach dem Tod seiner Frau mit seinen Kindern (Falka Klare, Fabian Ziems) wieder bei seinen Eltern untergekommen ist und sie tatkräftig in der Küche unterstützt. Eigentlich würde dieser verantwortungsvolle Mann, der die gleiche Leidenschaft fürs Kochen hegt wie sie, viel besser zu ihr passen als dessen Workaholic-Bruder. Dieser schafft es zwar wie versprochen zu Heiligabend, hat aber eine Riesenüberraschung im Gepäck.
Soundtrack: Macy Gray („This Christmas Hang All the Mistletoe“), Norah Jones („It’s not Christmas Till You Come Home“), The Hives („Hate To Say I Told You So“), Kelly Clarkson („Run Run Rudolph“), Brittany Howard („Stay High“)
Unvorhersehbare Wendungen bleiben in der Regel Thrillern und Krimis vorbehalten. Dass ein Film auf dem „Herzkino“-Sendeplatz mit einer narrativen 180-Grad-Wende aufwartet, ist wahrscheinlich ein Novum. Bis dahin allerdings erzählt der Film von Petra K. Wagner („Der Duft von Holunder“ / „Martha und Tommy“) nach dem Drehbuch von Claudia Matschulla und Arnd Mayer, von Dingen, die man vom Sonntag im ZDF oder vom Freitagsfilm in der ARD hinreichend kennt. Es zeichnet sich ab, dass die sympathische Heldin von „Alice im Weihnachtsland“ zwischen zwei Männern stehen wird. Da ist ein Stressjob in Hamburg, und da ist eine leerstehende Pizzeria in Oberstdorf. Da kochen zwei, die früh zu erkennen geben, dass sie fürs Happyend bestimmt sind, nicht nur für ihr Leben gern, sondern tauschen sich auch über die ihre Restaurantträume aus. Hinzu kommt, dass beide einen ähnlich schweren Verlust erfahren haben. Und dass sich auch Jakobs Kinder mit Alice gut verstehen, ist alles andere als eine Überraschung. Auch filmisch weiß die Qualitätsfilm-Regisseurin in den ersten 40 Minuten keine Akzente zu setzen. Das Pfund der ersten Filmhälfte ist Hauptdarstellerin Aybi Era, deren natürliche Ausstrahlung und alltagsnahes Spiel das allzu Vorhersehbare immer mal wieder vergessen lässt. Angenehm heraus stechen die Szenen, besonders die stimmungsvollen am Abend, in denen sie und der grundsolide Jochen Matschke ernsthaftere Töne anschlagen dürfen (und in denen die wetterbedingten Anschlussfehler nicht auffallen). Auch die etwas aufgesetzt launige Rodelgaudi nimmt man gerne mit, und Jutta Speidel & August Schmölzer als Sidekicks sind zumindest besser als viele andere „Herzkino“-Oldies.
Ob dieser überschaubaren positiven Reize kommt beim Kritiker, der sich bei den namhaften Machern etwas anderes erhofft hat, langsam aber sicher Unruhe auf. Der Halbzeit-Break kommt also zur rechten Zeit. Betretene Gesichter, wo man hinschaut. Und auch neue Gesichter (Nina Hoger & Ilja Richter) kommen ins Spiel; diese allerdings bereichern eher selbstverliebt mit launigen Gesangseinlagen die absurde Situation. Ohne zu viel zu verraten: Die Beziehungslagen spitzen sich zu, und in ein paar gespiegelten Kontrast-Szenen dürfen die Gewerke (vor allem Szenenbild & Kostüm) zeigen, dass sie auch zu etwas gut sind. Ein paar „Stößchen“ später nimmt dann doch alles wieder seinen erwarteten Gang. Dennoch atmet der (mitfühlende) Kritiker jetzt ein zweites Mal auf: Eine solche Horror-Zweisamkeit jedenfalls hätte diese Alice im Oberallgäu nicht verdient. Offen bleibt zunächst allenfalls die Frage, wie die genreüblichen Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Auf jeden Fall etwas lebensklüger als vom Genre gewohnt: Das retardierende Moment kommt nicht von außen, sondern sitzt im Kopf der Heldin. Wenige Filmminuten später überwindet das Paar die letzten Barrieren und reißt sinnbildlich eine Wand im zukünftigen gemeinsamen Restaurant ein. Ein erfrischendes Schlussbild. Das passt zu dem Paar, das nicht nach 60 Filmminuten zum ersten Mal zusammen in die Kiste springt, wie es die 08/15-„Herzkino“-Dramaturgie jahrelang vorgab, ja, das vor lauter Schwärmerei fürs Kochen nicht mal Zeit fürs Küssen findet. Verglichen mit den erfrischenden, wahrhaftig emotionalen ZDF-Pulswärmern der Relevant Film, „Weihnachten im Schnee“ (2019) und „Ein Lächeln nachts um vier“ (2017), dürfte „Alice im Weihnachtsland“ dennoch nur überzeugte „Herzkino“-Freunde erwärmen.