Der Personalchef und der Würstchenmann
Als Würstchenmann auf dem Alex verdient sich Hartmut Sprenger seine Brötchen. Der Mann hat schon bessere Zeiten gesehen. Vor einigen Jahren war er noch Marketingleiter in einem Kommunikationsunternehmen. Bis Personalchef Lorenz Hoffmann kam, der die junge Firmenphilosophie radikal durchsetzte. Dabei hat es ausgerechnet auch den Mann erwischt, den seine – zu diesem Zeitpunkt bereits – Ex-Frau und seine Tochter Olivia jahrelang vor lauter Arbeit nicht zu sehen bekamen. Dass es sich längst „ausgemeetingt“ hat, wissen die beiden bis heute nicht. Doch langsam wird es eng. Mit Würstchen lässt sich das teure Internat nur schwer finanzieren. Wenigstens hat die Ex mittlerweile als Physiotherapeutin Fuß gefasst. Aber seine pubertierende Tochter wird Sprenger nicht länger vertrösten (und nicht schon wieder enttäuschen) können: Er hat ihr einen gemeinsamen Urlaub versprochen. Aber wie? Erst mal muss er zu ihr hinkommen ohne Auto und ohne Kohle. Doch wie es der glückliche Zufall will, hat ein Geschäftsmann – so wir er früher einer war – einen schnittigen Sportwagen, aber keinen Führerschein mehr. Die beiden sind sich bisher nie begegnet, kennen sich aber. Der Fatzke mit dem Protzschlitten ist niemand anderes als Lorenz Hoffmann.
Je dicker das Auto, desto wichtiger der Mensch?!
„600 PS für zwei“ ist eine Road-Movie-Komödie, wie sie im Genre-Buche steht. Die Setzung inklusive Riesenzufall muss man akzeptieren, die Geschichte muss man glauben, den Charakteren ihr Schicksal abnehmen und den Schauspielern vertrauen – will man den größtmöglichen Spaß aus dieser Komödie ziehen, bei der alles nur Vorwand ist dafür, dass sich diese beiden Kontrahenten begegnen (ohne anfangs zu wissen, wer der andere ist). Da hätte Drehbuchautor Daniel Scotti-Rosin mitunter die Fäden, an denen die Figuren aufgehängt sind, ruhig noch etwas deutlicher machen können. Auch wenn es um das Schreckgespenst Arbeitslosigkeit geht, der Film, den Komödien-Expertin Sophie Allet-Coche erwartungsgemäß luftig und locker inszeniert hat, bleibt muntere Familienunterhaltung ohne viel Schräglage oder gar Tiefgang. Und wie es das Genre will, wird gegen Ende selbstredend der eine oder andere Läuterungsprozess in Gang gesetzt. „Zeig’ mir, was du fährst, und ich sag dir, was du bist: Je dicker das Auto, desto wichtiger der Mensch“ – mit diesem ironiefreien Satz überrascht einen Walter Sittlers sympathischer Langzeitarbeitsloser der Premium-Klasse zu Beginn des Films. Dass der gute Lorenz Hoffmann, der sich wohlweislich Lothar Merseburger nennt, nachdem ihm Sprenger seine Leidensgeschichte erzählt hat, ein Manager-Chauvi alter Schule ist, das steht außer Frage; aber ausgerechnet ihm widerfährt seine Läuterung in Gestalt von Sprengers Ex und eines neuen Freundes an einem einzigen Tag. Dagegen hat der Ex-Marketingchef selbst nach sechs Jahren Arbeitslosigkeit offensichtlich nicht viel dazugelernt. Trauert der noch immer den alten Statussymbolen und dem Prestigedenken hinterher? Offenbar, sonst würde er sich ja auch nicht so sehr schämen (was im Übrigen ein ziemlich schwaches Motiv ist als Grundlage für die Psycho-Logik dieser Komödie). Am Ende aber revidiert sich Sprenger: „Man ist, was man fährt – Schwachsinn: Hauptsache, man kommt an!“
Foto: ZDF / Hans-Joachim Pfeiffer
Lügenspiel der Männer = Kraftfeld der Komödie
Für „600 PS für zwei“ gilt: Eine Komödie muss nicht immer logisch und lebensklug sein – wenn sie einen emotional 90 Minuten mitnimmt und am Ende gute Laune macht. Und das kriegen Sittler, Knaup & Co mit diesem Unterhaltungsmaschinchen über die gesamte Spiel-Länge mehr als passabel hin. Kleine Lügen forcieren das Timing – und für den Witz im Detail ist die Situationskomik zuständig. Dabei geht die Mehrzahl der Gags anfangs auf Kosten des peniblen Personalchefs, dem der Angeberschlitten („für Männer, die es geschafft haben“) gar nicht gehört und der deshalb umso nervöser wird, wenn der Würstchenmann im Auto mit seinem Senf hantiert. Und jener hat es auch nicht anders verdient, dass ihm die Bullen anfangs an den Fersen kleben. Die Hauptquelle der Komik ist aber weniger die Schadenfreude, es ist vielmehr das immer komplizierter werdende Lügenspiel: Lorenz Hoffmann gibt sich als Lothar Merseburger aus; den macht Sprenger kurzerhand vor Tochter und Ex zu einem arbeitslosen Anhalter und das Auto gibt er als seines aus. Und auch ihre Kleidung, der feine Anzug und die Freizeitjoppe, müssen die Männer tauschen. „Verdammt, das ist meine einzige Hose“, wettert Hoffmann, als Sprenger Rotwein verschüttet – und die Frauen wundern sich. „Ziehen Sie sofort die Hose aus, Sie Idiot.“ Und die Tochter wundert sich noch mehr: „He, wie reden Sie mit meinem Vater.“ Als dann später der Wagen abgeschleppt wird und mal wieder die Polizei ins Spiel kommt, droht das falsche Spiel der beiden Männer zu platzen. Am Krankenbett löst sich das Ganze zwar nicht in Wohlgefallen, aber mit Hang zur Rührseligkeit auf. Das ist das Problem bei solchen Lust-Spielen, die dramaturgisch bestens funktionieren, einem aber nicht wirklich etwas zu erzählen haben: Wie rauskommen aus der Geschichte? Das Ende jedenfalls ist ein Punkt-Sieg für Liebe und Landleben, für Offenheit und Ehrlichkeit. Schluss mit Karrieredenken – und wozu braucht man überhaupt ein Auto?!